Andreas Forster aus der Handelsabteilung der oekostrom AG und Matthias Kisslinger vom privaten Erneuerbaren-Erzeuger „ImWind“ erklären, wieso „Power Purchase Agreements“ (PPA) für Erneuerbaren-Erzeuger und gewerbliche oder industrielle Verbraucher „Win-Win“-Situationen schaffen. Aber auch, wieso es für „normale“ Verbraucher:innen wichtig ist, zu wissen, wie Energiewirtschaft funktioniert – und warum es PPAs ermöglichen, weit in die Zukunft zu denken und zu planen.

Matthias, Andreas – die meisten Menschen können mit dem Begriff „Power Purchase Agreement“, kurz PPA, nichts anfangen: Der Strom kommt aus der Steckdose. Dorthin schickt ihn ein hoffentlich vertrauenswürdiger Lieferant, im besten Fall die oekostrom AG. 

Welche Rolle spielt „ImWind“ dabei?

Matthias Kisslinger: “ImWind“ ist ein Windkraft- und PV-Pionier in Österreich – uns gibt es seit 1995, wir betreiben ca. 140 Windräder in Österreich und sind einer der größten privaten Erzeuger von Erneuerbarer Energie im Land. Bis vor wenigen Jahren gab es ein gänzlich anderes Fördermodell für Erzeuger erneuerbarer Energie, direkte Abnahmeverträge mit Endkund:innen spielten hier keine Rolle. Der Fokus unserer Tätigkeit lag in der Entwicklung und Realisierung von Wind- und PV-Projekten und dem Betrieb der Anlagen. Mit der Änderung des Förderregimes hin zum EAG kam das Element der Vermarktung dazu, ein Energielieferant wie es z.B. die oekostrom AG ist, sind wir aber dennoch nicht.

Unter anderem auch, weil die energiewirtschaftlichen Prozesse andere übernehmen. Etwa die oekostrom AG. Und da kommt Andreas ins Spiel, oder?

Andreas Foster: Ja, ich bin bei der oekostrom AG in der Direkt- und Flexibilitätsvermarktung tätig. Das ist ein wesentlicher Faktor, um die Energiewende zu schaffen. Deshalb sitze ich im Handelsteam, im „Tradingroom“ der oekostrom AG: Hier wird die Energie für die Vermarktung vorbereitet – und dann auf den einzelnen Märkten sozusagen „untergebracht“. Ganz allgemein zusammengefasst ist das auch Business Development, weil wir oft ziemliches Neuland betreten. So wie mit diesem Thema, dem Power Purchase Agreement.

Was ist ein PPA“?

Matthias Kisslinger: Ein Power Purchase Agreement ist ein Energieliefervertrag. Da drängt sich die Frage auf: „Was ist daran neu?“

Neu ist die Konstellation der beteiligten Vertragsparteien. Im Wesentlichen gibt es drei Rollen in der Energiewirtschaft: Erzeuger, Lieferant und Netzbetreiber. Ein herkömmlicher Energieliefervertrag wird zwischen dem Abnehmer und dem Lieferanten abgeschlossen, der die Energie beschafft und über den jeweiligen Netzbetreiber an den Abnehmer liefert. Bei einem Corporate-PPA, einem Vertrag z. B. mit einem großen Industrieunternehmen, wird ein meist langfristiger Vertrag direkt zwischen dem Erzeuger und dem Abnehmer geschlossen, um die erzeugte Energie direkt zu kontrahieren. Der Abnehmer benötigt jedoch weiterhin einen Lieferanten für die energiewirtschaftlichen Dienstleistungen, um diese Energie zu übernehmen und physisch über das Netz zu liefern.

Matthias Kisslinger, ImWind

oekostrom AG: Ein Mann mit Brille, Schnurrbart und rasiertem Kopf, der einen marineblauen Blazer und ein hellblaues Hemd trägt, steht vor einer weißen Wand und lächelt leicht.

In Österreich ist das noch sehr neu.

Andreas Forster: Normalerweise kommen Endkund:innen zum Händler, etwa der oekostrom AG, und sagen „wir brauchen Strom“. Der Einkauf des Händlers ist aber immer abhängig von den jeweils aktuellen Strompreisen an der Börse. Und die Preise sind seit der Energiekrise sehr volatil.

Bei PPAs ist das anders. Darum wenden sich vor allem Industriebetriebe, also energieintensive Betriebe, direkt an Anlagenbetreiber wie „ImWind“ und sagen, „Hey, ich will Energie aus deinem Kraftwerk“. Das ist eine andere, eine neue Form der Beschaffung.

Matthias Kisslinger: Ein Industriekunde beginnt typischerweise 2 bis 3 Jahre im Vorhinein seinen Energiebedarf anhand von Terminprodukten – verteilt auf mehrere Beschaffungszeitpunkte – an der Börse einzudecken. Das Ziel der Einkaufsstrategie ist, hierfür möglichst gute Zeitpunkte zu treffen und einen wettbewerbsfähigen Energiepreis zu erlangen. Die Verwerfungen an den Energiemärkten in den letzten beiden Jahren haben jedoch gezeigt, dass es auch sinnvoll sein kann, eine langfristige Beschaffungskomponente zu ergänzen, die nicht von internationalen oder (geo-)politischen Entwicklungen beeinflusst ist.

Mit einem PPA haben Unternehmen die Möglichkeit, sich langfristig den Bezug erneuerbarer Energie aus einer konkreten Anlage zu sichern und gleichzeitig sich für einen Teil ihres Energieverbrauchs gegen Preisschwankungen der Energiemärkte abzusichern. Ein PPA schafft somit auch Planungssicherheit.

Matthias Kisslinger

ImWind

Wieso ist das Industrie und Gewerbe so wichtig?

Matthias Kisslinger: Abgesehen von der Notwendigkeit, die Verfügbarkeit von Energie zu planbaren Preisen sicherzustellen, kann man seit einigen Jahren beobachten, dass die vielfältigen internationalen und nationalen Steuerungsmaßnahmen, wie z. B. Emissionshandel, GHG-Protocol, Lieferketten-Gesetz, ESG-Vorgaben, CO2-Grenzausgleich und viele viele mehr, beginnen ineinanderzugreifen.

Um weiterhin Aufträge zu erlangen, wettbewerbsfähig zu bleiben oder beispielsweise zu günstigeren Finanzierungen zu kommen, setzt die Industrie unglaublich viel in Bewegung, um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. PPAs leisten hierzu einen Beitrag.

Und was bringt das der anderen Seite, den Erzeugern?

Andreas Forster: Ein PPA ist nicht nur für den Abnehmer, sondern auch den Produzenten ein Instrument, dessen Komponenten immer wichtiger werden, wenn es darum geht, Sicherheiten über einen langfristigen Zeitraum aufzubauen. Langfristige finanzielle Sicherheiten sind für die Produzenten erneuerbarer Energien ein Schlüsselelement, um in den nächsten Jahren Projekte abzusichern und Standorte und Anlagen zu planen und zu errichten. Das ist enorm wichtig für die Energiewende, die Dekarbonisierung und das Erreichen der Klimaziele.

Matthias Kisslinger: Das ist absolut richtig, auch für uns ist es wichtig, sich zum Teil von der Volatilität der Energiemärkte zu entkoppeln. Darüber hinaus braucht es auch PPAs, um die Finanzierung und Umsetzung von bestimmten Projekten überhaupt erst zu ermöglichen.

Kurz gesagt: Langfristigkeit gibt Sicherheit in der Planung. Aber schützt sie nicht auch vor Preisspitzen, weil man nicht in Zweijahresschritten sondern über 10 oder 15 Jahres abschließt?

Matthias Kisslinger: Die Preisentwicklung für so lange Zeiträume vorherzusehen ist nicht möglich, das haben wir in den letzten beiden Jahren – nach einem Jahrzehnt sehr niedriger Preise – miterlebt. Im Zuge der Verhandlungen eines langfristigen Liefervertrags begibt man sich in dieser Hinsicht auf die Suche nach den Überschneidungen der Interessenslagen, was die Sicherheit des Energiebezugs und der Preise betrifft. Und diese Überschneidungen gibt es.

Andreas Forster, oekostrom AG

Ein Mann im Anzug und hellblauem Hemd lächelt leicht vor einem hellgrünen Hintergrund.

Und wie weit ist man da konkret, ihr sagt beide, das sei Neuland.

Andreas Forster: Das Thema ist wirklich sehr neu. Durch die Energiekrise der letzten knapp zwei Jahre hat es aber Aufwind erhalten: Es gibt zwar schon einzelne PPAs, sie sind aber noch immer nicht Standard in der Branche.

Es hört sich vielleicht trivial an: Endkunde schließt mit Windkraft- oder PV-Anlagenbetreibern einen Vertrag – und bekommt Strom.

Aber in Wirklichkeit stecken da komplexe Prozesse, Strukturen und auch Entscheidungen dahinter.

Und da kommen wir, also die oekostrom AG, ins Spiel: Dieses komplexe energiewirtschaftliche Know-How, ist bei den meisten Herstellern und Verbrauchern im eigenen Haus so nicht vorhanden. Da braucht man einen kompetenten Dienstleister – etwa die oekostrom AG.

Matthias, da muss ich kurz einhaken: „ImWind“ ist ein Windenergie-Pionier in Österreich – aber Andreas sagt, dass Erzeugern das Know-How fehlt, um das Produkt an den Verbraucher oder in den Markt zu kommen. Ein Widerspruch?

Matthias Kisslinger: Bei PPAs geht es zum einen darum, in Verhandlungen und Verträgen eine Vielzahl an energiewirtschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen zu bewerten und Lösungen dafür zu finden. In diesem Feld haben wir die Erfahrung und das Know-How. Wir als Erzeuger verfügen aber – zumindest noch – nicht über die Systemwelt und direkten Marktzugänge, um die erforderlichen energiewirtschaftlichen Dienstleistungen umzusetzen. Diese sind klassischerweise bei Händlern oder Lieferanten angesiedelt. Wir waren daher auf der Suche nach einem Unternehmen, das die energiewirtschaftlichen Dienstleistungen für zwei unserer PV-PPAs mit 10 MW bzw. 30 MW Leistung durchführt. Wir sind froh die oekostrom AG als kompetenten Partner gefunden zu haben.

Andreas Forster: Natürlich ist das grundsätzliche Know-How bei der „ImWind“ bis ins letzte Detail vorhanden. Aber wie Matthias sagt: Es geht um die Systeme. Systeme sind teuer. Sie brauchen Erfahrung und Routine. Und die hat nicht jeder Betrieb.

Trotzdem: Wieso ist es für mich, der ich nur meine Kaffeemaschine daheim anstecken will, wichtig, all das zu wissen?

Matthias Kisslinger: Für den Hausgebrauch ist es tatsächlich nicht übermäßig relevant zu wissen, wie ein PPA im Detail funktioniert, aber sich mit dem Thema Energie auseinander zu setzen, halte ich für sehr wichtig. Als Gesellschaft haben wir in den letzten ein oder zwei Jahren viel über die Energiewirtschaft gelernt. Die Komplexität und Abhängigkeiten sind uns als „Branchen-Insider“ zwar bewusst, aber man hat gemerkt wie schwer die vielfältigen Zusammenhänge der Allgemeinheit zu vermitteln sind.

Insofern hatte die Energiekrise auch einen positiven Effekt: das Thema Energie ist im Mainstream angekommen und deutlich mehr Menschen wissen ein bisschen mehr darüber, z. B. wie ein Großhandelsmarkt für Energie funktioniert, wie sich Preise bilden oder wie groß die Abhängigkeit von gewissen Energieträgern ist.

Matthias Kisslinger

ImWind

Andreas Forster: Auch aus einem anderen Grund ist es wichtig, dass sich Endkund:innen mit dem Thema auseinandersetzen: Nur gemeinsam schaffen wir die Energiewende. Aber da muss ich ein gewisses Verständnis mitbringen.

Wieso? Sonne und Wind scheinen oder blasen nicht immer. Wir haben also Hürden, die wir überwinden müssen. Etwa indem wir unseren Verbrauch anpassen. Oder in Richtung Baunormen gehen – das sind aber nicht nur Hürden und Probleme, sondern auch Chancen und Möglichkeiten.

Wenn man erkennt, wie Systeme im Großen funktionieren, kann ich Chancen auch als Verbraucher:in nutzen – und das spüre ich dann im Geldbörsel. Etwa wenn ich Energie nutze, wenn sie am günstigsten ist – diese Flexibilisierung wird kommen – aber auch da sind wir noch ganz am Anfang. PPAs haben auch damit zu tun, aber sind primär ein weiterer Baustein, wie wir die Energiewende schaffen können.

Inwiefern?

Andreas Forster: Das spannende an der Energie-Wirtschaft ist, dass im Gegensatz zu, beispielsweise Öl, Einspeisung und Ausspeisung immer gleich sein müssen.

Wir müssen im großen Ganzen denken und planen. Wir müssen also mit allen Akteuren einer PPA-Gemeinschaft schauen, dass der Energiefluss immer zu 100 %, und zwar in jeder Viertelstunde, genau abgestimmt ist. Dass keine Differenzen zwischen Planung und Ist-Zustand, Erzeugung und Verbrauch besteht.

Wie geht es eurer Meinung mit PPAs weiter?

Matthias Kisslinger: Wir haben in den letzten Monaten einige PPAs mit Industriekunden – mit Laufzeiten von 10 bis 15 Jahren – abgeschlossen und befinden uns in fortgeschrittenen Verhandlungen mit weiteren Interessenten. Die Beruhigung der Energiemärkte hat dazu geführt, dass die Panik abgenommen hat. Aus meiner Sicht ist das auch ein Vorteil, da sich die Unternehmen nun mehr Zeit für eine fundierte Entscheidung nehmen können.

Operativ gesehen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten PPAs umzusetzen und da der Markt noch sehr jung ist, existieren noch keine Standards. Wir haben rasch gemerkt, dass bei Andreas und seinen Kolleg:innen bei der oekostrom AG das Know-How vorhanden ist, um neue Modelle umzusetzen. Die oekostrom AG war sehr flexibel und motiviert die erforderlichen Prozesse aufzubauen, die garantieren, dass die Abwicklung funktioniert. Da sind wir anderen Playern in Österreich vermutlich ein paar Monate voraus.

Andreas Forster: Unser großer Vorteil ist: Wir sind kleines Team und flexibel. Darum können können wir derartige Dienstleistungen in einer kurzen Zeit ausarbeiten und anbieten – und dann auch umsetzen. Wir stehen in Österreich da aber wirklich sich noch am Beginn, aber wenn ich auf eine europäische Ebene schaue, kommt gerade viel in Bewegung. PPAs könnten beim Strommarktdesign der Zukunft ein zentraler Baustein werden.

Warum? Eben weil es für energieintensive Verbraucher existenziell wichtig sein kann, Preise langfristig abgesichert zu wissen. Mit Partnern die – wie etwa „ImWind“ – auch das Potenzial haben, zu liefern: Man braucht auch immer die garantierten Erzeugungskapazitäten.

Das ist ein Zukunftsthema, von dem wir vor allem im Industrie- und Gewerbebereich in den nächsten zwei bis drei Jahren noch viel reden werden.