Nach Jahrzehnten des Aufschubs wurde in Tschechien nun ein Gesetz zur Einbindung der Gemeinden bei der Atommüll-Endlagersuche von der Regierung beschlossen.

Am 11.1. 2023 wurde die seit Jahrzehnten verschobene Gesetzesvorlage von der Regierung angenommen. Unter dem Druck der EU-Taxonomieverordnung soll nun ein Endlager nicht 2065, sondern bereits 2050 eröffnet werden. Dazu muss beschleunigt die Standortauswahl durchgeführt und der Widerstand der Gemeinden zumindest besänftigt werden.

Aus Sicht des zuständigen Ministeriums für Industrie und Handel (MPO) handelt es sich um einen großen Sprung, der auch den jahrelangen Forderungen der betroffenen Gemeinden und der Plattform gegen das Endlager entgegenkäme. Der zuständige Sektionschef Ehler (MPO) spricht von der Einführung spezieller Schritte für die Gemeinden bei der anstehenden Standortsuche, die über den aktuellen Rahmen hinausgehen. Eingeführt wird eine Beteiligung bei der Festlegung der geologischen Explorationszonen, in denen schon nach dem konkreten Gesteinsmassiv gesucht wird und die Tiefenbohrungen bis 1200 m stattfinden werden.

Bisher waren die Gemeinden auf deren Katastergebiet die Zone lag, keine Parteien in Verwaltungsverfahren. Bei allen Verfahren sollen die Gemeinden nun ihre Stellungnahmen mit ihren Interessen abgeben können, auch bei der Auswahl des finalen Standorts durch die Regierung. Diese Stellungnahme wird auch bei der Genehmigung nach dem Atomgesetz als Unterlage gelten. Laut dem zuständigen Minister Sikela wird die Entscheidung durch die beiden Parlamentskammern bestätigt werden müssen. Bevor der Gesetzesvorschlag in Kraft tritt, muss er natürlich in Begutachtung und ins Parlament, wo eventuell die Abgeordneten noch Änderungswünsche einbringen werden.

Bald sollen die Gemeinden auch (wieder) in Arbeitsgruppen eingebunden werden, damit sie die Bürger:innen informieren können, wozu sie gesetzlich verpflichtet sind (Atomgesetz § 108, Abs. 4). Dabei wird es sich etwa um die Gestaltung der Oberflächengebäude des Endlagers handeln, wo sich die Bewohner:innen einbringen dürfen. Ebenso als Fortschritt für die Gemeinden angeführt wurde eine mögliche Fristverlängerung bei der Festlegung der Zonen für die Exploration bzw. die Schutzzonen beim Umweltministerium.

oekostrom AG: An einem Feldweg stehen zahlreiche gelbe Fässer mit radioaktiven Symbolen verstreut auf den Feldern unter einem bewölkten Himmel.

Dieser Gesetzesvorschlag wurde vom MPO-Vertreter auch als Ersatz für das vom Verwaltungsgericht für unzulässig erklärte Veto bezeichnet. Unter Anreize fallen nur die Gebühren, die den Gemeinden für die jeweiligen Zonen per Gesetz zukommen werden. Bereits im Frühjahr werden von der Atommüllbehörde SURAO die Explorationszonen beantragt werden. Die Zeit drängt, da aufwändige Tiefenbohrungen durchgeführt und ausgewertet werden müssen, um die nun auf 2028 vorverlegte Entscheidung treffen zu können.

Die Gemeinden verlangen weiterhin, angehört zu werden und ihre Forderungen im neuen Gesetz wiederzufinden. Sie betonen ihre Verhandlungsbereitschaft und ihr Verständnis dafür, dass der Staat den hochradioaktiven Abfall bzw. abgebrannte Brennstäbe irgendwo lagern müsse.

Jedoch auf einen auch weiterhin bestehenden gravierenden Schwachpunkt des Suchverfahrens verweist die Forderung der Gemeinden und der Plattform: Sie verlangen die Definition und Aufnahme von Auswahlkriterien. Diese gibt es nicht, daher könnte die Entscheidung auf der Basis der bisherigen Praxis getroffen werden: Erst wenn die Zahlen aus den Untersuchungen da sind, wird eine Methode ausgearbeitet, die dann den besten Standort aussucht, statt Mindestkriterien im Vorhinein zu definieren. Dadurch ist ein Scheitern gar nicht möglich.

Seit 2011 befassen sich die Gemeinden bzw. die Plattform damit. Sie haben es auch beim Minister im Gespräch angemeldet und nichts davon fand Eingang in die Gesetzesvorlage, die nun in die Begutachtung kam. Wenig überraschend sind die Gemeinden mit dem Vorschlag nicht zufrieden und verweisen darauf, dass verlängerte Fristen oder die mündlichen Verhandlungen zu den einzelnen Verfahrensschritten für die Gemeinden nicht ausreichen. Als Garantie für die objektive Auswertung der Daten und Analysen soll ein Expertenpanel von SURAO bereits Mitte des Jahres eingerichtet werden.

Verfasst von Patricia Lorenz, bearbeitet von Renate Brandner-Weiß