Was hat die Wiener Wochenzeitung Falter mit Österreichs größtem Gratis-Tagesblatt Heute und dem TV-Magazin Tele gemeinsam? Reichlich wenig, möchte man allein mit Blick auf die einzelnen Zielgruppen denken. Und dennoch: Alle drei widmen sich mit einem neuen, redaktionellen Schwerpunkt vermehrt der Klima-Debatte. Wie wichtig das für erfolgreichen Klimaschutz ist, kann tatsächlich nur schwer überschätzt werden: Längst sind die Medien zu einem entscheidenden Faktor im Kampf gegen die Klimakrise geworden und dabei heute mehr denn je in der Pflicht.

Steuerreform: Wichtiger Gamechanger oder Autofahrer-Schikane?

Die grundsätzliche Debatte zur Macht der Medien in unserer Gesellschaft ist per se nicht neu. Als wichtige Säule einer „gesunden“ Demokratie fungieren sie als sogenannte vierte Gewalt, als Kontrollinstanz gegenüber den Machtinhaber:innen. Darüber hinaus informieren sie und schaffen Öffentlichkeit, wobei sie auch wesentlich zur Meinungsbildung beitragen. Der Soziologe und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann hielt 1996 zusammenfassend fest: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“. So weit, so gut.

Da die mediale Klimaberichterstattung in logischer Konsequenz auch eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Klimakrise einnimmt, bestätigt nicht zuletzt das wachsende wissenschaftliche Interesse: dutzende Studien nahmen in näherer Vergangenheit den medialen Einfluss auf die öffentliche Klima-Debatte näher unter die Lupe. Eine klare Mehrheit der Gesellschaft – egal ob Laie, Stakeholder:in oder Entscheidungsträger:in – bezieht ihr Wissen über die Klimakrise aus den Massenmedien, noch vor dem Austausch mit der Familie, den Freunden oder aus dem Schulunterricht (Schäfer, 2015; Schäfer & Schlichting, 2014). Wie demnach unsere Einstellung gegenüber der Klimakrise und entsprechenden (politischen) Gegenmaßnahme ist, hängt mitunter stark von den konsumierten Medien ab.

So prägen diese maßgeblich, wie beispielsweise über eine ökosoziale Steuerreform gedacht wird, aber auch wie im Alltag gehandelt wird oder welchen Stellenwert der Klimaschutz bei Wahlen einnimmt. Dabei ist es nicht nur entscheidend, dass, sondern insbesondere auch wie über das Thema berichtet wird: Das mediale Hervorheben („Spritpreis steigt – Autofahren wird jetzt teurer“) bzw. Auslassen (Entlastung durch einen Klimabonus; drohende Milliarden-Kosten durch Klimakrise-Folgen bei Nichthandeln) bestimmter Informationsfragmente wird nicht selten zu einem prägenden Faktor in der öffentlichen Klima-Debatte. Kurzum: Es liegt zu einem guten Teil auch in der Verantwortung der Medien, inwieweit Klimaziele erreichbar sind oder nicht.

Weniger Fake, mehr Fakten

Welchen Einfluss die Klimaberichterstattung konkret auf unsere Gesellschaft nehmen kann, hat mitunter das Forscher-Duo Maxwell und Jules Boykoff 2004 am Beispiel zahlreicher US-Medien untersucht. Sie erkannten dabei eine falsche Ausgewogenheit (false balance) in der Klimaberichterstattung, wie sie nicht selten auch in Österreich ersichtlich wird. So zeigten die Forscher eine mediale Verzerrung auf, die trotz dem breiten, klimawissenschaftlichen Konsens den klimawandelskeptischen Stimmen große Präsenz gewährte. Allgemein werden in den USA bereits seit den 1990ern überwiegend politische wie wirtschaftliche Vertreter:innen statt Fachexpert:innen zum Klima-Thema interviewt und zitiert (Collomb, 2014). Die Folge: statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung rücken über Jahrzehnte hinweg kontroversiell wie emotional geführte Debatten ins Zentrum der Berichterstattung (Powell, 2012).

Eine der dramatischen Konsequenzen dieser Entwicklung ist, dass wissenschaftliche Erkenntnisse immer öfter in Zweifel gezogen werden. Umfragen belegen, dass die US-amerikanische Bevölkerung gegenüber dem menschengemachten Klimawandel weltweit zu den skeptischsten zählt. So gaben 2019 im Rahmen einer vom YouGov-Cambridge Globalism Project durchgeführten Erhebung gleich 13 Prozent der Befragten an, dass sich das Klima zwar verändere, aber der Mensch keineswegs dafür verantwortlich sei – ein Wert, der innerhalb der 23 untersuchten, bevölkerungsreichten Staaten nur noch von Saudi-Arabien (16 Prozent) und Indonesien (18 Prozent) übertroffen wurde (Milman & Harvey, 2019).

Nicht minder interessant erscheint die Erkenntnis, dass speziell im Zweiparteiensystem der USA durch das ausgeprägte Zugehörigkeitsgefühl vieler zu den Demokraten bzw. den Republikanern insbesondere die konservativen Wähler:innen eher dazu neigen, klimarelevante Hinweise von demokratischer Seite politisch motiviert abzulehnen oder zu ignorieren (Bohr, 2020). Umso dringender erscheint es in der Klimadebatte endlich wieder zu den wissenschaftlichen Fakten zurückzukehren und entsprechend zu Handeln. Statt einem ewigen, politisierten Tauschhandel um Maßnahmen, muss der Klimaschutz zum ehrlichen zentralen Anliegen aller Parteien werden. Schließlich werden uns die Folgen der Klimakrise partei-unabhängig auch alle betreffen.

Zusammenfassend kann die Verantwortung der Journalist:innen in puncto Klimaschutz nicht genug betont werden. Neben der (inhaltlichen) Kontrolle von Politik und Wirtschaft gilt es den öffentlichen Diskurs zurück zu fakten-basierten Inhalten zu führen und ihn aktiv und zukunftsorientiert sowie verständlich mitzugestalten. „Den Boden für neues Denken, Innovationen und Ziele zu bereiten, ist auch Aufgabe der Medien“ (Rita Süssmuth, 1937).  Nur indem der Spagat zwischen Daten-lastigen, hochkomplexen Klima-Studien und dem Alltag der Menschen verkleinert wird, ohne dabei jedoch die Dringlichkeit des Klimaschutz aus den Augen zu verlieren, kann dieser letztendlich auch gelingen. Dabei bieten sich auch einmalige Chancen für die Redaktionen!

Klimajournalismus in Österreich: Chancen jetzt nutzen!

Dass sich aktuell immer mehr Redaktionen umfangreicher dem Klima-Thema annehmen, ist nicht zuletzt der Nachfrage geschuldet: Gleich 70 Prozent der Österreicher:innen gaben bei einer Umfrage des Gallup-Instituts an, sehr oder eher großes Interesse an Nachrichten über den Klimawandel zu haben. Jede:r Dritte beklagte, dass zu wenig berichtet werden würde, bei jüngeren zwischen 15 und 30 Jahren waren es sogar 55 Prozent der Befragten. Genau hier liegt auch das Potenzial neuer Leserschaft, dass nicht zuletzt die eingangs erwähnten Falter, Heute und Tele> nutzen wollen. Und das ist auch gut so: allein diese drei Medien erreichen bereits heute Millionen Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten.

Während die „Tele Klimainitiative“ bereits 2019 samt prominenter Unterstützung (Robert Palfrader, Hugo Portisch, …) ins Leben gerufen wurde, folgte im damaligen Hitzesommer auch die Krone mit einem Schwerpunkt unter der Überschrift „Klimakrise“. 2021 wurde die Liste um einige große Medienhäuser erweitert: Nach dem „Natur“-Ressort des Falters (März 2021) sowie dem neuen Umwelt-Ressort der Heute (September 2021) unter der Leitung der langjährigen Global 2000-Sprecherin Lydia Matzka-Saboi schuf mitunter der Kurier einen neuen Klima-Channel. Günther Mayr, Leiter des Wissenschaftsresorts beim Österreichischen Rundfunk, sprach sich darüber hinaus klar für die Einrichtung eines Klima-Ressorts bei Österreichs größtem Medium aus. Das im April in Österreich ins Leben gerufene Netzwerk Klimajournalismus belegt zudem den medialen Wandel.

Jedoch müsse sich nicht nur der Umfang, sondern auch die Art der medialen Klimaberichterstattung dringend ändern, wie die Leiterin des Gallup-Instituts, Andrea Fronaschütz, mit Blick auf die Umfragen betont: „Die Daten unterstreichen die Notwendigkeit einer sachlichen, faktenbasierten Auseinandersetzung der Medien mit dem Thema Klimawandel. Im Moment werden die Risiken aus Sicht verschiedener Bevölkerungsschichten in der Berichterstattung überwiegend übertrieben oder heruntergespielt.

Speziell junge Menschen fühlen sich oftmals schlecht von den Medien informiert, die zu wenig oder verharmlosend über die Klimakrise berichten.

Ihre Informationen zum Thema Klima beziehen sie eher in den sozialen Medien und auf den offiziellen Webseiten als in den klassischen Medien. Für Medienmarken mit digitalen Kanälen ist dies eine Chance, durch Social-Media-Präsenz diese Altersgruppe beim Thema Klima abzuholen“, so Fronaschütz. Und weiter: „Es gilt hier auch, aus der Corona-Krise eine Lehre zu ziehen: Viele junge Medienkonsumenten greifen zur Corona-Information auf die klassischen Medien zurück. Diese Nutzer kann man versuchen, mit Themen zu erreichen, die langsam wieder mehr Raum einnehmen. Gerade bei komplexen Sachverhalten wie Klimawandel sind die wichtigsten Währungen für junge Menschen Vertrauen und Glaubwürdigkeit der Quelle.“ Die Medien stehen mit Blick auf die Klimakrise somit nicht nur in der Pflicht, ihnen bietet sich auch eine einmalige Chance, junge, neue Leserschaft mit gekonntem Klima-Journalismus abzuholen.