Auch wenn es kaum jemand weiß: Das Restaurant „Luftburg Kolarik“ im Wiener Prater ist das größte Bio-Restaurant der Welt. Es erhält immer wieder einschlägige Öko- und Bio-Preise. Zuletzt den „EU Organic Award“.  Dass all ihre Lebensmittel Bio sind, aber auch das Energie- und Abfallkonzept den Prinzipien von Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft entsprechen, ist für Senior-Chefin Elisabeth Kolarik aber eigentlich nicht besonders: „Ich habe schon immer so gedacht und gehandelt“, erklärt die oekostrom AG-Kundin im Interview – und verrät noch etwas Unbekanntes: Sie war 1977 die Erfinderin der Hüpfburg – eher aus Versehen.

Frau Kolarik, die Familie Kolarik betreibt mit dem Restaurant Luftburg – Kolarik im Prater das größte Bio-Restaurant der Welt. Sie haben dafür gerade einen wichtigen Preis bekommen, den „EU Organic Award“. Trotzdem assoziieren die meisten Wienerinnen und Wiener den Namen Kolarik mit Stelze – aber nicht mit Nachhaltigkeit. Wieso?

Vielleicht ja auch, weil es für uns immer ganz selbstverständlich war, so zu handeln. Lange bevor man das „nachhaltig“ genannt hat. Wir waren selbst überrascht, als wir bei unserer intensiven Recherche herausfanden, dass wir das größte vollzertifizierte Bio-Restaurant der Welt sind.

Wenn mich heute jemand fragt, ob wir nachhaltig sind, weiß ich oft immer noch nicht, was ich darauf überhaupt sagen soll: Es war bei uns ja nie anders.

Elisabeth Kolarik

Woher kommt dieses Selbstverständnis?

Aus meiner Erziehung, aus der Familientradition – aber auch aus meinem ganz persönlichen Zugang zur Natur. Es war für mich immer selbstverständlich, dass das Leben auf unserem Planeten ein Kreislaufsystem ist – und dieser Kreislauf würde ganz hervorragend funktionieren, wenn der Mensch im Einklang mit der Natur leben würde.

Was nicht funktioniert, ist der Mensch und sein Einflussnehmen auf diese Kreisläufe. Wo er mehr Ertrag als vorgesehen aus irgendetwas haben möchte – und beginnt, mit künstlichen, chemischen Mitteln und Zusätzen zu arbeiten. Mit Dingen, die in der Natur nicht vorgesehen sind.

Die Natur hat aber alles perfekt geregelt: Es gibt zum Beispiel auf der ganzen Welt Kräuter. Wozu künstliche Aromen? Der Mensch mischt sich ein – dann gibt es Probleme. Dabei ist die Natur gescheit genug.

 

Der Mensch, der mit seiner Intelligenz kaputt macht, was ihn am Leben erhält – weil er glaubt, die Schöpfung verbessern zu müssen?

Intelligent? Wenn wir wirklich intelligent wären, würden wir von dem, was der Planet so perfekt kann und tut, lernen. Wenn wir wirklich so intelligent wären, würden etliche Dinge einfach nicht passieren. Wir würden dann nicht ständig gegen die Natur arbeiten.

Es beginnt beim grundsätzlichen Verständnis für Lebensmittel: Es gibt im Sommer Erdbeeren - und im Winter keine. Wenn man das akzeptiert, hat das noch einen Vorteil: man freut sich auf die Dinge.

Elisabeth Kolarik

Es geht ja auch niemand am 30. Jänner baden. Ok: Eisschwimmen, aber das ist nicht „Baden“. Da passt man sich ja auch an die Natur an.

 

Bleiben wir bei Erdbeeren im Winter: Viele Gastronomen greifen zu importierten Erdbeeren mit einem bösen Fußabdruck. Es heißt dann, dass das Publikum das eben erwarte – und man konkurrenzfähig bleiben muss.

Ja, die Kund:innen verlangen es – aber regional und saisonal ist auch wichtig. Das kann man auch gut kommunizieren. Man muss das Augenmaß wahren: Wir brauchen zum Beispiel Zitronen, nur wachsen die schlicht und einfach nicht in Österreich.

Aber man kann schon darauf achten, dass sie nachhaltig und sauber angebaut werden, dass der Transport vernünftig stattfindet: Jede Woche ein Kisterl aus Italien – oder doch lieber ein großer Sammeltransport? Und: Dort ist die natürliche Sonnenenergie trotz des Transportaufwandes nachhaltiger, als wenn wir in Österreich beginnen, Glashäuser zu betreiben.

Bei vielen anderen Dingen muss das aber wirklich nicht sein: Es gibt so viele Getreidearten und Früchte, die bei uns wachsen. Und mein Standpunkt war immer schon: Man sollte das essen, was im Land wächst.

 

Nachhaltigkeit ist auch Thema, wenn man darüber redet, woher die Energie kommt, die ein Unternehmen verwendet – und wie es entsorgt: Sie haben 120 Quadratmeter PV-Anlagen am Dach, aus altem Speiseöl wird Biodiesel gemacht.

War das wirklich immer selbstverständlich – oder mussten sie da überzeugt werden?

Für mich war das immer ganz klar, dass wir das brauchen und das so machen. Aber nur weil es für mich klar ist, heißt das ja noch nicht, dass es für alle klar ist. Aus diesem Grund haben wir immer schon unsere Mitarbeiter:innen auf diese Reise mitgenommen und ihnen erklärt, was unsere Beweggründe sind.

Es geht mir darum, dass die Leute auch verstehen, WARUM wir etwas tun. Nicht einfach verordnen – auch die Gründe sind wichtig.

Warum trennen wir Müll? Warum bringen wir Alteisen zum Recycler? Wieso trennen wir Papier? Aber auch: Leute denkt dran, die Rückseite eines bedruckten Blattes kann man immer noch als Schmierpapier verwenden …

Dass man Dinge reparieren kann, ist auch wichtig. Wobei: früher war das leichter – heute wird viel so erzeugt, dass man es gar nicht mehr reparieren oder wiederverwenden kann. Das ist mitunter ärgerlich – oder ein Widerspruch zu dem, was unser Anspruch ist.

 

Zum Beispiel?

Wir bekamen Ware oft in Plastikkübeln geliefert – aber die durfte man nicht wiederverwenden, weil sie nicht zertifiziert waren. Die mussten wir dann, ob wir wollten oder nicht, in den Müll geben. Es ist eben nicht immer so, dass die Gesetze umweltfreundliches Agieren leicht macht oder begünstigt. Mittlerweile haben wir es geschafft, dass auch bei vielen unserer Lieferanten ein Umdenken stattgefunden hat und wir gemeinsam die Verpackungseinheiten optimiert haben.

Das heißt, dass Sie sowohl bei Mitarbeiter:innen als auch Verwaltung und Gesetzgeber Überzeugungs- oder Erziehungsarbeit leisten – tun Sie das auch bei den Gästen?

Natürlich! Heute ist da vieles selbstverständlich, aber wir haben den Gästen von Anfang an immer gesagt: Wenn es zu viel ist, packen wir es dir gerne ein. Niemand muss sich genieren, Lebensmittel nicht wegzuwerfen. Ganz im Gegenteil.

Viele haben da ja immer gesagt, sie hätten einen Hund – aber natürlich hatten sie gar keinen. Man geniert sich für diese Form der Nachhaltigkeit! Das mit dem Genieren ändert sich mittlerweile zum Glück – aber es gibt immer noch viele, die sich nicht trauen oder die das für beschämend halten. Ok, dann haben sie eben einen Hund.

Bei uns gab es aber seit jeher Pergamentpapier, um das einzupacken, was am Teller zurückblieb. Mittlerweile haben wir umweltfreundliche und biologische Verpackungen genau für diesen Zweck. Essen wegschmeißen vertrage ich nämlich gar nicht.

 

Wieso?

Das war immer schon so. Schon bei meinem Vater. Das war für mich immer klar: Was auf den Teller kommt, wird gegessen – gerne auch später. Aber es kommt nicht in den Müll.

Das erkläre ich auch meinen Mitarbeiter:innen immer: Sie können sich nachholen so viel sie wollen – aber weggeschmissen wird nichts. Es wird eingepackt. Da gibts nix. Da kenne ich nix – und meine Mitarbeiter:innen kennen mich da mittlerweile sehr gut. (lacht) Aber ich glaube, sie verstehen es: Es geht da auch um die Wertschätzung für das, womit wir arbeiten: Lebensmittel.

Ich mache einen großen Sprung. Auch im Wortsinn: Was kaum jemand weiß, ist, dass Sie die Erfinderin der Hüpf- und Luftburgen sind. Was ist das für eine Geschichte?

Ich war mit meinem Vater auf einer Brauereimesse. Dort war ein Heißluftballonerzeuger aus England. Mein Vater hat sich mit ihm unterhalten – und ich auch. Ich habe ihn gefragt, was er so näht – und er erzählte von Katzen- und anderen Formen für Ballone. Reißfest, widerstandsfähig.

Meine Tochter war als Kind sehr lebendig. Und immer, wenn ich nicht geschaut habe, ist sie auf ihrem Bett gesprungen. Alle hatten Angst, dass es einmal durchbricht. Drum habe ich ihn gefragt, ob er auch eine Blase nähen kann, auf der man springen kann. Er sagte: „ich kann alles nähen.“

Da ist diese Idee entstanden: Etwas, wo man vorne reingeht und dann drinnen herumhüpfen kann. Fürs Kinderzimmer.

Ich hab ihm das aufgezeichnet – als Skizze. Ich dachte an die Größe eines Doppelbettes.

Monate später, es war im Jahr 1977, kam er daher und hat das Ding abgeladen. Ich war sprachlos. Wir hatten nie über die wirkliche Größe geredet. Und er hatte das, was ich als Zentimeter gemeint hatte, als Inch oder Feet gelesen. Das Ding war riesengroß: Acht mal 11 Meter. Aber jedes Missverständnis hat einen Sinn – und so kam es zu den Hüpfburgen, die man heute überall sieht.

 

War da die Businessidee sofort da?

Nein, das war ja nur für mich. Aber der damalige Wiener Kulturstadtrat Helmut Zilk war Stammgast meines Vaters. Damals war der Rathausplatz noch eine leere Betonfläche ohne Anschlüsse oder sonst was. Der Zilk sagte meinem Vater, er suche dort etwas. Keine Tiere. Keine Löcher im Asphalt. Für Kinder, leicht umsetzbar, leicht abbaubar, kosten dürfe es nix – der Vater solle sich was einfallen lassen.

Mein Vater zeigte ihm meine Hüpfburg – der Zilk sagte: Das passt.

Also haben wir das Ding auf den Rathausplatz gebracht. Ich erinnere mich noch, wie er mir vom Balkon ein Stromkabel runtergeschmissen hat: Damals gab es am Rathausplatz ja gar nix.

 

Das war der Anfang?

Ja, das war der Anfang: Irgendwer hat das gesehen und gesagt, er will auch sowas. Ich sagte: Meine geb‘ ich nicht her, aber ich fahre nach England und besorge eine. So ist das dann immer größer geworden: Da kamen Leute aus Ungarn, aus der ganzen Welt – sogar aus Afrika. Es gab dann rasch viele, viele Formen: Burgen, Elefanten, Häuser, Giraffen – mit und ohne Rutsche.

 

Wie viele Hüpfburgen gibt es denn?

Puh, das weiß ich nicht: Natürlich haben das dann auch bald andere nachzubauen begonnen – aber ich habe sicherlich um die 100 entworfen und schneidern lassen.

 

Und war Nachhaltigkeit da ein Thema?

Ja, klar: Ich habe mir ja schon bei der ersten zeigen lassen, wie man die repariert. An der Nähmaschine daheim. Und was mir extrem wichtig war und ist: Auch die Hüpfburgen sind zum Teil aus wiederverwertetem, aber immer auch wiederverwendbarem Material – wenn man sie wirklich nicht mehr braucht, kann man daraus immer noch etwas anderes machen. Taschen zum Beispiel. Das ist vor einigen Jahren ja richtig modern geworden – allerdings mit alten LKW-Planen.

 

Hat sich das Verständnis für Nachhaltigkeit in den letzten Jahren eigentlich geändert?

Früher war vieles selbstverständlich. Heute muss man das wieder betonen und den Leuten beibringen. Dass man das Licht abdreht, zum Beispiel. Dass man eine Zahnpastatube aufschneiden kann, bevor man sie als „leer“ wegschmeißt …
Das klingt vielleicht komisch, aber das ist nicht nur nachhaltig, sondern auch eine Frage des Respektes vor denen, die mit der Herstellung von Dingen beschäftigt waren: Wenn eine Kartoffel am Teller liegt, hat die Erde etwas hergeben. Der Bauer hat gearbeitet. Das wurde geliefert – dann hat jemand in der Küche damit was gemacht. Aber wir sagen: Es ist nur eine Kartoffel – und schmeißen die Hälfte weg? Das geht gar nicht!

Nicht nur wegen des Geldes oder der Kosten – sondern wegen diesen Menschen. Ihrer Arbeit. Und auch dem, was wir mit unserem Verhalten ausdrücken. Was wir mit der Natur machen, wie wir mit ihr leben.

Wenn wir das wieder verstehen lernen, dann wird es auch wieder funktionieren. Dann bleiben wir auf diesem Planeten.