100 Prozent Öko-Strom bis 2030: Dieses zentrale Ziel hat die türkis-grüne Koalition Ende 2019 in ihrem Regierungsprogramm verankert. Ein gigantisches Vorhaben, denn: Konkret bedeutet es nicht weniger, als dass rein rechnerisch bereits in neun Jahren der gesamte Strombedarf in Österreich durch Erneuerbare Energien wie Wind-, Wasser-, Solarkraft und Biomasse gedeckt wird. Wie das gelingen kann und soll, wurde nun im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (kurz: EAG) verankert, das kürzlich im Parlament beschlossen wurde. Es ist der lang erhoffte Startschuss für die Energie-Revolution in Österreich!

Welche Dimensionen das Projekt Energiewende annimmt, verdeutlichen mitunter folgende Zahlen: Bis 2030 wird die nationale, jährliche Stromerzeugung von aktuell 54 um weitere 27 Terrawattstunden aufgestockt – das entspricht beinahe der achtfachen Leistung des einst geplanten Atomkraftwerks Zwentendorf oder auch dem Verbrauch aller österreichischen Haushalte über zwei Jahre zusammengerechnet. Der größte Zuwachs ist dabei bei der Solar- und Windkraft (+ 11 TWh bzw. + 10 TWh) geplant, auch die Wasserkraft- (+ 5 TWh, mitunter durch die Revitalisierung bestehender Anlagen) sowie Biomasse-Ressourcen (+ 1 TWh) werden ausgebaut. Mit dem EAG wurde nun der Weg geebnet, um diese Ziele auch erreichen zu können.

Klimaschutz als nachhaltiger Wirtschafts-Boost: Eine Win-Win-Win-Win- (…) Situation!

Doch wozu das Ganze? Zum einen, da uns bereits heute die Folgen der Klimakrise zunehmend um die Ohren fliegen (nicht nur in Anlehnung an einen tödlichen Tornado knapp hundert Kilometer vor Wien). Indem wir uns endlich von fossilen Klimakillern wie Öl, Kohle und Gas abkehren, tragen wir einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und der angestrebten Klimaneutralität 2040 bei.

Die Energiewende bringt allerdings auch zahlreiche weitere, greifbarere Vorteile für die Menschen in Österreich mit sich. So werden durch dieses Mammut-Projekt und folglich volle Auftragsbücher tausende neue, zukunftsorientierte Jobs vor unserer Haustüre geschaffen. Doch nicht nur das: Mit dem EAG werden mitunter die rechtlichen Rahmenbedingungen gelegt, um sogenannte Erneuerbaren-Energiegemeinschaften (Zusammenschluss in der direkten Nachbarschaft) sowie Bürger*innen-Energiegemeinschaften (überregional) zu erleichtern. Heißt: Interessierte Menschen können sich ab sofort im großen Stil unkompliziert zusammenschließen und ihren eigenen, sauberen Strom produzieren und speichern. Überschüsse können darüber hinaus gewinnbringend verkauft werden. Indem der Strom sauber dort produziert wird, wo er tatsächlich gebraucht wird, kann jede und jeder etwas zur Erreichung der Klimaziele betragen und sich dabei noch eine Menge Geld sparen.

Wer sich heute noch an der Vergangenheit und fossilen Energieträgern festklammert, wird bereits in wenigen Jahren am globalen Markt nur noch wenig mitzureden haben.

Generell erweist sich der Umstieg auf Erneuerbare aus wirtschaftlicher Perspektive schon längst als logischer Schritt. Zum einen sind die Erneuerbaren gegenüber Fossilen längst konkurrenzfähig geworden, der Markt befindet sich bereits in einem rasanten Wandel. Darüber hinaus steckt Österreich nach wie vor Jahr für Jahr mehrere Milliarden Euro an Steuergeldern in den Import von Öl und Gas – Unsummen, die an anderer Stelle deutlich sinnvoll investiert wären, als sie für Energie zu verbrennen. Das EAG bringt somit einen großen Schritt Richtung Unabhängigkeit von den Preisschwankungen fossiler Energiekonzerne und schiebt Österreich hierbei in eine internationale Vorreiterrolle. Und das ist nicht zu unterschätzen: Denn wer sich heute noch an der Vergangenheit und fossilen Energieträgern festklammert, wird bereits in wenigen Jahren am globalen Markt nur noch wenig mitzureden haben.

Eine Frage der Gerechtigkeit

Doch wie sieht letztendlich solch ein Gesetz für die Energie-Revolution aus? Auf den ersten Blick unspektakulär, da es sich um dutzende Seiten voller Paragrafen und Verweise handelt. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch rasch die Tragweite des EAGs, das nach knapp 20 Jahren dem Ökostromgesetz folgt, erkennbar. So verankert das Gesetzespaket umfassende wie notwendige rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen, um Planbarkeit für die Energiebranche zu garantieren, die bereits teils seit Jahren mit zahlreichen Projekten in der Warteschlange scharrt.

So soll mitunter eine stolze Milliarde Euro pro Jahr an Förderungen gewährleisten, dass der Umbau des heimischen Energiesystems gelingt. Neben den Projekten heimischer Energie-Unternehmen steht damit auch den einzelnen Bürger*innen reichlich Budget für die hauseigene Stromversorgung zur Verfügung. Auf diesem Weg soll mitunter das Ziel von einer Millionen Dächern mit Photovoltaikanlagen im Land erreicht werden. Mit Investitionen von 500 Millionen Euro in grünen Wasserstoff soll insbesondere die heimische Industrie (Bsp. Stahlproduktion) bei der Transformation in Richtung Klimaneutralität unterstützt werden.

Nur wenn Klimaschutz für die Menschen leistbar und nachvollziehbar ist, kann er auch erfolgreich sein.

Da Investitionen auch Kosten bedeuten, ist ein weiterer Punkt äußerst wichtig für die erfolgreiche Energiewende: die soziale Gerechtigkeit. Nur wenn Klimaschutz für die Menschen leistbar und nachvollziehbar ist, kann er auch erfolgreich sein. So gibt es nicht nur eine Befreiung von allen Ökostromabgaben für einkommensschwache Haushalte, die von der GIS ausgenommen, auch für weitere Haushalte mit niedrigem Einkommen werden die Abgaben mit 75 Euro pro Jahr gedeckelt. Insgesamt zahlen somit rund 550.000 keine oder reduzierte Ökostromabgaben.
In Zeiten, wo gefühlt bereits im Wochentakt Nachrichten von Öl-Katastrophen durch die Medien gehen, Gas-Lecks das Meer zum Brennen bringen und ganze Dörfer für den Kohleabbau vernichtet werden, scheint der Schritt hin zu 100 Prozent Ökostrom überfällig. Wie kommen wir dazu auch nur einen Tag länger an Fossilen festzuhalten, wenn wir damit die Klimakrise weiter anheizen und die Umwelt wissentlich zerstören? Die Energiewende ist daher nicht zuletzt auch eine Gerechtigkeitsfrage – mit dem EAG wurde für Österreich nun ein wichtiges und historisch bedeutsames Urteil gefällt.