Der Linzer Naturfotograf und Wanderführer Ludwig Eidenhammer will das Errichten von Balkonkraftwerken erleichtern: Auch wenn es in Österreich schon etwa 60.000 dieser Anlagen gibt, stehen sie rechtlich auf unsicheren Füßen: Etliche Jurist:innen meinen nämlich, dass für die Errichtung die Zustimmung aller Eigentümer:innen einer Wohnhausanlage benötigt wird – andere sehen das genau umgekehrt. Ludwig Eidenhammer lanciert deshalb auf „Mein Aufstehen“ eine Petition für eine Gesetzesänderung im Wohnungseigentumsgesetz: Wie bei E-Auto-Ladeboxen auch, soll eine einfache Mehrheit genügen.

oekostrom AG Balkonkraftwerk

Dein Balkonkraftwerk zum Einstecken in die Steckdose. Perfekt für alle Solarpionier:innen!

Ludwig Eidenhammer, Sie sind Initiator einer Petition, die eine Reparatur des Wohnungseigentumsrechts fordert: Die Errichtung von „Balkonkraftwerken“ soll erleichtert werden. Weil derzeit ein Haus-Miteigentümer allen anderen das Installieren von Solar-Kleinkraftwerken auf Balkon oder Terrasse verbieten kann. Was ich nicht verstehe: Die Anbieter solcher Anlagen, aber auch etliche Jurist:innen sagen, dass das legal ist, solange man nur das eigene Balkongeländer und die eigene Terrasse nutzt.

Genau das ist das Thema: Es gibt Jurist:innen, die sagen, dass es erlaubt ist, andere sagen, dass dem nicht so ist. Bevor man einen langen und teuren Rechtsstreit riskiert, verzichten viele auf diese einfache und effiziente Option, zur Energiewende beizutragen: Hier geht es um Rechtssicherheit. So wie man für die Errichtung von E-Auto-Ladestationen das Wohnungseigentumsgesetz repariert hat, damit nicht ein einziger Miteigentümer aus purem Nicht-Wollen heraus alle blockieren kann, muss das auch bei Balkonkraftwerken geregelt werden.

Fangen wir vorne an. Mit einem Zitat aus Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“. In Ihrem Fall geht es nicht ums Frommsein, sondern um Solarpaneele am Balkon. Wie lautet Ihre Geschichte?

Solarenergie ist seit über 30 Jahren mein Thema. Ich habe sogar eine Zeit lang als Energieberater gearbeitet. In unserer Linzer Haus-Eigentümergemeinschaft haben wir vor Jahrzehnten eine der ersten Photovoltaikanlagen errichtet sowie eine solarthermische Anlage. Vor kurzem kam dann die Idee auf, auch Balkonkraftwerke zu installieren. Auch, weil es da mittlerweile marktfähige Produkte gibt. Ich habe mir im Bauhaus ein Balkonkraftwerk gekauft und es einfach auf die Terrasse gestellt.

Klingt einfach und simpel.

Ja. Genau deshalb haben auch andere gesagt, sie wollen das auch. Dann haben wir eine Abstimmung im Haus gemacht – und bei dieser Abstimmung hat ein ewiger Neinsager Nein gesagt. So jemanden gibt es immer. Der hat auch schon vor Jahren zu verhindern versucht, dass wir eine Ladestation für Elektroautos installieren. Wir haben damals die Briefe seiner Anwälte ans Justiz- und das Klimaministerium geschickt. Mit der Botschaft: Wir wollen bei der Energie- und Mobilitätswende mitziehen, aber ihr müsst dafür Rahmenbedingungen schaffen. Das passierte dann auch.

Wo genau war oder ist das Problem?

Das Wohnungseigentumsgesetz sah – und sieht – vor, dass für praktisch alle baulichen Änderungen Einstimmigkeit der Eigentümer:innen Voraussetzung ist. Auf Deutsch: Einer, der nicht will, kann alles blockieren. Egal aus welchem Grund.

Für das Errichten von „Wallboxen“ für Elektroautos wurden dieser Passus rasch geändert: Jetzt reicht ein Mehrheitsentscheid. Oder man macht das in der eigenen Parkbucht selbst. Es genügt – verknappt gesagt – eine einfache Information an alle Eigentümer:innen. Natürlich kann das wer beeinspruchen, aber es gibt klare Richtlinien, womit man durchkommt und womit nicht: die sinnlosen Streitigkeiten haben praktisch aufgehört.

Und für Balkonkraftwerke gilt das nicht?

Nein. Dafür braucht man immer noch die Zustimmung von 100 % der Eigentümer:innen.

Hm, das verstehe ich nicht: Von Seiten der Anbieter solcher Anlagen heißt es doch, dass Balkonkraftwerke erlaubt sind. Am Geländer gelten die Paneele demnach als „Sichtschutz“ und wie ich meinen Balkon „möbliere“, ist im Großen und Ganzen auch meine Sache. Solange ich die Fassade nicht beschädige.

Ja, das hört man oft. Und es macht ja auch Sinn. Österreichweit gibt es derzeit rund 60.000 Balkonkraftwerke – und bisher auch kaum Klagen. Gut so. Aber es geht um etwas Anderes. Um echte Rechtssicherheit statt dem österreichischen Durchwurschteln: Im Wohnungseigentumsgesetz steht im Paragraph 16 Absatz 2 ein Passus, der 100-prozentige Zustimmung für so gut wie jede Maßnahme verlangt. Das bedeutet, dass ein Einzelner am Klagsweg relativ einfach allen anderen zumindest Probleme machen kann. Und dann wird es rasch kompliziert und teuer. Und es ist aufwändig: Bei uns in der Eigentümergemeinschaft gibt es ja nicht nur den Ludwig Eidenhammer, sondern 16 weitere – in anderen Anlagen sind das oft noch mehr Eigentümervertreter. Und irgendwer ist immer dagegen.

Aber was sind die Gegenargumente?

Man braucht keine. Es genügen persönliche Animositäten.

Womit wir bei Friedrich Schillers Wilhelm-Tell-Zitat wären.

Genau. Der Gesetzgeber ist da dringend gefordert. Das gehört geändert. Anderswo ist es längst so: 2019 waren in Deutschland 3.000 Balkonkraftwerke in Betrieb. Da gab es die ersten Klagen. Die Bundesregierung hat schnell erkannt, dass das keinen Sinn macht. 2020 waren in Deutschland dann 8000 Anlagen in Betrieb. 2021 schon 20.000. Und 2022 über 100.000 Anlagen. Im August 2023 waren es weit über 300.000 angemeldete Anlagen in Deutschland.

Der deutsche Justizminister, Marco Buschmann, hat gesagt „Fortschritt braucht Freiheit“ und hat unter diesem Motto das Wohnungseigentumsgesetz geändert: Seither genügt die einfache Mehrheit.

Bei uns ist das anders. Da kann eine Minderheit die Mehrheit tyrannisieren – das ist ein riesiges Machtinstrument. Erst recht, wenn man das an eine Rechtsschutzversicherung weitergeben kann. Dann wird ewig gestritten – und die Gerichte sind mit Sinnlosem blockiert.

Österreich hinkt also wieder mal hintennach. Trotzdem: Belügen die Hersteller von Balkonkraftwerken die Konsument:innen, wenn sie sagen, dass das Installieren von Balkonkraftwerken legal ist?

Das ist nicht ganz klar: Im Endeffekt entscheidet das Gericht und dem kann man nicht vorgreifen. Wir haben mit etlichen Juristen gesprochen – und die Rückmeldungen waren zu 100 % unterschiedlich. Das reichte von „es ist ok“ bis „das geht gar nicht“. Von „Verhinderer haben keine Chance“ bis zu „das Verfahren verlieren Sie haushoch“. Also liegt es am jeweiligen Richter und den Instanzen – und das ist ein echtes Problem.

Schauen wir einfach aus dem Fenster – und überlegen, was es da für Potenziale gibt: In jeder Stadt, in fast jedem Haus. Können wir es uns leisten, auf diese Energieressourcen weiter zu verzichten?

Ludwig Eidenhammer

Wieso?

Als Einzelner sag ich vielleicht: Ok, ich verliere und muss das Ding wieder abbauen. Erledigt.

Aber was bedeutet das energiepolitisch? In Deutschland liefern mittlerweile über 400.000 Balkonkraftwerke den Strom, den fast 100.000 Haushalte brauchen. Das entspricht Linz oder Graz.

Schauen wir einfach aus dem Fenster – und überlegen, was es da für Potenziale gibt: In jeder Stadt, in fast jedem Haus. Können wir es uns leisten, auf diese Energieressourcen weiter zu verzichten? Wir müssen umdenken: Wo Balkone errichtet werden, haben wir sogar die Verpflichtung, Kollektoren zu installieren.

Aber das geht nicht, wenn das der einzelne Richter entscheidet: Wenn wir die Energiewende wollen, brauchen wir Rechtssicherheit. Wenn wir die Energiewende wollen, müssen wir Paneele platzieren, wo auch immer es geht.

Stattdessen werden denen, die das machen wollen, Steine in den Weg gelegt.

Es ist also eine politische Frage.

Ja. Darum haben wir unsere Petition lanciert. Weil andere das gleiche Problem haben: Bei uns haben sich Eigentümergemeinschaften aus anderen Gemeinden in Oberösterreich gemeldet, die das gleiche Thema haben. Da geht es um Anlagen mit bis zu 200 Wohnungen – also 200 Eigentümer:innen. Die wollen Balkonkraftwerke im größeren Stil montieren, haben auch die Firmen, die das machen würden. Das wäre für alle günstiger. Aber sie trauen sich nicht, weil es immer einen gibt, der dagegen ist und eventuell klagt.

Wir machen es eben öffentlich: Auch Leonore Gewessler war schon bei uns und hat gesagt, dass das super ist. Wir haben sie aber darauf aufmerksam gemacht, dass es immer noch Rechtsunsicherheit gibt …

Und?

Wir haben als kleine Gruppe im Dezember diese Petition gestartet, um so viel Aufmerksamkeit wie möglich auf das Thema zu lenken. Man findet sie online auf „Mein Aufstehen“ unter „Balkonkraftwerke für alle“.

Medien und Unternehmen wie die oekostrom AG sind da als Multiplikatoren extrem hilfreich. Parallel dazu verschicke ich Postkarten. So klassische, alte Postkarten. Haptisch – mit unserem Foto drauf.

Die gehen an jeden Politiker und jede Politikerin, die sich positiv zum Thema Klima- und Energiewende äußert: Ich danke und gratuliere, weise aber darauf hin, dass wir gerne mitmachen würden, die Rahmenbedingungen aber von der Politik kommen müssen.

Ich wiederhole meine Frage: Und?

Die Reaktionen sind immer gleich: Es antworten wirklich alle. Alle finden Balkonkraftwerke super. Vom Landeshauptmann bis zum Bezirksrat, vom Bürgermeister bis zu Klimaministerin Leonore Gewessler – und sogar von Bundeskanzler Karl Nehammer bekommen wir zustimmende bis begeisterte Antworten.

Und?

… und das war es dann. Es passiert: Nichts. Bisher jedenfalls.

Aber immerhin hat Justizministerin Alma Zadic auf eine VKI-Anfrage unlängst geschrieben, dass es Anpassungen geben wird, wenn es Handlungsbedarf gibt. Bisher ist davon aber noch nichts zu bemerken. Dabei geht es nur um einen einfach zu ändern Passus.

Geht es da nur um Balkonkraftwerke oder auch um Anlagen auf Dachflächen?

In unserem Fall nur um Balkonkraftwerke. Aber es stimmt: Wir lassen riesige Dachflächen einfach brachliegen. Auch das liegt an der „100-prozentigen-Vorschrift“: Von zehn Eigentümern in Ried im Innkreis sind neun dafür und EINE ist dagegen …

Bitte das sind enorme Produktionsflächen! Und man könnte ja auch Lösungen finden, dass die die, nicht mitmachen wollen, keine Anteile an der Anlage und dem Ertrag haben. Das wäre alles lösbar – und zwar einfach. Aber zuerst muss man die Anlagen überhaupt errichten können. Denn wir brauchen sie: Wir sind nicht mehr in der Situation, es uns leisten zu können Energie NICHT zu nutzen.

Wir diskutieren über das Verbauen landwirtschaftlicher Flächen durch Photovoltaikanlagen – aber auf dieser Ebene tut sich nichts.

Als Naturfotograf war ich viel mit Drohnen unterwegs: Ich weiß, wie viele Dachflächen es gibt, bei denen das auch optisch keine Rolle spielen würde – und wie wenig wir davon nutzen!

Und wie geht es weiter?

Wir sammeln Unterschriften und freuen uns, dass vom Kanzler abwärts – inklusive der Oppositionsparteien und ihrer Energiesprecher im Parlament – alle sagen, dass wir super sind. Also hoffen wir, dass sie irgendwann auch erkennen, dass das nicht genügt, sondern sie endlich ins Handeln kommen müssen: Die Gesetzesreparatur könnte schon im Frühjahr kommen – und dann wird das Thema Balkonkraftwerke sehr sehr schnell richtig Fahrt aufnehmen.

Zur Petition: https://mein.aufstehn.at/petitions/balkonkraftwerk-fur-alle-fur-eigenversorgung