Es ist gut 200 Jahre alt, ein brandaktuelles Thema bei den anstehenden Wien-Wahlen und vermutlich eine der kostengünstigsten Klimaschutz-Optionen aller Zeiten: das Fahrrad! Von sieben auf 13 Prozent will die Bundesregierung den Anteil des Radverkehrs in Österreich anheben – und muss dafür einige Gänge hochschalten. Das Ergebnis brächte neben proaktivem Klimaschutz zahlreiche Vorteile für unsere Gesundheit, aber auch die Wirtschaft: Ein Faktencheck.

Das Allheilmittel

Beschäftigt man sich mit Studien zum Radfahren, so wirkt es, als stünde die Lösung aller Menschheitsprobleme angekettet vor unserer Haustüre. Für jedermann/jederfrau leistbar bietet das Fahrrad eine gesunde und effektive Option der Fortbewegung. Es stärkt unseren Körper und hebt unsere Stimmung: So schüttet unser Hirn beim Radln nachweislich Glückshormone aus und beruhigt unsere Psyche. Der perfekte Ausgleich zu einem stressigen Arbeitstag.

Doch nicht nur das: durch das sogenannte „aktive Pendeln“ zum Arbeitsplatz reduziert sich das Krebsrisiko der Radfahrenden um bis zu 45 Prozent, wie eine britische Studie belegt. Auch die Wahrscheinlichkeit einer Herzkrankheit halbiert sich, das Risiko an Diabetes zu erkranken schrumpft nachweislich. Kein mir bekanntes Medikament kann da mithalten. Hinzu kommt ein spürbarer Anstieg der Lebensqualität durch die reduzierte Lärm- und Abgasbelastung vor unserer Haustüre – zahlreiche Metropolen haben die Vorteile bereits erkannt und umgedacht.

Doch das Wundermittel Fahrrad tut nicht allein unserem Wohlempfinden gut. Der von der WHO entworfene Kalkulator HEAT (Health Economic Assesment Tool for cycling and walking) zeigt ansehnlich den volkswirtschaftlichen Nutzen eines Ausbaus der Radinfrastrukturen auf: Jeder geradelte Kilometer erspart dem Gesundheitssystem 30 Cent. Allein ein Ausbau des Wiener Netzwerks um zehn Prozent würde dabei für jeden investierten Euro einen Output in der Höhe von 22 Euro bedeuten. Durch das Erreichen des Regierungsziels – 13 Prozent Radverkehrsanteil bis 2025 – würde sich der jährliche Gesundheitsnutzen gar auf 1,4 Milliarden (!) Euro erhöhen.

Stadt, Land, Bund

Wieso also ist das Fahrrad in Österreich aktuell noch ein Nischenthema, wenn es offensichtlich so viele Vorteile mit sich bringt? Ich tippe auf mangelndes Bewusstsein. Dabei liegt allein mit Blick auf den Klimaschutz in der Verkehrswende ein zentraler Hebel. So gilt der Verkehr als Österreichs Emissions-Sorgenkind: 2019 sind die Schadstoffwerte zum fünften Mal in Folge gestiegen, anstatt zu sinken. Dabei liegt auch hier die Lösung auf der Hand. 40 Prozent aller Autofahrten sind hierzulande kürzer als fünf Kilometer, jede fünfte Fahrt gar kürzer 2,5 Kilometer – einer Raddistanz von nicht einmal 10 Minuten.

Dabei gilt es jedoch zwischen Land und Stadt zu unterscheiden. Während außerhalb der urbanen Gebiete das Fahrrad kaum zum Zug kommt (ja, die Doppeldeutung ist bewusst), brachte der Corona-Lock Down in Wien zuletzt einen regelrechten Fahrrad-Boom mit sich. 1,25 Millionen Radler*innen wurden allein im vergangenen Juli an den 13 Zählstellen in der Stadt registriert. Zusätzliche Anreize wie der Bau von Pop Up-Radwegen auf Hauptverkehrsrouten haben verdeutlicht, dass die Nachfrage dem Angebot folgt. Eine klare Message an die Politik, dass hier ein Hebel für eine Trendwende liegt.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in ländlichen Gebieten. Vor allem hier wird aufgrund mangelnder Radinfrastrukturen zumeist aufs Auto gesetzt. Durch die Schaffung sicherer Alternativen, könnte viel bewegt werden. Konkret heißt das: Sichere Radwege statt Todesangst auf der Bundesstraße. Geschützte Radabstellplätze an Bahnhöfen bieten zudem hohes Potenzial, Pendler*innen zum Umstieg zu motivieren (und somit auch die Städte zu entlasten). Städte wie Utrecht zeigen bereits seit Jahren das Potenzial auf – eine dreistöckige Rad-Garage bietet hier Platz für über 12500 Räder.

Auf Regierungsebene wurden vergangenen Mai die Grundlagen für eine erfolgreiche Verkehrswende gelegt. Neben massiven Investitionen in den Bahnverkehr wurde auch das Radbudget auf über 40 Millionen Euro verzehnfacht. Allein die Aufstockung verspricht laut Umweltministerin Gewessler Potenzial für bis zu 18.000 neue Arbeitsplätzen. Der Ball liegt nun vor allem auch in den Städten und Gemeinden. Das Geld ist da, die Vorteile liegen auf der Hand: Worauf warten?