Wer kennt sie nicht, die Moosgraffiti-Bilder in den Sozialen Netzwerken? Grün, üppig und doch urban. Schon mal eines in Wirklichkeit gesehen? Nein? Mir geht es genauso. In der realen Welt sind Moosgraffitis äußert selten. Woran liegt das, sind Moosgraffitis nur ein Mythos?

Ich habe Roland Dunzendorfer, Landschaftsplaner, Permakultur Designer und Moosgraffiti-Experte, dazu befragt.

Roland, ich habe im Netz Bilder von wunderschönen Moosgraffitis gesehen. Außerdem gibt es viele Anleitungen und Rezepte, die eine Mixtur aus Moos und Joghurt empfehlen. Ist es wirklich so einfach?

Die gute Nachricht zuerst: Moosgraffitis sind machbar! Allerdings haben die Anleitungen im Netz wenig bis gar nichts mit den Bildern von KünstlerInnen wie Anna Garforth zu tun. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass bei diesen coolen Bildern die Moosränder meist scharf geschnitten sind und auch eine Erdschicht zu erkennen ist. Moose bilden aber in so kurzer Zeit keine Erdschicht. Ein klarer Hinweis darauf, dass es sich nicht um eine gewachsene Struktur handeln kann.

Dann ist das alles nur Fake und Moosgraffitis ein Mythos?

Es ist tatsächlich so, dass die Joghurt-Anleitungen mit den falschen Bildern in Zusammenhang gebracht werden. Mittlerweile weiß ich, dass die Moose auf diesen perfekten Bildern präpariert sind. Es könnte sein, dass es totes Material ist, das nur noch perfekt aussieht. Die do-it-yourself Anleitungen haben damit überhaupt nichts zu tun. Auch ich habe so begonnen: Ich habe mit verschiedenen Mixturen experimentiert und bin irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass das so nicht funktioniert. Um ein Moosgraffiti herzustellen, muss man bestehendes Moos aufbringen. Alles andere bringt leider keinen Erfolg.

Wie kann man sich das vorstellen? Klebst du Moos an die Wand?

Streng genommen ist es so. Ich ernte Moos zum Teil aus meinem eigenen Wald und bringe es mit einem natürlichen Klebematerial auf den Untergrund auf. Im Idealfall an einer Stelle, die schattig ist und eine hohe Luftfeuchtigkeit aufweist. Ich habe allerdings schon Graffitis hergestellt, die den ganzen Tag in der prallen Sonne waren. Hier ist die Pflege aufwändiger. Die Nachbetreuung ist überhaupt ein sehr wichtiger Teil. Meine Moosgraffitis sind lebendige Organismen. Das heißt, mit der richtigen Pflege wachsen sie und verändern sich auch. Ein gut gepflegtes Moosgraffiti kann viele Jahre alt werden.

Wenn ich das Moosgraffiti gießen muss, schadet das nicht der Wand?

Moosgraffitis werden nicht gegossen! Aber da sie eine gewisse Feuchte aus der Luft benötigen, muss man sie mit einem Bestäuber befeuchten. Das schadet der Mauer in keinster Weise. Eine Mauer ist schließlich sowieso der Witterung ausgesetzt. Ich setzte die Moosgraffitis so um, dass man sie jederzeit wieder entfernen und kompostieren kann. Mit Moosgraffitis habe ich fast ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. Meistens wünschen sich Firmen einen Schriftzug oder ihr Logo, als umweltfreundliche Alternative zu anderen Werbeträgern. Aber ich habe auch schon Projekte mit Kindern umgesetzt. Da Moosgraffitis einen hohen Sympathiewert haben, werden sie nicht zerstört und sind generell sehr langlebig.

Tragen Moosgraffitis zum Mikroklima bei?

Im geringen Umfang sicher. Es kommt natürlich auf die Größe an. Moose sind dafür bekannt, dass sie extrem gut die Luft reinigen. Man kann Moosgraffitis auch im Innenraum umsetzen. Ich habe seit Jahren ein Moosgraffiti im Badezimmer. Dort muss ich es nicht einmal pflegen. Die Luftfeuchtigkeit reicht völlig aus. Aber auch großflächige Einsatzmöglichkeiten sind denkbar, ähnlich vertikaler Begrünungen, die ja momentan sehr im Trend sind. Ich denke zur Zeit über eine größeres Projekt nach, ähnlich einer vollflächigen Begrünung. In diesem Bereich sind noch einige Entdeckungen zu machen und soviel ist sicher – Moose gehören sicher zu den am meisten unterschätzten Pflanzen!

Roland Dunzendorfer ist ausgebildeter Landschaftsplaner. Nach langjährigen Aufenthalten im Ausland hat er in Wien unter anderem den gemeinschaftlichen Coworking und Colearning Space Markhof mit aufgebaut. Neben seiner Tätigkeit im landscaping Bereich ist er in der Erwachsenenbildung tätig.