Die Kuh ist an und für sich ein nettes Wesen und ganz sicher nicht klimaschädlich,“ sagt Christian Salmhofer vom Klimabündnis Österreich. Klimawandel und Ernährung ist seine Spezialität. Die Wirkung von dem einen aufs andere ist ganz schön kompliziert. Oder banal, wenn er es erklärt.

Wie beeinflusst unsere Ernährung den Klimawandel? Und wie der Klimawandel die Ernährung? Schwierige Frage. Da taucht die Klimakillerkuh auf, die langen Transportwege, die an allem schuld sind, der Ruf nach regionalen und saisonalen Lösungen, das Grünland als CO2-Speicher, das Soja als böser Feind. Wer sich in die Materie hineintigert, wird zuerst einmal verwirrt sein. Warum? Weil Menschen Zahlen lieben. Und sie davon überzeugt sind, durch Vergleiche eine passende Erklärung zu finden. Leider vermischen sie dabei allzu oft Äpfel mit Birnen.
Wenn ich ein Kilo Fleisch esse, dann ist das wie 200 Kilometer mit dem Autofahren. Die Menschen wollen immer eine wissenschaftliche Deckung haben, aber das passt halt meist nicht zusammen“, sagt Mag. Christian Salmhofer vom Klimabündnis Österreich.

Die Klimakillerkuh

Klimawandel und Ernährungssystem ist Salmshofers Spezialität und das seit über 20 Jahren. Er weiß, dass man sich alles schön rechnen kann, schön reden kann. Nehmen wir die Kuh als Beispiel. Steht sie auf der Weide und frisst Cellulose, also Gras, wird sie vermehrt furzen, also Methangase von sich geben. Dieses Methan kann nicht klimaschädlich sein, denn da bleibt alles im gesunden Kreislauf: Die Kuhflade fällt auf den Boden, die Bodenlebewesen bauen Humus auf. Jetzt kommen aber die Wissenschaftler und vergleichen die Kuh, die auf der Weide steht mit der Kuh, die im Stall steht. Die eine frisst Gras, die andere Soja. Das kommt aus Brasilien oder Argentinien und nennt sich Kraftfutter. Die Kuh, die Kraftfutter frisst, furzt natürlich weniger. „Auf Basis dieser Grundrechnungsarten haben die Wissenschaftler falsche Zahlen ins System geschleust“, so Salmhofer. Wie gesagt: Äpfel und Birnen.

Makabere Berechnung

Salmhofer wählt ein Beispiel, welches die Vorliebe fürs Vergleichen und deren Sinnlosigkeit klar vor Augen führt. Jeder Mensch emittiert an die 700 Gramm CO2 pro Tag. Das macht bei acht Millionen Österreicherinnen und Österreichern eine ordentliche Menge: 5600 Tonnen CO2 pro Tag (wenn ich mich nicht verrechnet habe). Wäre doch mindestens eine so gute Schlagzeile wie die Klimakillerkuh. Und was wäre die Lösung: Weniger atmen? Ganz zum Atmen aufhören? Geht ja nicht.

Man muss vom Boden wegrechnen“, sagt Salmhofer. Aus dem Gleichgewicht kommt es ja erst, wo es um Massentierhaltung geht. Wo die landwirtschaftliche Fläche gar nicht mehr vorhanden sein muss und die Gülle ins Ausland transportiert wird, weil man ihrer nicht mehr Herr wird. Kommerzieller Landbau versus Biolandbau oder wie es jetzt heißt: klimafitte Landwirtschaft. Kompliziert? Ja! Gut, dann schauen wir uns die einfachen Lösungsansätze an.

Eigentlich ist es banal

Im Grunde ist es ganz einfach,“ sagt Christian Salmhofer und bringt drei Beispiele.

These 1: Ernährungspyramide

Die Ernährungspyramide einhalten ist Klimaschutz. So einfach ist das. Wer sich daran hält und sich gesund ernährt, schützt gleichzeitig das Klima. Keine Völlerei, kein Wegwerfen von Lebensmitteln, kein Übermaß an Fleisch und anderen tierischen Produkten. „Unsere Großeltern haben eigentlich automatisch ressourcenschonend und klimaschonend gegessen,“ so Salmhofer. Da gab es dieses Überangebot einfach nicht.

These 2: Geschmacksverstärker Emotion

Eines meiner schönsten Erfolge war eine Woche lang Schulkinder zu bekochen, die für ihren Auftritt im Zirkus trainiert haben. Als sie ankamen, wollten sie von dem gesunden Gemüse und den Bioprodukten nichts wissen. Sie verlangten ihr gewohntes Schnitzel. Das gab es aber nicht. Am Ende der Woche erhielten wir Feedback und ein Großteil der Kinder war vom Essen begeistert. Zauberei? Nein. Die Kinder waren ganz vertieft in ihr Zirkustraining, bauten dabei Selbstwertgefühl auf, das Essen lief nebenbei mit. Und wurde von ihnen mit dem Zirkuserlebnis verknüpft. Hätten wir einen Workshop „Gesundes Essen“ gemacht, wäre das beim einen Ohr hinein und beim anderen hinaus. So war es aber mit einem emotionalen Erlebnis verbunden. Und hat wunderbar geschmeckt.“ Man kann nun natürlich kein Theater rund ums Essen machen, aber bei Heranführen von Kindern an gesunde Kost andere Wege gehen.

These 3: Die Köchin

Bei meinen kommunalen Klimaschutzberatungen stelle ich oft eine Frage: Habt ihr eine Köchin in den Kindergärten? Ich ernte jedes Mal verblüfftes Staunen“, so Salmhofer. Dabei ist eine Köchin im Ort Klimaschutz Nummer Eins.
Das Projekt in Villach sah so aus: Die öffentlichen Kindergärten und Horte, 33 an der Zahl, behielten ihre Köchinnen anstatt die Personalkosten zu reduzieren und auf Fertigteilkost umzusatteln. Die Köchinnen erhielten ihre Lebensmittel von den Biobauern aus der Umgebung, der Bioanteil wuchs schnell auf 70 %. Dazu kam, dass kaum Lebensmittel verschwendet bzw. weggeschmissen werden musste (im Vergleich bis zu 55 % Müll in andern Gemeinden). Die Köchinnen wussten welche Kinder gerne welche Gerichte essen, schauten drauf, wie es ihnen ging, kochten bedarfsgerecht. Dass sie so das Klima schützen war ihnen zu Beginn gar nicht bewusst. Jetzt sind sie stolz darauf, genauso wie die Eltern und Kinder, die davon profitieren. „Das ist Klimaschutz pur. Aber das lässt sich natürlich nicht so gut vermarkten, wie eine E-Tankstelle, die im Ort eröffnet wird“, so Salmhofer.