Nach der COP ist vor der COP. Warum 2020 ein entscheidendes Klimajahr wird.

Keine Frage. Die 25. Vertragsstaatenkonferenz zur UN-Klimarahmenkonvention brachte primär frustrierende Ergebnisse. Alle, die sich in Madrid einen Durchbruch in der Anhebung der Klimaschutzumsetzungsambition erwartet hatten, wurden enttäuscht. Aber wie so oft geht es nicht nur darum, die Verhandlungsergebnisse bzw. ihren Verlauf zu bewerten, sondern auch einen Blick in das Umfeld zu schauen. Und dabei wird klar, der Druck auf staatliche und nicht-staatliche Akteure, Klimaschutz endlich entschlossen umzusetzen, ist größer als je zuvor. Auch wenn die Zeit davon läuft, vielleicht bringt Madrid auch einen heilsamen Schock, denn 2020 muss zum Turning Point im internationalen Klimaschutz werden.

Dass die ursprünglich in Chile geplante Klimakonferenz überhaupt stattfinden konnte, war der Flexibilität und Kapazität Spaniens zu verdanken, innerhalb weniger Wochen die Konferenz mit über 30.000 Teilnehmern nach Madrid disponieren zu können. Es wurde letztlich die längste Vertragsstaatenkonferenz, was vor allem daran lag, dass die fehlende Einigung auf ein Beschlussdokument das Ende der Konferenz um zwei Tage hinauszögerte. Insbesondere die USA, Brasilien, Saudi-Arabien und Australien, das derzeit zynischer weise eine beispiellose Hitzewelle sowie zerstörerische Waldbrände erlebt, blockierten viele Fortschritte. Die progressiven Staaten wie z.B. die EU sowie Costa Rica waren zugleich nicht bereit, schlechte Kompromisse mit kontraproduktiver Wirkung zu beschließen. So musste etwa der Artikel 6 zum Einsatz von Marktmechanismen wieder verschoben werden. Einige Staaten wollten etwa ermöglichen, dass die Anrechenbarkeit von Maßnahmen in anderen Staaten doppelt gezählt werden kann. Zu den Details der Verhandlungsergebnissen seien auf die hervorragende Analyse auf Carbon Brief und Climate Change News und das deutschsprachige Resümee von Germanwatch verwiesen.

Die große EntCOPlung

Dass die erzielten Kompromisse letztlich so schwach sind, mag angesichts der enormen Dynamik und Aufmerksamkeit für Klimaschutz verwundern. Noch nie zuvor waren so viele Menschen für den Klimaschutz auf der Straße – allein in Madrid waren es gegen Ende der ersten Verhandlungswoche mehrere hundert Tausend (500.000 laut Veranstaltern) Die Fridays for Future Bewegung und damit insbesondere die junge Generation hatte bereits in den Monaten davor neue Dynamik in die zivilgesellschaftliche Klimaschutzbewegung gebracht. Noch selten zuvor hatten WissenschafterInnen aus aller Welt derart eindringlich vor den Konsequenzen des Nichthandelns gewarnt. 2019 war das Jahr, in dem die Klimaveränderung in nahezu allen Kontinenten spürbar unmittelbar spürbar wurde. Und auch jenes Jahr, in dem auch die Medienberichterstattung über Klimapolitik und Klimaschutz neue Rekorde erzielte. Erstmals wurde Klimaschutz in mehreren Ländern zum zentralen Wahlkampfthema. Und trotzdem sind auch 2019 die Treibhausgasemissionen um rund 0,6 % gestiegen. Weniger als im Jahr davor, aber dennoch, ab 2020 kann es nur eine Richtung für die Entwicklung der Emissionen geben wie auch der österreichische Bundespräsident in Madrid sagt: Sie müssen sinken. Rasch und kontinuierlich.

Viele meinen, die COP hätte gezeigt, dass politische Elite und Gesellschaft die Anbindung zueinander verlören hätten. Von Disconnect ist in diesem Zusammenhang die Rede. Und tatsächlich hat die geopolitische Situation mit den rechtspopulistischen Regierenden wie Trump, Bolsonaro, den massiv fossilverstrickten Regierungen wie Australien und Saudi-Arabien oder Russland einen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet. Eigeninteresse vor Gesamtblick scheint das Credo zu sein, das auch da Dilemma des Multilateralismus aufzeigt.

Sind Klimakonferenzen hinfällig?

Die Frage mag sich für manche stellen, aber leidenschaftlich kann ihr Zweck argumentiert werden, sofern die Erwartungshaltung an den UN-Klimaprozess realistisch gesehen wird. Klimaschutz erfolgt nicht in Verhandlungsräumlichkeiten, sondern auf anderen Ebenen: in Unternehmen von der Industrie bis zur lokalen Genossenschaft, in Städten und Regionen sowie Gemeinden, in Privatinitiativen, ja auch durch Regierungen und Partnerschaften. Das Pariser Klimaabkommen schafft dafür den gemeinsamen Rahmen, stellt gemeinsame Spielregeln auf und benennt Verantwortlichkeiten auf staatlicher Ebene – auch bei der internationalen Klimafinanzierung. Dieser Rahmen ist wichtig, aber warten können wir beim Klimaschutz ohnehin nicht darauf, bis alle Punkte auf globaler Ebene geklärt sind. Und dafür hat es letztlich auch im Rahmenprogramm der COP einige positive Signale für 2020 gegeben. COPs sind mehr als Klimaverhandlungen, sie sind auch der Ort von Bekenntnissen und Beispielen. Die EU hat mit dem European Green Deal ihren Plan auch im Rahmen der COP vorgestellt, bis 2050 Klimaneutralität erreichen zu wollen und dafür auch die Ziele zur Treibhausgasreduktion für 2030 zu verschärfen.

Die COP 26 in Glasgow wird eine sehr wichtige Klimakonferenz. Sie schafft auch den formalen Rahmen, die Klimaambitionen zu erhöhen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch zu schaffen. Noch wichtiger als die Konferenz selbst ist jedoch der Weg dorthin. Klimaneutralität spätestens 2050 ist in möglichst vielen Industriestaaten zu verankern. Auch auf nationaler Ebene sind die Pläne zu verschärfen und in verbindliche Gesetze zu gießen. Dänemark hat mit seinem gesetzlich verankerten Ziel einer Treibhausgasreduktion um 70 % bis 2030 einen hervorragenden Referenzpunkt geschaffen. Es braucht neue Partnerschaften und Allianzen Europas, mit China und Indien, Afrika und auch südamerikanischen Staaten, um die Potenziale des Klimaschutzes auszuschöpfen und zugleich die mittlerweile notwendige Anpassung an die Klimaveränderung zu unterstützen.

Auch der Markt spürt den Druck immer mehr. Im Finanzbereich bekennen sich immer mehr Akteure dazu, ihre Investitionen mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang zu bringen. Nicht alle davon sind glaubwürdig, aber Zivilgesellschaft und zunehmend kritische Konsumentinnen und Konsumenten und sei Dank, stehen alle prominenten Akteure zunehmend unter Beobachtung. Die Europäische Investitionsbank soll die Klimabank Europas werden und ab in drei Jahren keine Kredite mehr für fossile Projekt vergeben – auch Erdgas ist nach intensiven Diskussionen mitumfasst.

Rund 400 Städte sind Teil der Climate Ambition Allianz, die sich Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 verschreiben. Bis zur nächsten COP werden es wieder mehr sein, denn der Druck wird in allen Teilen weiter steigen. Die Fronten scheinen klar. Das konkrete Handeln damit umso wichtiger. Der Einsatz dafür ebenso.