oekostrom AG am Campus:
System vs. Individuum - Klimaschutz braucht gesellschaftlichen Druck
Wien, 23. März 2023: Besucher:innenrekord bei oekostrom AG am Campus in der TU Wien: Am Donnerstag, 23. März, fand die vierte gesellschaftspolitische Podiumsdiskussion der oekostrom AG statt. Am Podium diskutierten Gabriele Faber-Wiener, Martha Krumpeck und Reinhard Steurer mit Philosoph Philipp Blom über die Verantwortung in der Klimakrise. Zum Abschluss der Podiumsdiskussion riefen die Expert:innen die über 200 Teilnehmer:innen auf, sich aktivistisch zu engagieren und Klimaschutz einzufordern, um die Politik und Unternehmen zum Handeln zu bringen.
„Wir freuen uns besonders über den heutigen Besucher:innen-Rekord. Dies beweist uns, dass wir Menschen aus der Community erreichen und über aktuelle Themen mit Expert:innen und Aktivist:innen sprechen, aber auch vor allem der jungen Generation eine Plattform bieten“, so oekostrom AG-Vorständin Hildegard Aichberger in ihrer Begrüßung zu den über 200 Teilnehmer:innen im Saal und per Livestream. Der aktuelle Bericht des Weltklimarats zeige deutlich, dass wir keine Zeit mehr haben, ergänzte Aichberger.
Zu Beginn der Diskussion gab Philosoph Philipp Blom den Denkanstoß, dass Menschen sich scheinbar auf die falschen Dinge konzentrieren. Blom erklärte weiter, dass es wichtig sei, die Aufmerksamkeit auf Hebel zu lenken, die effektive Veränderung bringen, anstatt nur individuell zu denken, denn so würde die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf symbolische Maßnahmen gelenkt, um die Strukturen nicht anzutasten.
Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur Wien, widersprach dieser These.: „Wir dürfen die Dinge nicht gegeneinander ausspielen“, weil wir mittlerweile alles brauchen, und zwar überall und schnell, so Steurer. Er warnte auch vor falschen Dichotomien, also vor gezielt kreierten Gegensätzen wie System vs. Individuum, die in Wirklichkeit gar keine Gegensätze sind. Das zeige die falsche Dichotomie von Innovation vs. Verbote am deutlichsten: „Viele Innovationen werden erst durch Verbote ermöglicht oder zumindest beschleunigt. Bei System vs. Individuum gilt: Jedes von Menschen gemachte System kann nur von Individuen umgestaltet werden. Also ist jede:r Einzelne von uns jetzt gefordert und zwar in einer aktivistischen Art und Weise“, so der Politikwissenschafter weiter. Auch Martha Krumpeck, Aktivistin und Mitbegründerin der „Letzten Generation”, betonte: „Die Wissenschaft wurde viel zu lange ignoriert.“
„Man kann nicht nicht nachhaltig sein“
Die Verantwortung liege bei der Gesellschaft, sagte Gabriele Faber-Wiener, Expertin für Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit in Unternehmen. „Jede:r ist dafür verantwortlich, was er oder sie auslöst“. Die Klimakrise werde noch nicht als Krise behandelt. Auch Steurer stimmte dieser Aussage zu und sah das Problem darin, dass die Krise überhaupt nie als moralische Frage behandelt worden ist. Dabei sei die Moral eine potentiell starke Motivation, etwas gegen den Klimanotstand zu tun. Dies habe damit zu tun, dass die schlimmsten Auswirkungen erst stark zeitverzögert auftreten werden und v.a. unsere Kinder und Enkelkinder treffen wird, für die wir eigentlich alle das Beste wollen.
Druck von der Gesellschaft
Gabriele Faber-Wiener ist sich sicher, dass es jetzt den Druck der Gesellschaft benötige, denn ohne ihn würden Politiker:innen nicht aktiv werden. „Aber keinesfalls ist es die Aufgabe der Zivilgesellschaft die Klimakrise zu bewältigen. Vielmehr benötigen wir eine Verantwortungsübernahme auf allen Ebenen“, so Faber-Wiener. Reinhard Steurer sieht die Verantwortung noch stärker bei der Gesellschaft. Nach 30 Jahren sei es weder ein Markt- noch Staatsversagen, so der Politikwissenschaftler. Man könne nun von einem Gesellschaftsversagen sprechen. „Der einzige Weg aus diesem Versagen ist Aktivismus, der dieser Gesellschaft den Spiegel vorhält.“ Auch Krumpeck war der Meinung, dass persönlicher Einsatz notwendig sei und man sich in den Weg stellen müsse.
Es braucht den ökologischen Handabdruck
Steurer gab den vielen Besucher:innen mit, dass der Fokus nicht zu sehr auf persönlichen Emissionen, also dem ökologischen Fußabdruck liegen dürfe, sondern dass der ökologische Handabdruck stärker in den Fokus rücken müsse. „Entweder wir korrigieren das Gesellschaftsversagen indem eine Mehrheit bessere Klimapolitik wählt und Scheinklimaschutz abwählt, oder es wird nicht reichen. So könnten wir eine bessere Klimapolitik am wirksamsten vorantreiben. Bislang ist leider meist das Gegenteil der Fall. Als Gesellschaft belohnen wir Scheinklimaschutz. Daraus folgt, dass die Emissionen nicht schnell genug sinken. Das zu ändern sei eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen überhaupt.
Bevor die beiden Mitglieder des Vereins PolEdu Fragen an das Podium stellten, teilten Sophie Kaitlin Drescher und Marlene Forgber aus der Sicht der Gen Z ihre Gedanken zur Verantwortung der Klimakrise mit dem vollen Saal. Drescher, Schülerin, sieht die Zukunft noch positiv und die Chance in Innovationen. Forgber war hingegen eher der Meinung, dass die Politik aktuell nur an sich selbst und nicht an echtem Klimaschutz interessiert sei.
Am Ende der Podiumsdiskussion appellierten die Expert:innen vor allem an die jungen Teilnehmer:innen und Zuseher:innen, riefen sie zum Handeln auf und motivierten zu neuem Mut, Impulse für Veränderungen zu liefern.
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