Roland Lifka ist Energieberater und Spezialist für Energieeffizienz. Im Interview mit Tom Rottenberg erklärt er den Unterschied zwischen Energieeffizienz und Energiesparen und zeigt enorme Potenziale auf – denn auch Altbauten können umfassend thermisch saniert werden.

Meine allererste Frage ist vergleichsweise banal: Wie warm ist es gerade bei dir?

Im Moment hat es hier 22 Grad. Das ist ein Niveau, das nicht jeden Tag verfügbar ist, aber ich habe eine kleine, zentrale Biomasse-Quelle – wenn ich im Homeoffice bin, treibe ich die Temperatur dann um etwa drei Grad Celsius über die Grundeinstellung.

Die Energiepreise sind durch die Decke gegangen – und alle reden deshalb übers Energiesparen. Deswegen solle man weniger warm heizen. Gehört das zu deinem Themenfeld, der Energieeffizienz, oder sind wir jetzt ganz anderswo?

Das ist eine gängige Vermischung. Wir sollten aber differenzieren zwischen Energie sparen und dem, was „Energieeffizienz“ meint. Sparen kann eine kurzfristige Maßnahme sein, wenn es darum geht, Kosten einzusparen. Das kann kurzfristig heißen, dass man die Temperatur auf ein Level senkt, bei dem man sich gerade noch behaglich fühlt. Das ist aber keine Energieeffizienz-Maßnahme. Weil da möchte ich ja das gleiche – vielleicht sogar ein höheres – Zielniveau erreichen, dafür aber weniger Energie einsetzen.

Bleiben wir beim Beispiel Raumtemperatur: Wenn ich 20 oder 22 Grad weiterhin zur Verfügung haben will, aber weniger verbrauchen will – dann geht es um Energieeffizienz. Man könnt es so sagen: Energieeffizienz ist die Differenz zwischen Ist und Soll – ohne Komfortverlust. Das erreiche ich über effizienteres Heizen oder/und über die Verbesserung des Gebäudes und seiner thermischen Standards, also der Dämmung.

Ist dieser Unterschied den Menschen, die sich an dich wenden, immer bewusst?

Diese Vermischung kommt immer wieder. Das ist vielen Menschen noch immer nicht bewusst. Ich kann das auch nachvollziehen, gerade weil ich über 10 Jahre in diesem Bereich aktive bin. Wenn man ans Energiesparen denkt, nehmen viele Menschen eine Abwehrhaltung ein. Weil das nach Verzicht klingt. Niemand will verzichten. Genau deshalb ist es so wichtig klarzustellen, was Energieeffizient bedeutet: Eben keinen Verzicht. Denn auch wenn Verzicht kurzfristig finanziell entlasten kann, muss man langfristig schauen, dass man einen Rahmen schafft, der sowohl finanziell entlastet als auch die Behaglichkeit aufrechterhält.

Wenn man ans Energiesparen denkt, nehmen viele Menschen eine Abwehrhaltung ein. Weil das nach Verzicht klingt. Niemand will verzichten. Genau deshalb ist es so wichtig klarzustellen, was Energieeffizienz bedeutet: Eben keinen Verzicht.

Roland Lifka

Energieberater

Zum echten Thema in der breiten Bevölkerung wurde Effizienz erst diesen Winter. Durch die Preisexplosion. Du bist seit 2014 in diesem Feld aktiv. Wieso?

Mich hat das Thema immer schon fasziniert. Einer meiner Partner ist sogar schon über 20 Jahre in diesem Feld tätig. Wir haben verschiedenste Ausbildungshintergründe – von Elektrotechnik über Maschinenbau bis hin zu fachspezifischen Energieberater-Ausbildung. Wir sind sowohl im betrieblichen als auch im Wohnbau- und Privatsektor aktiv – allerdings vorrangig im größervolumigen Bereich. Und es geht da vorrangig ums Thema Heizen. Grundansporn war für uns das eigene Verständnis und eigene positive Erfahrungen, wie Maßnahmen wirken – und das wollten wir für jeden zugänglich machen, also eine Verbesserung für Menschen und auch die Gesellschaft schaffen.

Bleiben wir im Wohnbereich – sei es im urbanen Mehrparteienhaus oder im Einfamilienhaus: Wer sind die Menschen, die zu dir kommen? Gibt es so etwas wie eine „zentrale Frage“?

Seit Beginn letzten Jahres sind die Fragen von den hohen Energiepreisen getrieben. Es geht darum, wie man sich rasch von fossilen Energieträgern befreien kann. Primär beim Heizen. Das zweite Thema ist die eigene Energieerzeugung, meist Photovoltaik. Dass es auch andere Methoden zur Energieerzeugung gibt – etwa mit der Heizung, durch Kraft-Wärme-Kopplung, ist für viele neu. Aber im Prinzip geht es immer darum, dass man einerseits von der Abhängigkeit wegkommen will und Energie selbst erzeugen möchte. Effizienz ist da ein Randthema: Dass der eigene Standort prinzipiell weniger verbraucht, sollte dabei eigentlich immer der erste Ansatz sein – das ist er aber selten. Es sei denn, man ist ohnehin schon auf einem Niveau, wo weder wirtschaftlich noch in Sachen Behaglichkeit eine weitere Verbesserung zu erwarten ist. Diesen Punkt zumindest zu prüfen, sollte an erster Stelle stehen.

Wie ist denn der Wissensstand der Personen, die zu dir kommen?

Sehr unterschiedlich. Viele sind teilweise gebrieft, kommen im Detail aber nicht weiter. In den meisten Fällen geht es dann um umfassende Energie- und Sanierungskonzepte, also dass man beginnt, Wärme- und Strom ganzheitlich zu denken. Das Gebäude, Prozesse im Betriebsbereich, aber auch Transport und Mobilität: Da denken viele Menschen noch lange nicht vernetzt.

Das beginnt alles erst, sich zu verzahnen – und da beginnt unsere Arbeit: Wir schauen, dass man Strom, Brennstoffe, Wärme und Mobilität in einem Gesamtkonzept denkt. Weil es noch lange nicht üblich ist, daran zu denken, dass man Energie von einem in den anderen Bereich abgeben oder speichern kann: Das verschmilzt im Rahmen der Energiewende jetzt langsam auch in den Köpfen miteinander.

Wir schauen, dass man Strom, Brennstoffe, Wärme und Mobilität in einem Gesamtkonzept denkt.

Roland Lifka

Energieberater

Passen Wollen und Können immer zusammen? Viele würden gerne aus dem fossilen Kreislauf ausbrechen – wohnen aber beispielsweise in der Stadt in einer Altbau-Mietwohnung mit Gastherme: Viel kann man da selbst nicht tun, oder?

Ja, das ist ein typischer Fall: Mieter:innen in einem Jahrhundertwendehaus. Aber auch hier könnte man umfassend thermisch sanieren und die Wärmeversorgung zentralisieren. Man kann sich mit anderen Mieter:innen zusammenschließen. Sich an den/die Vermieter:in wenden – und den Wunsch nach Verbesserungen äußern.

Ok, ich wünsche mir was. Aber was heißt das schon …

Wenn man das schlau macht, Einiges: Der Hinweis, dass das Gebäude so an Wert gewinnt, liegt im Interesse der Eigentümer:innen. Die Heizquelle ist auch für sie ein Thema der Wirtschaftlichkeit: Da kann man in Richtung argumentieren – und das verstehen Eigentümer:innen immer öfter –, dass die

Gasetagenheizungen die teuerste Heizvariante ist. In einem Haus mit 100 Wohnungen sind 100 Gasthermen alle 15 bis 20 Jahre zu tauschen. Das ist ein immenser Kapitaleinsatz – unabhängig vom Verbrauch, der nur die Mieter:innen trifft: Die Eigentümer:innen haben hohe Kosten – und zwar immer wieder.

Das Argument kann sein: Naja, wie lange will man diese teure Methode noch fortsetzen? Erst recht vor dem Hintergrund, dass jede heute getauschte Gasheizung das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer nicht mehr erreichen kann – weil wir als Ziel haben, bis 2040 aus dieser Heizform draußen zu sein.

Das ist also ein „Stranded Investment“: Man verschiebt eine Entscheidung, die man heute tätigen sollte, in die Zukunft – und der Zeitrahmen wird immer enger. Vor allem, weil ja auch die Netze ausgedünnt werden: Irgendwann sitzen in einem Haus nur mehr drei Gas-Nutzer:innen – und die drei müssen die Netz- und Infrastrukturkosten stemmen, die sich vorher 100 geteilt haben. Das macht Wohnungen unattraktiv: Die Vermieter:innen verlieren ihre Mieter:innen.

Du hast gerade in einem Sammelband einen Beitrag über Energieeffizienz mit einem Zitat von Nikolaus Tesla eingeleitet: „Wenn wir Öl für unsere Energiegewinnung nutzen, leben wir von unserem Kapital. Diese Methode ist barbarisch.“ Das gilt wohl für alle fossilen Energieträger. Aber: Bedeutet das, dass du versuchst, einen Weg aus der Barbarei in die Zivilisation zu zeigen?

Das Zitat gefällt mir auch, weil es einen Grund gibt, dass fossile Energien groß geworden sind. Für die investierte Energie konnte man anfangs unheimlich viel „ernten“. Aber dieses Verhältnis wird immer schlechter. Anfang des 20. Jahrhunderts war das billig: Wir bohrten Quellen an, die anfangs unendlich ergiebig wirkten. Die alten Ölfelder hatten ein Verhältnis von mehr als 1 zu 100, was Energie-Input und -ertrag betraf. Man kennt das aus Filmen, wo das Öl aus dem Bohrloch rausschießt. Solche Öllager findet man aber immer seltener. Losgelöst von allen Umweltaspekten: Das Modell ist nicht mehr so lukrativ wie früher. Beim Erdgas sind wir noch nicht ganz so weit – aber es wird auch nicht besser. Vor allem aber haben wir jetzt die Erneuerbaren Energien: Da gehen die Kosten mittlerweile runter – sie sind konkurrenzfähig.

Wir sind da mittlerweile in einem Bereich, wo Erneuerbare sogar schon ohne die Einrechnung von CO2 oder Umweltbelastung günstiger sind. Mit der CO2-Bepreisung beginnt sich die Wahrheit dann noch besser abzubilden.

Tesla ist 1943 gestorben – er war seiner Zeit weit voraus. Sind Menschen, die heute, zu dir kommen, wirklich weiter? Veränderung ist immer ein Eingriff in die eigene Komfortzone.

Jein. Bleiben wir beim Wohnbau. Umfassende Sanierungen und Zentralisierungen bedeuten natürlich immer einen Eingriff ins Private: Eine Baustelle ist immer eine Einschränkung des Komforts. Aber sie ist für den langfristigen Zweck dennoch sinnvoll. Das den Leuten schonend beizubringen, ist immer schwierig – ich habe das gerade bei zwei größeren, mehrgeschossigen Wohnbauten vor mir: Die Temperaturen im Heizsystem sind für neue, zentrale Anlagen zu hoch. Weil die sehr effizient laufen und so auch Kosten sparen. Aber es gibt es dennoch immer Widerstand. Es ist meine Aufgabe, die Vorteile aufzuzeigen und die Relation: Zwei, drei Tage dauert der Eingriff maximal – dafür hat man mindestens 50 Jahre Ruhe.

Auch Altbauten kann man umfassend thermisch sanieren und die Wärmeversorgung zentralisieren.

oekostrom AG: Ein gemütliches Wohnzimmer mit einem Holzstuhl und -tisch, einem an der Wand montierten Fernseher, verschiedenen Topfpflanzen und auf weißen Regalen gestapelten Büchern.

Das erinnert mich an den U-Bahn-Bau in Wien: Es gab Bürgerinitiativen gegen die Baustelle nebenan – aber die U-Bahn-Station soll trotzdem vor der Haustüre sein.

Es ist ähnlich, aber überschaubarer: In einem Haus mit 50 Wohnungen sind meist nur ein oder zwei Leute wirklich skeptisch oder wehren sich mit Händen und Füßen. Aber die Änderung wird heute generell als positiv erlebt. Aktuell auch, weil ja alle von den hohen Kosten stark betroffen sind – das führt schon zu einer anderen Flexibilität als vor vier oder fünf Jahren.

Erwarten die Leute kollektiv gültige Patentrezepte? Anders gefragt: Gibt es die perfekte Form des Heizens?

Nein, diese eine beste Lösung für alle gibt es nicht. Aber es gibt für jeden Standort eine optimale Lösung. Das kann ein Einzelsystem sein, das können hybride Systeme sein. Man muss aber immer davor warnen, die einzelnen Alternativtechnologien gegeneinander auszuspielen. Am besten ist es, sie zu vernetzen und für den Standort das beste System zu finden. Generell kann man sagen: Je höher die Verbräuche und je höher die Temperaturunterschiede, umso mehr Sinn machen hybride Systeme. Das macht das System natürlich komplexer, dafür kann ich je nach Temperaturniveau das beste Medium einsetzen. Umgekehrt: je niedriger der Verbrauch ist – etwa beim Passivhaus – umso weniger entscheiden ist es, welches System zum Einsatz kommt. Da sind dann meist Systeme im Vorteil, die niedrigere Investitionskosten haben.

Zurück zur Effizienz: Motoren und andere Anlagen werden immer energieeffizienter, aber auch emissionsärmer. Bleiben wir – weil es am plakativsten ist – beim fossilen Verbrennungsmotor: Womit man heute 100 km weit kommt, wäre man vor 20 Jahren keine 50 gefahren. Gleichzeitig steigt aber der Gesamtenergieverbrauch: Kann die Steigerung der Effizienz den Mehr-Verbrauch – und damit auch die Schadstoffemissionen – auffangen oder gar wettmachen?

Grundsätzlich ginge das. In der Form, in der wir das im Moment betreiben, geht es sich aber nicht aus. Wir könnten wesentlich effizienter sein. Nur gibt es da diesen sogenannten „Rebound“-Effekt: Wer gewohnt ist, viel für Energie zu zahlen – etwa im Altbau – richtet sich zunächst Zonen ein, die wärmer sind. Und andere sind kühler. Nach der thermischen Sanierung verbrauchen diese Leute dann aber oft gleichviel – weil sie es jetzt eben überall warm haben.mAber beim typischen Sanierungsprojekt das ich begleite, wird zwischen 70 und 90 Prozent der zugekauften Energie eingespart. Manchmal landen wir auch im einstelligen Prozentbereich – und da ist die Energieeffizienz dann erheblich höher als es dieser Rebound je sein kann.

Aber werden wir die Energiewende schaffen, wenn wir im individuellen Bereich zwar effizienter und sauberer werden – gesamtgesellschaftlich und global der Verbrauch aber steigt?

Ja, wir werden das schaffen. Die Frage ist nur, wieviel Leid und welche Kosten wir dafür in Kauf nehmen. Je langsamer wir agieren, desto komplexer und teurer wird es. Auch weil die physischen Einwirkungen extremer werden: Klimawandel, Wetterextreme, Hitze, Trockenheit. National ist der Haupttreiber des Verbrauches die Mobilität. Im Gebäudesektor sind wir verhältnismäßig gar nicht so schlecht. Obwohl es auch hier wesentlich besser sein könnte. EU-weit betrachtet sinken die Emissionen sogar absolut. Das zeigt: Es ist möglich. Die Energiewende greift – nur viel, viel zu langsam im Vergleich zu den Zielen, die wir uns gesetzt haben. Wir brauchen da eine massive Beschleunigung!

Bist du also Optimist, Pessimist oder Realist?

Zwingend Optimist – aber doch so sehr Realist, die Probleme, die es gibt, aufzuzeigen und zu adressieren. Und mich mit aller Kraft dafür einzusetzen, sie zu lösen oder Blockaden aus dem Weg zu räumen. Nur dann, denke ich, ist Optimismus auch gerechtfertigt.