Spätestens seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges sind die explosionsartig steigenden Energiepreise in aller Munde. Wieso der Strompreis – noch dazu für sauberen Strom – mit dem Gaspreis steigt, wie der Energie-Weltmarkt funktioniert, wieso die Jahresabrechnung manchmal für böse Überraschungen sorgt und worauf man beim Energiesparen ein Auge werfen sollte, erklären die beiden Experten Max Kloess (Geschäftsführer oekostrom Handels GmbH) und Thomas Hörmann-Kisling (Leiter des Tarifkund:innen-Managements der oekostrom AG) im Interview. Die Fragen stellte Tom Rottenberg.

Der Ukraine-Krieg lässt den Gaspreis durch die Decke gehen. Wieso gehen aber auch die Strompreise, sogar für sauberen Strom, nach oben?

Max Kloess: Wieso die Preise auch für Ökostrom gestiegen sind und somit auch unser Einkauf so teuer ist, ist auf den ersten Blick ein bisschen verwirrend. Dazu muss man sagen, dass sich auch der Einkauf, also auch der Preis, den wir an einen Ökostromproduzenten zahlen, nach dem Strompreis an der Börse richtet. Und dort bieten neben den Erneuerbaren-Anlagen auch z. B. Gaskraftwerke Strom an. Aufgrund der steigenden Gaspreise ist deren Erzeugungspreis jetzt tatsächlich sehr stark gestiegen und sie müssen daher sehr viel für ihren Strom verlangen. Die Preise, die sich daraus ergeben, gelten dann eben auch für die Ökostromproduzenten.

Vereinfacht gesagt sind also die Preise für Ökostrombezieher:innen der Kollateralschaden für die Kosten von Strom aus fossilen Quellen?

Max Kloess: Das kann man so sagen. Weil das eben auch unsere Preise beeinflusst.

Max Kloess ist Geschäftsführer der oekostrom Handels GmbH. (Foto: Thomas Kirschner)

Maximilian Kloess, Foto: thomaskirschner.com

Geht es da nur um den Krieg als Preistreiber, oder auch um Engpässe an Rohstoffen infolge von Corona und dem Herunterfahren der Wirtschaft während der Pandemie?

Max Kloess: Neben dem aktuellen Gaspreisanstieg gab es noch andere Effekte. Eben auch bei Rohstoffen, zum Beispiel typischen Brennstoffen, die Gas ersetzen sollen: Kohle zum Beispiel. Auch da sind die Preise gestiegen. Da es sich um einen globalen Markt handelt, ist das ein weltweiter Effekt, der sich in allen Industriezweigen mit Preissteigerungen im Energiebereich niederschlägt: Der Brennstoffpreis in der Schwerindustrie lässt Stahlpreise steigen und so weiter. Das zieht sich überall durch.

Es gibt viele Rohstoffe, deren Preise parallel zu den Gaspreisen ansteigen. Zusätzlich ist der CO2-Preis stark gestiegen. Der ist seit einigen Jahren im Aufwärtstrend. Vor fünf Jahren lag er bei fünf Euro pro Tonne, jetzt sind wir knapp unter 100 Euro. Auch das wird eingepreist und hat die Preise nach oben getrieben: Wir haben da eine Gemengelage von Effekten, die sich auf die Energiepreise auswirken.

Aber geht es da um echte Engpässe? Oder steckt da auch viel Psychologie drin? Angst vor Mangel, der tatsächlich noch gar nicht existiert: das russische Gas etwa kommt ja derzeit immer noch.

Max Kloess: Kurzfristig gibt es den Mangel schon. Weil gewisse Lieferwege nicht mehr vorhanden sind oder vermieden werden sollen. Aber es stimmt, da wird viel Risiko eingepreist, also die Ängste vor dem, was passiert, wenn das Gas tatsächlich komplett zugedreht werden sollte.

Darum wird jetzt mehr gekauft, als man sonst kaufen würde. Auch für die Zukunft, also auf den Terminmärkten, um sich jetzt abzusichern dann zu wenig zu haben. Da wird eine künstlich erhöhte Nachfrage am Terminmarkt erzeugt, weil sich alle wappnen wollen. Komponente zwei ist sicher auch der „Risikoaufschlag“, den wir da sehen.

In der ersten Coronawelle kauften alle wie blöd Klopapier – und plötzlich waren Klopapierrollen um 10 oder 20 € auf willhaben zu finden. Das waren leicht durchschaubare Abzockversuche. Bei den Energiepreisen haben aber viele Konsument:innen gerade auch dieses Gefühl. Speziell, wenn sie für sauberen Strom freiwillig mehr zahlen. Thomas, wie oft hörst du derzeit die Frage, ob das Wasser in der Donau, ob der Wind bei Parndorf plötzlich teurer geworden ist?

Thomas Hörmann-Kisling: Solche Fragen kommen, denn die oekostrom AG steht ja für erneuerbare Energien. Die Fragen drehen sich meistens um Preise, aber auch um Tarife und um Sicherheit: Werde ich überhaupt noch Strom bekommen? Das beschäftigt viele. Wir erklären dann, dass es einen Markt gibt. Und dass dieser Markt den Preis steuert. Dass leider die teuren Gaskraftwerke den Strompreis bestimmen.

Wichtig dabei ist zu erklären, dass ein höherer Anteil an erneuerbarer Energie aus Österreich genau diese Gas-Kraftwerke immer stärker verdrängen kann.

Das ist ein Argument dafür, genau jetzt auf ökologischen, erneuerbaren Strom zu setzen.

Aber jemandem, der sich vor ein paar Jahren auf die Schulter klopfte, weil er einen günstigen, weil variablen Stromtarif wählte, wird das wohl wenig trösten. Diese Leute zahlen jetzt nämlich gewaltig.

Thomas Hörmann-Kisling: Viele Jahre waren diese so genannten „Floater“-Tarife wirklich die beste Option. Aber aufgrund der Erhöhung der Marktpreise seit dem 4. Quartal 2021 muss man jetzt schauen, was günstiger ist. Diese Tarife gab es seit 2015/16, es gab nur sehr kleine Schwankungen. Das war einfach und günstig, weil immer am Marktpreis. Aber Ende 2021 hat sich das gedreht – und jetzt sind viele überrascht.

Wichtig ist für die Kund:innen zu wissen, dass sich der Floater-Preis monatlich und quartalsweise ändert. Man muss unbedingt beim Lieferanten nachfragen, wie hoch der Preis gerade ist – und dann entscheiden, ob nicht ein Fixpreis mit Preisgarantie günstiger ist. Der „Floater“ ist immer Chance und Risiko, denn der Preis könnte ja auch wieder nach unten gehen. Aber zurzeit sehen wir, dass Fixpreisvereinbarungen die sicherere Variante sind.

Max, gilt das, was Endverbraucher:innen erleben, auch für den Weltmarkt, die Energiebörse? Gibt es da auch Fixpreise und langfristige Preisgarantien?

Max Kloess: Ja, natürlich. Das ist genau das, was wir als Versorger machen: Wir gestalten unseren Einkauf längerfristig. Wir fangen zwei bis zweieinhalb Jahre vor dem Lieferjahr an, tranchenweise Energie für das Lieferjahr zu kaufen. So bekommen wir für diesen Zeitraum einen Durchschnittswert. Mit Blick auf das laufende Jahr muss man sagen, dass deshalb das Ausmaß der Preiserhöhungen – diese Vervierfachung im Vergleich zum Preis von vor eineinhalb Jahren – bei uns in den Kosten nicht im vollen Ausmaß durchschlägt. Allerdings nur für unsere Bestandskund:innen, mit denen haben wir ja langfristig kalkuliert, dass sie da sind.

Alle die jetzt dazukommen, mit denen wir noch nicht rechnen konnten, für die ist kein Strom auf Reserve gekauft worden. Denen müssen wir das jetzt 1:1 verkaufen. Aber dank dem langfristigen Einkauf sind die Kosten für langjährige Kund:innen nicht so stark angestiegen, sondern zeitverzögert und langsamer. Damit schlägt das bei denen nicht so brutal durch wie bei jenen, die marktbasierte Tarife haben, die jetzt wirklich horrende Preise sehen.

Ist das die einzige Kostenfalle, in die manche Energiekund:innen tappen? Man hört ja auch immer wieder von irrwitzigen Nachzahlungsbeträgen.

Thomas Hörmann-Kisling: Was häufig vorkommt, ist, dass Kund:innen nicht bewusst ist, dass der Netzbetreiber nur alle drei Jahre den Zähler ablesen muss. Mit Smart-Metern ist das besser, weil da digital und in Echtzeit abgelesen wird. Aber bei den alten Zählern kommt alle drei Jahre jemand vorbei und kontrolliert den Zählerstand. Dazwischen wird mitunter nur berechnet.

Wenn keine Daten aufliegen – etwa, weil eine Wohnung leer war oder statt jetzt vier nur eine Person dort wohnte oder hier ein Büro war – kann diese Berechnung grob falsch sein. Wenn dann nach drei Jahren abgelesen wird, kommt oft diese extrem hoch wirkende Nachzahlung. Zusätzlich wird der Verbrauch aber auch hochgerechnet und in die Vorauszahlungen eingerechnet.

Was kann man also tun?

Thomas Hörmann-Kisling: Wichtig ist es, sich darüber bewusst zu sein, wie hoch der Verbrauch aktuell tatsächlich ist. Es gibt verschiedene Gründe, die zu solchen Nachzahlungen führen können. Nicht immer nur der Energiepreis, sondern oft auch der gestiegene oder lang falsch berechnete Verbrauch. Danach muss man eruieren, ob der Verbrauch tatsächlich so hoch ist: Habe ich ein E-Auto gekauft? Betreibe ich eine Wärmepumpe?

Wird vielen aber nicht erst durch solche Erlebnisse bewusst, wieviel und wo sie überhaupt Energie verbrauchen – und was die kostet? Entsteht da gerade ein neues Bewusstsein?

Thomas Hörmann-Kisling: Ja und Gott sei Dank. Ich vergleiche das gerne mit Handy- und Internetverträgen. Man muss Bewusstsein dafür schaffen, für das, was man verbraucht und welchen Tarif man hat. Floater oder Fixpreis? Gibt es eine Preisgarantie – und wie lange gilt die? Was sind die Rahmenbedingungen? Und eben: Wieviel verbrauche ich? Diese Kombination ist sehr sehr wichtig.

Was ist denn da derzeit die Empfehlung? Wie bekomme ich einen Überblick – und wie reduziere ich unnötige Kosten?

Thomas Hörmann-Kisling: Punkt eins haben wir gerade besprochen: Welcher Tarif – und was zahle ich aktuell. Dann sollte man mit dem Energielieferanten darüber reden, was es für Möglichkeiten zur Optimierung gibt, wie – speziell, wenn man noch einen „Floater“ hat – Informationsflüsse und Umstiegsmöglichkeiten aussehen.

Dann überprüfen, ob der aktuelle Teilzahlungsbetrag erhöht werden muss, damit nicht im nächsten Jahr eine hohe Nachzahlung schlagend wird, falls sich der Tarif erhöht hat.

Max Kloess: Und dann gibt es aus der Konsument:innenperspektive natürlich immer auch Maßnahmen, den Verbrauch zu senken. Das Absenken der Innenraumtemperatur wird im kommenden Winter ein relevanter Schritt sein, weil der Winter aus heutiger Sicht teuer werden wird. Das sehen wir schon am Terminmarkt. Was wir auch am Terminmarkt sehen, ist, dass Energie teuer bleibt. Das bedeutet, dass sich jede Investition in Energieeffizienz viel mehr rechnen wird als noch vor ein oder zwei Jahren.

Wer die Möglichkeit hat, eine Photovoltaikanlage einzubauen – das ist momentan wegen der Lieferzeiten nicht immer einfach – sollte sich dieses Thema vornehmen.

Und natürlich: bewusst verbrauchen! Gerade Wärme ist ein Thema, bei dem man viel machen kann. Wir haben oft höhere Innentemperaturen als notwendig, da ist Potenzial. Auch Stromsparen ist ein Thema. Sei es durch Eigenerzeugung oder die Suche nach Energiefressern. Sich zu überlegen, was notwendig ist und bewusst zu screenen, was ich in meinem Haushalt wirklich brauche.

Wenn ich die Möglichkeit habe, Strom aus einer PV-Anlage zu gewinnen kann ich den ja auch verkaufen, oder?

Max Kloess: Tatsächlich ist es so, dass man selten alles selbst verbraucht, was die private PV-Anlage produziert. Oft ist nur ein Drittel der Produktion notwendig. Der Rest geht ins Netz und ist dort ein wichtiger Beitrag für die Energiewende: Auch die Überschüsse von Kleinanlagen haben in Summe einen wichtigen Effekt. Die Überschüsse können z. B. mit unserem Aktionstarifs Nature Plus 2022 eingespeist werden.

Aber auch wenn man nur am Balkon ein kleines Panel hinstellen kann, wird sich das in den nächsten Jahren schon lohnen, denn es ist wichtig, um so viel fossile Energie wie möglich zu ersetzen. Da zählt jede kleine Anlage.

Wenn ich als Kund:in heute zu dir käme, Thomas, und mich für saubere Energie interessiere – was würdest du mir empfehlen?

Thomas Hörmann-Kisling: Grundsätzlich sind derzeit Fixpreise mit Preisgarantie angesagt. Das heißt, alles ist planbar, ich habe eine Preisgarantie bis zum Frühjahr 2023. In diesem einen Jahr kann mir nichts passieren. Es ist kalkulatorisch klar und ich weiß, was mich erwartet. Und nächstes Jahr schauen wir neu.

Es gibt zwar nach wie vor Floater am Markt, aber die können eben auch noch weiter raufgehen. Wir bieten sie derzeit nicht an: Was Kund:innen jetzt benötigen, ist die Sicherheit zu wissen, was sie erwartet.

Und dann gibt es ja auch noch Förderungen, Teuerungsausgleich, die Ökostrompauschale…

Thomas Hörmann-Kisling: Das ist kein „entweder oder“: Die Kombination macht es aus. Energiesparen ist extrem wichtig: Die Kilowattstunde, die man nicht verbraucht, ist die günstigste. Alles was rundherum passiert, mit Energiekostenausgleich, mit Förderbeiträgen oder dem Wegfall der Ökostrompauschale, ist gut. Die Kombination aus alldem ist der erste, wichtige Schritt: Da erspart man sich bei der nächsten Jahresabrechnung wirklich Geld. Man muss aber auch schauen was in den Jahren drauf dann passiert.

Was genau ist zum Beispiel die Ökostrompauschale?

Thomas Hörmann-Kisling: Die Ökostrompauschale wird über den Netzbetreiber allen Kund:innen verrechnet und dient zum Ausbau der erneuerbaren Energie. Sie wird jährlich berechnet – aber heuer hat die Bundesregierung beschlossen, dass sie wegfällt. Das wird 1:1 weitergegeben.

Und wenn ich mir all das auf die Schnelle und im Block nicht merke: Was kann ich tun?

Thomas Hörmann-Kisling: Uns fragen, denn genau dafür gibt es uns ja. Per Telefon unter +43 5 0575 555 – oder per E-Mail unter office@oekostrom.at. Wir sind da – für alle Fragen.