Das Eis wird immer dünner. Nirgends sind die Folgen des Klimawandels für uns deutlicher zu sehen als in den Bergen, oder genauer, an den schwindenden Gletschern. Aber was passiert eigentlich, wenn die Gletscher schmelzen?

Die letzte Eiszeit

In vorindustrieller Zeit hielt sich jeder, der konnte, von Gletschern fern. Zu gefährlich war das Betreten der Eismassen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Gletscher zur Touristenattraktion, jedenfalls für all jene, die das nötige Kleingeld dafür hatten. Was uns heute aus dem letzten Ski- oder Wanderurlaub in Erinnerung ist, ist ein Überbleibsel aus der letzten Eiszeit, die vor mehr als 100.000 Jahren begann.

An den Bergspitzen rund um den Globus häufte sich Jahr um Jahr mehr Schnee als schmelzen konnte. Das ist unbedingt notwendig, damit sich Gletscher bilden konnten. Grundsätzlich bestehen Gletscher aus drei Schichten. Zu oberst liegt – nona – der Schnee. Darunter liegt der Firn und zu unterst das Eis. Tagsüber lassen die Sonnenstrahlen den Schnee leicht schmelzen. Nachts gefriert dieser wieder. Durch den wiederkehrenden Wechsel des Schmelzens und Einfrierens bilden sich aus dem Schnee kleine Eiskörner. Das ist der Firn. Fällt viel Schnee, liegt eine schwere Schneeschicht auf dem Firn, die diesen zusammendrückt. Durch den Druck entsteht das bläulich schimmernde Gletschereis.

Als vor 10.000 Jahren die letzte Eiszeit endete, waren die Alpen unter einem teils kilometerdicken Panzer aus Eis verborgen. Sie sind durch eine Ansammlung von Alt-Schnee entstanden und halten sich bis heute.

Das Fieberthermometer

Seit dem Beginn der Industrialisierung verloren die Gletscher knapp die Hälfte ihrer Masse. Seit den 1990er Jahren hat sich die Geschwindigkeit des Gletscherschwundes dramatisch erhöht. Um das auf die nächsten Jahre umlegen zu können, muss man bedenken, dass das heutige Schmelzen durch die Treibhausgase von vor 30 Jahren verursacht wurde.

Für die Klimaforschung sind Gletscher von besonderem Wert. Im Gletschereis finden sich Informationen über das Klima der Vergangenheit.

Bohrt man Eisschilde oder Gletscher an, erhält man einen Eisbohrkern. Ähnlich wie ein Baum Jahresringe aufweist, weist ein Eisbohrkern Jahresschichten auf.

Bei der Analyse der einzelnen Jahresschichten schließen Wissenschaftler durch die Dicke der Schicht auf die Niederschlagsmenge des Jahres. Zum anderen enthält das Eis winzige Luftblasen. Aus ihrem Inhalt wird auf die Konzentration von Treibhausgasen wie CO2 und Methan geschlossen.

Aber auch auf Umwelteinflüsse kann durch die Einschlüsse der Eisbohrkerne Aufschluss erlangt werden. Der Staubgehalt im Eis kann beispielsweise Hinweise darauf geben, wie Vulkanausbrüche Klimaveränderungen angestoßen haben. Daneben finden sich im Eis auch Spuren frühester menschlicher Entwicklung. In Grönland finden sich in den Eisschichten ab dem Jahr 1000 v. Chr. Ablagerungen von Schwermetallen, allen voran Blei, die bei der Silbergewinnung in die Umwelt gelangten. Durch Luftströmungen fanden sie ihren Weg bis in den hohen Norden und wurden schließlich im Eis eingeschlossen.

Die Umwelt verändert sich

Tiere, die sich an die Umwelt in Gletscherregionen angepasst haben, verlieren durch das Abschmelzen der Eismassen ihren Lebensraum. Ein Großteil der Säugetiere in den Polarregionen jagt an den Rändern der Eisflächen, auf denen sie leben. Schmilzt das Eis, sind die Tiere in ihrem Bewegungsradius stark eingeschränkt. Das wirkt sich auf ihr Jagdverhalten aus. So kommt es immer öfter zu Sichtungen von ausgemergelten Eisbären in Siedlungen.

Gleichzeitig sorgen die schmelzenden Eismassen und tauenden Permafrostböden dafür, dass sich in diesen Gebieten immer mehr anpassungsfähige Arten ansiedeln. Die angestammten und auf das Leben im Eis spezialisierten Arten können mit diesen neuen Tieren nicht mithalten. Es kommt dadurch zu einer weiteren Verknappung der ohnehin schon raren Nahrung.

Die sich verändernden Umweltbedingungen haben aber auch Auswirkungen auf die Flora dieser Regionen. Durch den Stressfaktor werden sie anfälliger für Insekten. Larven vieler Insektenarten überstehen aber gerade durch das wärmere Klima den Winter in größerer Zahl. Das bringt das biologische Gleichgewicht ins Wanken. Infolgedessen treten in den borealen Wäldern immer häufiger Insektenplagen auf. Dieselbe Entwicklung sehen wir hier in ähnlicher Form. Heimische Wälder haben immer öfter Probleme mit Borkenkäferplagen.

Uns geht das Wasser aus

Drei Viertel aller weltweiten Süßwasserreserven sind in Gletschereis gebunden. Die immer schneller schmelzenden Gletscher lassen die Gletscherseen überall auf der Welt schneller volllaufen. Ab einem gewissen Wasserstand bersten die Seen aber und lassen die Wassermassen talwärts frei. Die unmittelbare Folge sind Erdrutsche und Überschwemmungen. Täler und Dörfer werden überschwemmt und teils gänzlich zerstört. Deutlich zeigt sich das an den Ausläufern des Himalayas in Indien, Nepal und Bhutan. Dort sind bereits mehr als 2000 einzelne Gletscher vollständig abgeschmolzen. Weil infolgedessen Überschwemmungen und Erdrutsche drohen, müssen regelmäßig Tausende Einwohner evakuiert werden.

Was uns aber vor allem zukünftig noch mehr Sorgen bereiten wird, ist der Wassermangel. Denn mit den schmelzenden Gletschern geht auch das in ihnen gebundene Wasser verloren. Langfristig führt das dazu, dass viele Flüsse, vor allem in Gebirgsregionen austrocknen. Genau diese sind aber für die Wasserversorgung vieler Länder unerlässlich. Tritt eine solche Entwicklung ein, drohen Dürrekatastrophen. Schon heute leiden zwei Drittel der Menschheit mindestens einen Monat im Jahr unter schwerer Wasserknappheit. Auch in immer mehr Metropolregionen der Welt kommt es vermehrt zur Wasserknappheit.

Bis 2050 werden 50 Prozent des heutigen Gletschereises in den Alpen verschwinden. Global betrachtet, sieht es nicht besser aus, wenn es auch zu regionalen Unterschieden kommt. Dieser Prozess ist nicht mehr zu stoppen.

Was aber nach derzeitigem Forschungsstand noch zu schaffen ist, ist es in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Drittel der heute vorhandenen Gletscher zu retten. Wollen wir die Gletscher retten, dann müssen wir alle zusammenarbeiten und schnell viele CO2-Emissionen einsparen. Daran führt kein Weg vorbei.

Es gibt zwar vereinzelte Versuche auf künstlichem Wege dem Gletscherschwund Einhalt zu gebieten, diese sind aber von eher mäßigem Erfolg gekrönt. So versuchte man beispielsweise in der Schweiz mit Schneekanonen den fehlenden Niederschlag zu ersetzen und die Sonneneinwirkung an den Gletscherzungen mittels spezieller Folien zu minimieren. Abgesehen von dem bedingten Nutzen, sind diese Maßnahmen nur kosmetische Eingriffe. Das Problem wird weder an seinem Ursprung bekämpft, noch sind diese Ansätze großflächig anwendbar.