Unser Autor wohnt in einem klassischen Wiener Altbauhaus im Dachgeschoss. Dachschrägen. Fernblick. Eine kleine Terrasse nach Osten. Irgendwann hat er beschlossen, die Sonne auch zu nutzen: Mit zwei Balkonkraftwerken deckt er fast ein Drittel seines Strombedarfs. Doch beim Versuch der Erweiterung seines PV-Parks werden ihm Steine in den Weg gelegt.

Der Hausverwalter rollte mit den Augen. Mehr konnte er nicht tun. Denn in der Eigentümerversammlung eines Mehrparteienhauses sind seine Aufgaben klar definiert: Zu fragen, ob ein Miteigentümer irgendwo „ang’rennt“ ist, gehört nicht dazu. Doch daran, dass der Hausverwalter den Anzugmann genau das gerne gefragt hätte, zweifelte niemand. Nicht einmal die Frau, die vorhin noch Sorgen gehabt hatte, ob am Dach auch noch Platz für ihre Satellitenschüssel sei, wenn … Ein Foto unseres Daches, das keiner meiner Mitbewohner bis dato je gesehen, geschweige denn betreten hatte, löste ihre Angst. Beim Anzugmann biss ich auf Granit. Der war und blieb dagegen. Aus Prinzip. „Ich bin gegen die Verschandelung von Dächern. Solarpaneele sind mir ein Gräuel: Nein.“

Der Reihe nach. Ich wohne in einem klassischen Wiener Altbauhaus. Vor ein paar Jahren wurde das Dach ausgebaut: Zuerst wurde aufgestockt, dann ein Lift hofseitig ans Gebäude geklatscht – und dann kam der Dachausbau. Dort wohne ich: Dachschrägen. Fernblick. Eine kleine Terrasse nach Osten. Nach Süden hin ermöglicht das Schrägdach den Blick manchmal bis zum Schneeberg – die Sonne erwischt mich bis zum frühen Nachmittag.

Irgendwann habe ich beschlossen, die Sonne auch zu nutzen: Per Balkonkraftwerk. Zwei Standardpaneele, ein kleiner Speicher. Ein Paneel kam ans Geländer – sobald die Sonne über die umliegenden Dachfirste klettert, liefert es Strom. Da die anderen Dächer tiefer liegen, ziemlich früh.

Gegen Mittag übernimmt dann Paneel Zwei. Das lehnt einfach an der nach Süden gerichteten Terrassenwand. Ab 15 oder 16 Uhr ist es im Schatten. Dennoch liefern die beiden Platten fast ein Drittel meines Strombedarfs.

Die beiden Balkonkraftwerke liefern fast ein Drittel meines Strombedarfs.

Tom Rottenberg

Freilich: man muss kein Solartechniker sein, um zu erkennen, dass diese Positionierung suboptimal ist. Erst recht nicht, seit meine Balkontomaten wie blöd wachsen (andere Geschichte): Gut für meinen Salat, schlecht für den Energieertrag.

Nur: Unlösbar wäre das Problem nicht. Sagte auch mein Hausverwalter. Er verkörpert das Gegenteil von dem, was ich bisher an Hausverwaltern erlebt habe: Freundlich, lösungsorientiert, schnell beim Antworten. Auf seinem Firmensitz am Stadtrand steht seit einigen Jahren eine fette PV-Anlage. Auf die ist er stolz.

Wir plauderten also über mein Balkonkraftwerk. Dass es grotesk sei, dass ich unten, auf der Terrasse, mit Beschattung, Ausrichtung und Platz kämpfe – während keinen halben Meter weiter ein ganzes Dach nach PV-Modulen förmlich schreit: Das Giebeldach mit seiner West-Ost-Ausrichtung. Aber auch die Gaupen und Loggien – mit ihren großen, flachen, den ganzen Tag besonnten Blechdächern. Oder das Flachdach bei Stiegen- und Lifthaus: Ich müsste Paneel zwei nur aufs Dach legen und mit für genau solche Nutzungen zertifizierten Baumarkt-Klemmen absichern: Sogar die vom Balkonkraftwerk-Hersteller mitgelieferten kurzen Kabel zum Speicher wären lang genug. „Damit bekämest du locker zwei Drittel deines Eigenbedarfs zusammen“, seufzte der Hausverwalter.

Seufzte? Ja. Weil er und ich die Rechtslage kennen: Meine Terrasse gehört mir – das Dach allen. Und ohne Zustimmung der anderen Eigentümer darf dort nix montiert werden. Nein, auch wenn es außer dem Rauchfangkehrer nie wer sehen wird: Aufs Dach – und auch meine Terrasse – sieht nur, wer am Donauturm ein starkes Fernglas zückt – und genau hierhin ausrichtet. Ok: Vom DC- und dem Millennium-Tower geht das wohl auch noch.

Trotzdem: Das Gesetz verlangt es. Also stellte ich bei der Eigentümerversammlung einen Antrag: Ein, vielleicht ja sogar beide Paneele aufs Flachdach. Fachkundig installiert. Ich hafte.

Helle Aufregung: Ob ich auch für die anderen im Haus Strom erzeugen wolle. Könne. „Nein, aber da oben wäre eine Hausanlage durchaus eine Überle…“ weiter kam ich nicht: Der Anzugmann brauste auf. Das war erwartbar: Er wohnt hier nicht selbst, vermietet drei Wohnungen teuer an Wehrlose – und ist grundsätzlich gegen alles, was ihn etwas kostet und was er nicht sofort mit Aufschlag weiterverrechnet kann.

Dann kam die Frau mit der Angst um ihre (noch zu montierende) Satellitenschüssel. Und einer, der wissen wollte, ob dann eh noch Platz für seine Klimaanlage… und ob dort vielleicht auch ein zweites oder drittes privates Balkonkraftwerk… Ja, klar: Es ist mehr als genug Dach für alle da. (Und irgendwann wird daraus vielleicht ja doch noch die Hausanlage…) Das Gespräch lief gut. Alle waren entspannt. Der Hausverwalter nickte, Nachbar:innen und Miteigentümer:innen lächelten. Bis auf einen: Den Anzugmann.

Es kam, was kommen musste. Der Anzugmann richtete sich auf: „Sie wissen: Dieser Beschluss bedarf der Einstimmigkeit. Also ist es vollkommen egal, ob Sie sich einig sind – wenn ich nicht mitmache. Und ich mache nicht mit.“ Die Satellitenschüsselfrau fragte entgeistert. „Wieso das denn?“

Der Anzugmann lehnte sich zurück: „Einfach weil ich nicht will. Es bringt mir nichts. Außerdem bin Ästhet. Architektur ist mir heilig: Ich bin gegen die Verschandelung von Dächern mit Solarpaneelen und Landschaft mit Windrädern.“ Noch einmal die Satellitenfrau: „Aber dort sieht es doch wirklich niemand!“ Er: „Trotzdem. Sowas braucht keiner. Ich bin eben kein Klimahysteriker!“

Mein Hausverwalter rollte mit den Augen. Mehr, sagte er mir nachher, könne und dürfe er in seiner Rolle nicht tun. „Aber solche Leute treiben mich zur Weißglut.“ Aus pädagogischer Sicht, meinte er, habe „dieser Irrsinn“ aber vielleicht doch sogar etwas Gutes bewirkt: „Alle anderen im Raum waren fassungslos. Aber vielleicht haben sie hier das Muster durchschaut, weil es sie im Kleinen selbst traf: Im Großen wird politisch ja genauso blockiert. Aus Profitgier, Kurzsichtigkeit und Dummheit. So ein Nachbar ist ein Problem – aber gegen solche Politiker kann man sich wehren. Und sie abwählen.“