Will man im Deutschen große Worte schaffen, so kommt man an den Doppelwörtern nicht vorbei. Der Bewusstseinswandel ist in Zeiten der Klimakrise eines der größeren Kaliber, derer man sich sprachlich bemächtigen kann. Wenn man nur wüsste, was das zu bedeuten hat.

Bei solchen Pathosformeln ergibt sich fast immer ganz natürlich der Verdacht, dass der Verwender sich der Schlichtheit der von ihm angedachten Mitteilung dadurch zu entziehen versucht, dass er sie in eben solche einkleidet. Die Geschichte des Bewusstsein, jedes Bewusstseins verläuft zwischen Polaritäten, nicht einer und auch nicht zwei und jedenfalls keiner, die bloß ästhetischer Natur wären. Die Gegenwart trägt dieser Begebenheit dadurch Rechnung, dass trotz des Aneinanderrückens einer ständig entgrenzteren Welt, die Polaritäten nicht verschwinden, sondern die Gräben tiefer werden. Was der Bewusstseinswandel zu sein hat, es wird ihm jedenfalls zukommen, diese Gräben zuzuschütten, wenn es auch nicht so sein mag, dass er sie zu nivellieren vermag. Aber wo verlaufen diese Gräben? Ist es zu viel verlangt, aus Protest eine Straße zu blockieren, liegen zu bleiben, sich anzukleben?

Bedeutungslos

Wer aber – und das geschieht zweifelsohne häufig genug – bloß den Bewusstseinswandel vorschiebt, ohne darauf einen substantiellen Wandel des eigenen Verhaltens und Umgangs folgen zu lassen, der stellt bloß eine Pathosformel in den Raum. Mag diese nun der besseren Eigenwahrnehmung und der Beruhigung des eigenen Gewissens dienen oder auch nicht. Was hier durchaus im Individuellen geschieht, ist mitunter auch ein Muster, um Veränderung ganz bewusst zu blockieren und zu beschwichtigen.

Wir sagen, wir müssen uns ändern, was so natürlich stimmt, sagen aber viel zu selten, dass 100 Unternehmen für etwas mehr als 70% des industriell ausgestoßenen Co2 verantwortlich sind.

Leo Zirwes

Wir sagen auch nicht, dass jene Interessengruppen, die ein vitales Interesse am Fortbestehen der Nutzung fossiler Energieträger haben, zunehmend die Lösung dieser Probleme in Hochrisikotechnologien sehen. Solange sich hier nichts ändert, bleibt der Bewusstsseinwandel bewusstlos, dient nur zur “Rechtfertigung” des eigenen Handelns.

Der Aktivismus

Wie die Werte einer Gesellschaft beschaffen sind, hängt unweigerlich von der materiellen, will sagen, wirtschaftlichen Situation ab. So schön man Leopold Kohrs “small is beautiful” finden mag – und das tue ich – oder so sehr man meinen mag, die Welt, jeder Staat bräuchte, mit Michael Serres gesprochen, zusätzlich zum contrat social einen Naturvertrag, der den Menschen ein gezügeltes Leben in der Mitwelt ermöglichen soll. In Zeiten, in denen die bread and butter themes, das mediale Um und Auf sind und auf lange Zeit bleiben werden, da wird Aktivismus, der sich dies auf die Fahnen schreibt, nicht wirken.

Das bedeutet, dass der Klimaaktivismus, der in den vergangenen Jahren gut funktioniert hat, im kommenden Winter ganz massiv wird umdenken müssen.

Leo Zirwes

Das bedarf neuer Narrative, aber auch einer neuen Herangehensweise. Das heißt nicht, dass die Narrative inhaltlich falsch wären, sondern nur, dass sie nicht mehr in das gesellschaftliche Klima passen. Das Bild vom “Raub der Zukunft” passt nicht in eine Zeit, in der große Gruppen objektiv begründete Furcht um die Finanzierbarkeit ihres Lebens haben und sich vor einem sozioökonomischen Abstieg sorgen. Erst Recht, da auf der Seite jener, die die Klimakrise gern verharmlosen, jenes Motiv sehr gern bespielt wird, dass die Klimakrise, bloß eine wirtschaftliche Schwächung gegenüber China, wahlweise den USA bedeute und Österreich ja, als kleines sowieso gar nichts tun könne.

Polarisiert

Das Auseinanderdriften der Lebensrealitäten ist kein neues Phänomen, aber doch macht es Klimaaktivismus im allgemeinen schwerer, weil es schwerer wird passende Bilder für die Kommunikation der vertretenen Anliegen zu finden. Es macht aber auch das Dasein all jener schwieriger, die selbst Aktivismus betreiben. Denn mehr Menschen reagieren gereizt, teils aggressiv, auf Probleme, die sich nicht jetzt, nicht zeitlich unmittelbar niederschlagen. Auf der anderen Seite, verändert sich auch der Aktivismus. Vielleicht nicht in Österreich, aber doch in vielen anderen Ländern Europas. Er wird unbequemer, vielleicht invasiver. Ob ein Gegenüber dadurch besser erreicht wird? I doubt it. Im Zweifel führt das nur zu einem immer weiter angeheizten Klima, einer Lage, in der die gesellschaftlichen Akteure sich nur immer weiter in ihrer Lage verbeißen.

Kaum ein Mensch, ganz gleich welcher politischer Couleur, würde offen von sich behaupten er wünsche sich nicht das gute Leben. Nur scheint dieser Begriff zumeist eben so offen, gegebenenfalls leer, wie auch der erstgenannte Begriff des Bewusstseinswandels. So wird auch kaum jemand die gegenwärtig massiven Gewinne jener Unternehmen, deren Geschäftsfeld die fossilen Energieträger sind, gutheißen wollen. Gerade auch und weil diese Gewinne maßgeblicher Treiber vieler Ängste sind und das Leben keinesfalls besser machen. Diesen Umstand in den größeren Rahmen der Klimakrise einzufügen, könnte ein funktionales Motiv darstellen.

Bewusst ist man nicht, man wird es

Neue Motive für Klimabewegungen könnten es durchaus sein, einen Fokus darauf zu setzen, dass diese Folgen unserer fossilen Energiegewinnung keinesfalls auswegslos sind, dass sie vielmehr Folgen einer verfehlten Abkoppelung von diesen Energieträgern sind. Hätte man staatlicherseits früher Maßnahmen gesetzt, gäbe es nun weniger Sorgen darum, wie sich die winterliche Energieversorgung sichern ließe. Fraglos kann man an dieser Stelle auch einen Fokus auf einhergehende geopolitische Abhängigkeiten legen.

Andererseits wird es hier auch ein Umdenken innerhalb der Aktionsformen geben (müssen). Die Wiederholung immer gleichgearteter Protestformen sorgt dafür, dass diese an medialem wie auch an politischem Gewicht verlieren. Eine Ausnahme sind hier Großdemos, aber abseits dessen braucht es immer wieder Neuerungen um nicht einem Bedeutungsverlust anheimzufallen. Wo sich anfänglich beim Schulstreik ein gewisser Schock, vielleicht die Frage “Ja, derfen’s des überhaupt?” aufkam, da ist heute viel mehr Neutralität, gewissermaßen fehlt der Skandalfaktor. Die Kunst ist es jetzt, Aktionsformen zu wählen die a) neu, will sagen eine Aha-Reaktion hervorrufen und die b) anschlussfähig sind. Hier wird sich in den kommenden 6 Monaten meines Erachtens Veränderung zeigen.