Gabriel Marosi ist Head of Group ESG Office bei der Erste Group. Tom Rottenberg spricht im Interview mit ihm über die soziale und ökologische Verantwortung einer Bank und darüber, ob wir die Pariser Klimaziele noch erreichen können.

Wir treffen uns hier auf dem „Erste Campus“ in Wien im 10. Stock eines modernen und neuen Gebäudes. Ich weiß zwar nicht, von wem ihr euren Strom bezieht – aber ich hoffe doch, dass es sich da um Energie aus erneuerbaren Quellen handelt.

Der Campus ist ein ganz besonderer Ort. Er wurde vor einigen Jahren nach den höchsten, damals möglichen Umwelt- und Klimastandards errichtet. Die Emissionen liegen unter zwei Kilogramm CO2e (CO2e = CO2 Äquivalente ) pro Quadratmeter und das ist wirklich außergewöhnlich. Denn der Durchschnittswert bei Bürogebäuden in Österreich liegt bei 30 Kilogramm pro Quadratmeter. Wir heizen mit Fernwärme, die zum Großteil aus erneuerbaren Quellen generiert wird. Unser Strom kommt ebenfalls aus erneuerbaren Quellen. Darüber hinaus haben wir im Dezember eine Photovoltaikanlage am Dach installiert, produzieren also einen Teil der von uns benötigten Energie selbst. Ich glaube, das qualifiziert dieses Gebäude als Vorbild für neue, moderne Gebäude.

Du bist also stolz darauf, hier zu arbeiten?

An so einem Ort zu arbeiten ist mehr als nur ein Job. Wir haben viele öffentliche Grünflächen und es ist beeindruckend, wie viel hier in Energie- und Umwelteffizienz investiert wurde. Um auf die Frage zu antworten: Ja, ich bin stolz an so einem außergewöhnlichen Ort zu arbeiten.

Wir wollen über die Verbindung zwischen der Erste Group und der oekostrom AG sprechen. Wie kommen die beiden Unternehmen zusammen?

Bei der Erste wissen wir, wie wichtig es ist den Klimawandel aufzuhalten oder zumindest zu bremsen. Der jüngste IPCC-Report kommt zu dem Schluss, dass wir auf dem Weg zu einer globalen Erwärmung von 2,7 Grad sind – das ist bei weitem höher als im Pariser Abkommen festgeschrieben. Deshalb müssen wird dringend aktiv werden und das beginnt damit, dass wir die Erschließung und die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien massiv forcieren und unterstützen – egal, ob es sich um Sonne-, Wind oder Wasserkraft handelt. Deshalb freut es uns, Unternehmen wie die oekostrom AG dabei zu unterstützen, ihre Nachhaltigkeitsprojekte zu realisieren und dabei die “grüne Transformation“ von Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben.

Ihr seid der Finanzpartner der oekostrom AG beim Projekt “Repowering Parndorf“. Dort investiert die oekostrom AG mehr als 7 Millionen Euro in neue und weit effizientere Windräder.

Es geht da um weit mehr als nur den finanziellen Aspekt. „Repowering Parndorf“ wird 8 Megawatt erneuerbarer Energie zu dem hinzufügen, was dort schon jetzt produziert wird – also gesamt 27 Megawatt. Natürlich geht es um eine signifikante, hohe Investitionssumme – aber es wird ja auch bedeutend mehr Energie produziert werden. Vor allem aber kommt der Strom, der produziert wird, indem man Wind „erntet“ aus einer langlebigen, nachhaltigen Quelle für günstige und saubere Energie.

Es ist faszinierend, was Technologie alles kann: Mehr und mehr Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, ist das Beste, was wir für unseren Planeten tun können.

Durch das Repowering Parndorf Projekt werden bis Ende 2023 rund 70 Gigawattstunden Strom produziert. Das heißt, die hier produzierte Energiemenge wird sich nahezu verdoppeln. Parndorf wird erneuerbare und saubere Energie für knapp 22.000 Haushalte liefern. Das entspricht dem Energiebedarf von Eisenstadt. Dadurch vermeiden wir jährlich 50.000 Tonnen CO2pro Jahr. Aber wie sieht das aus Sicht der Bank aus? Ist das einfach nur ein Finanzierungsgeschäft – oder gehört das auch zu den ESG-Zielen der Erste Group?

Ganz eindeutig Zweiteres! Wir können den Energieoutput in Relation zum Bedarf einer kleinen Stadt setzen – aber genauso gut zum Energiebedarf einer Institution mit der Größe der Erste Group. Der gesamte Strombedarf unserer Gruppe beträgt 165,5 GWh pro Jahr. Das bedeutet also, dass Parndorf nahezu die Hälfte unseres jährlichen Strombedarfs produzieren wird. Anders formuliert: Was im Parndorfer Windpark jetzt an Kapazitäten neu aufgebaut wird, könnte sechs Monate des Strombedarfs unserer 47.000 Mitarbeiter:innen in sieben Ländern, an mehr als 3.000 Standorten abdecken. Das ist eine relevante Menge und passt perfekt zu unserem Verständnis von ESG:

Wir glauben fest daran, dass die Umwandlung des Energiebereiches und die Abkehr von fossilen hin zu erneuerbaren Energieträgern ein zentraler Schritt zur Vermeidung der Klimakrise und allen mit ihr einhergehenden sozialen und ökologischen Problemen ist.

Deshalb unterstützen wir unsere Kund:innen mit all unseren Kräften und Möglichkeiten aktiv dabei, wenn es darum geht, weg von der „braunen“, der schmutzigen, hin zur grünen, sauberen Energie zu kommen.

Ich möchte hier Willi Cernko, den Firmenkundenvorstand der Erste Bank Oesterreich zitieren: „Die Erste Bank fühlt sich verpflichtet, dazu beizutragen, dass Liquidität dorthin fließt, wo Gutes für den Planeten getan wird. Es ist immens wichtig, in das Thema Nachhaltigkeit zu investieren.” Gibt es da etwas zu ergänzen?

Worum es geht, ist, Geld Wert zu geben. Dieser „Zukunftswert“ ist etwas anderes als Zinsen. Die Erste Group wurde auf einer ganz zentralen Idee aufgebaut: Geld auch sozialen Wert zu geben. Heute müssen wir diesen Auftrag aber weiter fassen und Geld auch Wert geben, indem wir damit umwelt- und klimafreundliche Projekte unterstützen.

Erste Campus, Foto: Manfred Sodia

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Wir glauben daran, dass es keinen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg geben kann, wenn man keine Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft übernimmt. Deshalb ist das, was Willi Cernko sagte, Teil unserer DNA und ich bin davon überzeugt, dass es wichtig ist, unsere Kund:innen beim Übergang von unserem derzeitigen Wirtschaftssystem zu einem dekarbonisierten oder zumindest deutlich  weniger CO2 intensiven Wirtschaftssystem zu unterstützen.

Was können ganz normale Menschen tun, um diesen Übergang zu unterstützen?
Gibt es ökologische Investmentprogramme für Leute mit Durchschnittseinkommen – oder müssen wir das dem Goodwill von Konzernen und Banken überlassen?

Jeder von uns ist für die Art, wie wir leben mitverantwortlich – auch dafür, dass unser Geld zur nachhaltigen Entwicklung unseres Planeten beiträgt. Jede:r kann also bestimmen, wo und wie sein/ihr Geld investiert wird. Die Erste Group bietet dafür eine ganze Reihe geeigneter Produkte und Möglichkeiten an. Wir sind nicht nur mit unseren Social Banking-Aktivitäten seit Jahren Vorreiterin, sondern auch beim nachhaltigen Investieren. Hier blicken wir bereits auf eine über 20-jährige Erfolgsgeschichte zurück. Unseren ersten derartigen Fonds haben wir 2001 auf den Markt gebracht, der seit 2006 gemeinsam mit dem WWF verwaltet wird. Dieser Fonds gehört zu den erfolgreichsten, die wir haben – nicht nur weil er überdurchschnittliche Erlöse bringt, sondern eben auch weil solche Fonds zu einer nachhaltigen Veränderung jener Unternehmen beitragen, in die investiert wird. Das ist eine fantastische Möglichkeit – ganz besonders in der derzeitigen Zinslandschaft, in der Ersparnisse fast keine Rendite abwerfen.

Viele Menschen haben aber noch nicht erkannt, dass Banken Vorkämpfer für Nachhaltigkeits- und Umweltanliegen sein können. Viele sehen es umgekehrt. Sehe ich das falsch – oder beschäftigt dich das auch?

Ja und nein. Aber stellen wir zunächst ein paar Dinge klar: Banken sind Institutionen, die auf der einen Seite Geld investieren und auf der anderen Seite das Vertrauen der Öffentlichkeit genießen, weil sie ja deren Gelder verwalten. Das heißt: Das Geld gehört nicht der Bank, sondern die Leute investieren Geld durch und über ihre Bank.
Daraus ergibt sich eines: Bewusstsein zu schaffen ist immens wichtig. Und dabei können Banken eine tragende Rolle spielen. Es ist wichtig, unseren Kund:innen eine breite Palette an nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten anzubieten. Die Erste AM, unser Asset Management Tochter, bietet etliche Fonds an, die ausdrücklich als „Impact Fonds“ bezeichnet werden. Im Vorjahr haben wir den „ERSTE GREEN INVEST“ gestartet und erst neulich einen „fairen“-Fonds – den ERSTE FAIR INVEST – gelauncht. Es gibt also sowohl zahlreiche Möglichkeiten als auch wichtige und „gute“ Anliegen, in die man investieren kann.
Dennoch darf man die Möglichkeiten der Banken nicht überschätzen. Die Veränderung muss von der gesamten Gesellschaft getragen werden – allen voran den öffentlichen Institutionen und jenen, die dafür den gesetzlichen Rahmen schaffen.

Wer soll sich da also als Erster bewegen: Institutionen? Firmen?  Regierungen? Oder die „Leute auf der Straße“? Wenn Du sagst, dass ihr auch saubere Investitionsmöglichkeiten anbietet, bedeutet das ja auch, dass man zwischen „clean & green“ und old-school Investitionen in nicht klimafreundliche und „fossileProjekte wählen kann.

Dieser Übergang kann nicht schlagartig passieren. Ja, wir müssen ihn beschleunigen so gut es geht, aber wir können und dürfen dabei nicht einen großen Teil der Gesellschaft zurücklassen. Es gibt immer noch einen Teil in der Bevölkerung, dem all das noch nicht bewusst ist oder der sich nicht darum kümmert. Dieser Teil wählt weiterhin „traditionelle“ Produkte. Produkte, die einfach zu verstehen sind und mit denen Kund:innen lange und anhaltend positive Erfahrungen haben. Wir sind bemüht, hier Informationen für ein Umdenken zu liefern und unseren Kund:innen nachhaltige Investitionen und Projekte schmackhaft zu machen. Und es ist schön zu sehen, dass das Interesse und die Nachfrage nach klimafreundlichen und sozialen Investments enorm wächst.

Was die Menschen gut verstehen, sind „best practice“-Beispiele: Ihr habt eine Photovoltaikanlage und sogar Bienenstöcke am Dach des Erste Campus. Ihr versucht, möglichst wenig Papier zu verwenden. Ist das nicht einfach Greenwashing?

Wir dürfen die Wichtigkeit grüner Produkte in einer grünen Transformation der Wirtschaft nicht kleinreden. Schau dir dieses Gebäude an – abgesehen von der PV-Anlage und den Bienenstöcken. Auch die Fensterrahmen hier sind aus Holz und das sind nur einige von vielen Details, die man sich überlegt hat, als der Erste Campus errichtet wurde. Wir wollten hier einen Ort schaffen, der nicht nur umweltfreundlich ist, sondern auch zeigt, dass wir Verantwortung für das Klima tragen. Wenn du zwischen den Gebäuden spazierst, findest du außerdem eine ganze Menge Elemente und Details, die die Biodiversität unterstützen. Wir zeigen nicht mit dem Finger drauf, aber sie sind da. Die PV-Anlage und Bienen sind somit nur zwei der offensichtlichen Maßnahmen, die wir an unserem Hauptstandort implementiert haben – da gibt es noch viel mehr.

Soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen ist aber nicht nur im Umfeld unserer Büros und Filialen ein zentrales Thema, wir unterstützen und kommunizieren diese Themen auch durch unsere Arbeit. Kurz gesagt: Wir nehmen diese Themen wirklich ernst.

Fällt das auf fruchtbaren Boden? Verändert sich das Verhalten der Leute?

Die Menschen sind hochinteressiert an Klima- und Umweltthemen. Das von unserer Seite zu thematisieren, ermutigt sie noch weiter. Wir sehen das sehr deutlich: Auch die kleinste Botschaft darüber, was wir in diesem Kontext tun oder planen, löst umgehend sehr starke Reaktionen aus, die meistens überwiegend positiv ausfallen. Trotzdem achten wir darauf, nicht zu übertreiben: Es ist wichtig, solide und seriöse Geschäftsmodelle, Angebote und Produkte zu entwickeln. Und obwohl wir eine enorme Nachfrage nach Umweltthemen sehen, setzten wir jeden Schritt sehr bedacht. Wir kündigen nicht groß an und schauen erst danach, was sich tatsächlich umsetzen lässt. Bei der Erste tun wir eine Menge im Voraus, um konkrete, funktionierende Angebot entwickeln zu können und erst wenn wir sehen, dass das passt, gehen wir damit an die Öffentlichkeit.

Glaubst Du, dass wir die Pariser Klimaziele erreichen können, oder ist der Zug nicht längst abgefahren?

Als ich unlängst den sechsten IPCC-Report gelesen habe, hat mich das hart getroffen: Wir sind am Weg zu einer 2,7-Grad Erwärmung und haben in den vergangenen Jahrzehnten kaum etwas dagegen getan. Vermutlich werden wir somit die Paris-Ziele erst 2100 erreichen.
Das bedeutet, dass es fünf Generationen dauern wird, jenen Punkt zu erreichen, an dem wird doch eigentlich 2050 sein hätten wollen. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass die nächsten drei Generationen durch Wetterextreme und Artensterben enormen Herausforderungen ausgesetzt sein werden. Die kommenden Generationen werden den Preis für das, was wir in der Vergangenheit getan oder eben nicht getan haben, bezahlen müssen. Das ist die Kernaussage all dieser Berichte.

Bist Du Optimist in Sachen Klimakrise?

Ich bin Optimist und das aus mehreren Gründen. Erstens, weil die Natur uns gar keine andere Wahl lässt. Egal, was wir tun – es hat einen Preis. Und dieser Preis steigt und steigt. Auch in milden, gemäßigten Zonen gab es heuer ganz extreme Wetterereignisse. Aber da wir all das nicht abschalten oder vermeiden können, wird das zu sehr rationalen Reaktionen führen. Es gibt schlicht und einfach keine Alternative dazu, als aktiv zu werden, um noch größeren Schaden zu verhindern. Und das eigene Verhalten zu ändern ist dabei sehr wesentlich.
Aber vor allem glaube ich an die Generationen, die nach uns kommen werden. Auch wenn es schwer ist, das Verhalten von denen, die jetzt da sind zu ändern: Schon unsere Kinder sehen sich ganz neuen Herausforderungen gegenüber und werden deshalb ganz neue Standards entwickeln müssen.

Ich würde dieses Gespräch gerne mit einer positiven Botschaft beenden. Du sagtest, dass dir die Windräder von Parndorf ein gutes Gefühl geben. Warum?

Würden sich Windräder nicht drehen, sondern gehen, würde ich sagen, dass sie uns den Weg zeigen. Dass sie uns vorwärtsführen – Schritt für Schritt. Wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen und diese Windräder sind ein sehr wichtiger, aber vor allem sehr ermutigender Schritt in eine grünere und bessere Zukunft für uns alle.

Erste Campus, Foto: Christian Wind

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