Um das Problemlösen zu beschreiben, beginne ich nicht mit dem “Hier”, sondern mit dem Drüben, nicht mit dem “Nahen”, sondern mit dem Fernen. Wenn es um das Klima geht, wenn es darum geht, Umweltschutz zu betreiben, dann ist einiges anders, als bei gewohnten Aufgaben.

Denn der Erfinder der Globalisierung ist nicht der Mensch, sondern die Natur, nichts ist vernetzter, nichts besteht aus dichteren Netzen, als unser über den Planeten ausgebreitetes Ökosystem. Um die Dynamiken, die wir unbeabsichtigt auslösen verstehen zu können, muss man das im Hinterkopf behalten.

Von Handel und Handelsketten

Was wir hier bestellen wird woanders gefertigt und die Rohstoffe werden wieder an einem anderen Ort gewonnen. So sehen viele – natürlich aber nicht alle – Produktionsketten heute aus. Dazwischen und am Ende zu uns muss das Ganze dann natürlich noch transportiert werden.
Wir können uns dem Umstand nicht länger verschließen, dass wir nicht nur Verantwortung dafür tragen, was vor unserer Haustür passiert, sondern auch dafür, was irgendwo anders, über unser Konsumieren von Gütern angeregt, passiert.

Wenn es um Handelsketten geht, geht es immer auch um den Handel: aber ist Handel jetzt schlecht, oder gut fürs Klima? Die Frage hat Pascal Lamy mir letzte Woche beantwortet, also so eindeutig, wie man das eben machen kann.
Denn es geht immer darum, wie man das anstellt, wie man das angeht. Es muss eben Regeln geben, an die sich alle, die handeln, auch halten.
Wie das aussehen kann und welche Muster sich dabei ergeben zeigt uns die Geschichte. Anwendungsbereiche, in denen diese Lösungsansätze jetzt gebraucht werden würden, bestehen aber auch. Und da gibt es einige Beispiele – gute wie schlechte. Wobei es von zweiteren wesentlich mehr gibt. Und dann gibt es natürlich auch die ganz aktuellen, wie den Amazonas, oder besser seine Rodung.

Der Amazonas brennt

Dieser für das Weltklima so wichtige Regenwald, die grüne Lunge der Welt, ist gerade dabei ihre letzten tiefen Atemzüge zu nehmen – zumindest sieht es so aus, wenn wir nicht sehr bald etwas zu seinem Schutz tun.
Jetzt schon vor der eigentlichen brasilianischen Waldbrandsaison, brennt der Amazonas-Regenwald so stark, wie schon lange nicht mehr. Zeitgleich wird er gerade massiv gerodet, denn die lokalen Wirtschaftstreibenden erwarten in Annahme eines baldigen EU-Mercosur-Abkommens stattliche Exportmärkte.
Das Mercosur-Abkommen, dass gerade verhandelt wird, soll für mehr Export von Waren führen, welche zu einem Großteil aus dem Amazonasgebiet kommen. Im Gegenzug dazu möchte die EU Autos in diesem Markt absetzen.

Dadurch, dass wir als Bürger*innen der EU die Abnehmer dieser Waren sind, liegt die Verantwortung des eigenen Konsums als auch der politischen Entscheidung letzten Endes bei uns.
Es kommt also darauf an, mit kleinen Schritten, jeder für sich und alle zusammen anzusetzen. Und das beginnt schon im Supermarkt, denn hier landen die meisten Produkte, die auf dem gerodeten Amazonasbecken produziert werden. Genauer: in der Fleischtheke.

Diese Entwicklung ist deswegen so bedrohlich, weil der Amazonas-Regenwald nur deswegen ein so artenreiches Ökosystem ist, weil er so flächengroß ist. Denn dadurch hat er die Möglichkeit sich selbst zu bewässern. Über den Tag Hinweg verdampft in dieser Region so viel Wasser, dass es abends wieder regnet – und das immer. Fällt dieser Regen aus, vertrocknet der Wald mangels Bewässerung allmählich.
Der Haken bei der Sache ist nun der, dass dieses Prinzip nur so lange funktioniert, solange noch genug Regenwald da ist, sonst heißt es para nada. Dieser Abholzungsgrad liegt bei etwa 20 %, abgeholzt haben wir bis heute knapp 16 %.

Wie Lösungen aussehen können

Natürlich gibt es auch das Gegenteil, den Fall, dass ökologische Probleme gelöst werden. Nur eben verhältnismäßig selten. Was dieser Lösungen aber zeigen ist, dass sie immer nur dann Zustandekommen, wenn nicht einer sie antreibt, hinter ihnen steht, sondern viele.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Verbot von FCKW-Gasen, das 2000 in Kraft getreten ist. FCKW-Gase wurden bis dahin als Treibgase und Kältemittel eingesetzt. Soweit so gut, nur hatten sie eben auch die nicht ganz unerhebliche Eigenschaft die Ozonschicht stark zu schädigen. Also einigte man sich nach – sage und schreibe – einem Vierteljahrhundert – der Warnungen und Verhandlungen auf ihren (fast) vollständigen Verbot.

Von Baustellen und Spielregeln

Heute gibt es im Handel mehr als genug Baustellen, an denen man ansetzen müsste, um die “Tipping Points”, also die Kipppunkte, die unser globales Ökosystem hat nicht zu erreichen. Was dann passiert ist im Großen wie im Kleinen gleich. Ganz gleich, ob es um den Teich um die Ecke, den nächsten Wald, oder etwas so großes wie den Atlantik geht. Ein gekipptes Ökosystem ist ein Ökosystem ohne Leben. Also kein sonderlich wünschenswertes Szenario.
Das Gegenmittel dafür ist ja bekannt, und um zu sehen, dass es wirkt, müssen wir nur einen kurzen Blick in den Rückspiegel der Zeit werfen und uns unsere bisherigen Errungenschaften ansehen.
Denn das Spiel ändert sich am schnellsten, wenn man das Spielfeld verändert und nicht als einzelner Spieler seine Taktik.

Vom Morgen

Die Aussichten auf multilaterale Lösungsansätze sehen heute nicht unbedingt gut aus. Das Mercosur-Abkommen kann aufgehalten werden und das vor allem durch den österreichischen Widerstand gegen dieses Abkommen.
Was das Ausverhandeln neuer Regelungen zum Schutz von Ökosystemen angeht, wird man sehen müssen, was die Zukunft bringt. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Verhandlungen während des Winters (unter Umständen auch danach) und den wahrscheinlich höheren Corona-bedingten innenpolitische Schwierigkeiten in Österreich und im Binnenraum Europa erst einmal auf die lange Bank geschoben werden.