Junge Menschen werden komplett unterschätzt, werden nicht beachtet und werden in wichtige Lösungsprozesse überhaupt nicht mit eingebunden. Um Jugendliche mit Entscheidungsträger*innen wie Arnold Schwarzenegger in den Dialog zu bringen, hat Konstantin Bitsios die Initiative schülerInnen.gestalten.wandel. gegründet.

Herr Bitsios wie ist die Initiative schülerInnen.gestalten.wandel. entstanden?
Im Februar 2010 nahm ich an einer Konferenz in Wien teil, wo sich über 500 Menschen aus der ganzen Welt Lösungen zu Herausforderungen überlegten.

Welche Herausforderungen meinen Sie?
Herausforderungen, wie z.B. alternative Energien, alternative Finanzsysteme, Armut und soziale Gerechtigkeit, Integration, Flüchtlinge, nachhaltiges Wirtschaften, Umwelt- bzw. Klimaschutz, wirtschaftliches Wachstum und seine Folgen, etc.

Alles Themen die uns heute genauso beschäftigen, oder?
Genau!

Aber in welchem Zusammenhang stehen diese Themen mit Ihrer Initiative?
Während der Konferenz stellte ich fest, dass kein einziger Jugendlicher teilnahm, weder Schüler*innen noch Student*innen. Da fragte ich mich plötzlich, wie wir all die vielen Herausforderungen lösen möchten, wenn wir nicht diejenigen einladen die es betrifft.

Und was passierte danach?
Ich kam nach Hause und sagte meiner Frau, dass es doch nicht sein kann, dass wir im 21. Jahrhundert leben und dass wir immer noch die Jugendlichen komplett unterschätzen. Also begann ich einen Plan auszuarbeiten und ging gleich an das Anschreiben von potentiellen Teilnehmer*innen über.

Die TeilnehmerInnen sollten also künftig in die Schulen kommen und Vorträge halten?
Eben nicht! Bei schülerInnen.gestalten.wandel. stehen die Jugendlichen im Mittelpunkt und sie wählen auch die Dialogpartner*innen aus. Die Teilnehmer*innen halten keine Vorträge oder sprechen über ihre Erfahrung, sondern hören den Jugendlichen zu wie sie über verschiedene Themen denken.

Und das hat in Österreich geklappt?
Viele waren und sind heute immer noch skeptisch. Viele glauben nicht an die Jugendlichen, sondern denken, dass es sich um unfähige, faule Querulanten handelt. Teilweise habe ich unglaubliche Kommentare hören müssen. Trotzdem habe ich nicht aufgegeben.

Sind Sie Lehrer oder haben Sie Kinder? Warum sind Ihnen die Jugendlichen so wichtig?
Als Kind und Jugendlicher war ich schwerer Legastheniker mit großen Lese-, Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten. Ich konnte keine fünf Minuten konzentriert sitzen bleiben und hatte noch dazu Schwierigkeiten die Vortragenden zu verstehen. Die Direktorin der Volksschule hatte damals meinen Eltern gesagt, dass ich für die Schule zu dumm bin und dass sie in einem Jahr wieder kommen sollten.

Meine Eltern wollten und konnten das nicht glauben und meldeten mich in einer anderen Volksschule an. Die dritte Klasse Gymnasium gefiel mir damals so gut, dass ich sie wiederholte und während alle Schüler*innen im Mai bzw. im Juni die Matura auf Anhieb hinter sich brachten, gab es in der ganzen Schule nur einen Schüler, der eine Nachprüfung hatte. Dreimal dürfen Sie raten wer das war.

Somit haben Sie aufgrund Ihrer Schulerfahrungen ein Naheverhältnis zu den Jugendlichen?
Genau! Ich weiß ganz genau, was es bedeutet unterschätzt, nicht ernst genommen oder ausgelacht zu werden. Die jungen Talente haben großartige Ideen, wir müssen nur endlich beginnen sie ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören.

Wie ist es dann mit Ihrer Initiative weitergegangen?
Ich schrieb weiterhin viele Unternehmen an und im September 2010, mit Eigenkapital finanziert, startete die Initiative. Zu Beginn hatten sich drei Unternehmen angemeldet, dann waren es dreizehn und heute sind es über 200.

Und sind Sie Ihrem Prinzip treu geblieben, dass es keine Vorträge gibt?
Selbstverständlich. Bis heute nehmen all die vielen Entscheidungsträger*innen teil, weil sie keine Vorträge halten und sich auch nicht vorbereiten müssen und weil sie an den Lösungen der jungen Talente interessiert sind.

Wer kann an Ihrer Initiative teilnehmen?
An der Initiative können alle Schüler*innen, ab dem 14. Lebensjahr, aller Schultypen in allen Bundesländern teilnehmen. Gleichzeitig können alle Lehrer*innen mit ihren Klassen teilnehmen, unabhängig davon welches Unterrichtsfach sie unterrichten.

Also ist die Initiative nicht nur an Schüler*innen der Handelsschulen und Handelsakademien gerichtet?
Nein, keineswegs. Es sind Schüler*innen aller Schultypen eingeladen, somit auch jene der AHS, der Berufsschulen, der landwirtschaftlichen Schulen, der höheren technischen Schulen, etc.

Welche Angebote gibt es?
Schüler*innen einer teilnehmenden Klasse können auf der Website beliebig viele Personen frei wählen, die sie zu einem Dialog treffen möchten. Diese Dialoge finden auch per Videokonferenz statt. Die Jugendlichen bereiten sich vor und nehmen Fragen mit, die sie dem/der Teilnehmer*in stellen möchten. Zusätzlich gibt es jedes Schuljahr sogenannte exklusive Dialoge mit Politiker*innen, wie z.B.: mit Bundesminister*innen, mit Parteivorständen, etc. an denen gleichzeitig mehrere Klassen teilnehmen können. Auch hier wird der erforderliche Rahmen geboten, sodass die Jugendlichen offen über ihre Ideen, Wünsche oder Forderungen sprechen können.

Regelmäßig werden auch große Diskussionsrunden organisiert, wo vier bis fünf Teilnehmer*innen mit 80 bis 100 Schüler*innen über ganz unterschiedliche Themen diskutieren. Schließlich haben die jungen Talente an Projekten mit Unternehmen mitzuwirken und ihre Lösungen zu präsentieren. In den letzten Jahren gab es immer tolle und sehr kreative Präsentationen mit tollen Lösungen. Mir ist es sehr wichtig, dass auch Jugendliche an wichtigen Konferenzen oder Kongressen teilnehmen können. Daher, spreche ich mit zahlreichen Veranstaltungsorganisator*innen um Gratis-Tickets für Schüler*innen zu erhalten. So bekamen in der Vergangenheit junge Talente Eintrittskarten, die einen Einzelwert von 1000 € hatten. Seit diesem Schuljahr gibt es eine Besonderheit: Diejenigen Schüler*innen, die sich besonders engagieren, Fragen vorbereiten und auch das Online-Forum nutzen um interessante Kommentare zu schreiben, erhalten Preise. Diese sind z.B. A-Führerscheine, B-Führerscheine, Fahrräder, Hotelnächtigungen, etc. Obwohl Praktikumsplätze nicht in einem direkten Zusammenhang stehen, vermittle ich diese – damit talentierte Jugendliche ein Praktikum machen können.

Können Sie sich noch an eine Anekdote erinnern?
Die Schüler*innen haben auch die Möglichkeit, sich Personen für Dialoge zu wünschen, die noch nicht teilnehmen. Vor einigen Jahren wünschten sich Schüler*innen einer landwirtschaftlichen Schule ein Gespräch mit Arnold Schwarzenegger. Ich sagte, dass es aufgrund der geografischen Entfernung schwierig werden wird Herrn Schwarzenegger für einen Dialog nach Wien zu holen. Gleichzeitig versprach ich den Jugendlichen, dass ich Herrn Schwarzenegger zu einem Gespräch einladen würde, wenn er wieder einmal nach Wien kommt. Die Schüler*innen waren enttäuscht und nahmen mich nicht ernst. Ein paar Wochen später kam Herr Schwarzenegger nach Wien und wie versprochen nahm ich mit seinem Büro Kontakt auf und die Schüler*innen, die den Wunsch geäußert hatten, konnten mit ihm über Nachhaltigkeit und Klimaschutz sprechen.