Die EU-Taxonomie legt Kriterien für klimaverträgliche Investments fest und “soll damit ein neues gemeinsames Klassifizierungssystem mit einheitlichen Begrifflichkeiten, das Anleger überall verwenden können, wenn sie in Projekte und Wirtschaftstätigkeiten mit erheblichen positiven Klima- und Umweltauswirkungen investieren wollen” sein.

1. Einleitung zur EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie ist ein Klassifikationssystem für nachhaltiges Wirtschaften, welches im Rahmen des Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen der EU entwickelt wurde. Zwei Jahre lang hat eine eigens berufene Technical Expert Group (TEG) unter Einbeziehung verschiedenster Stakeholder*Innen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft an der finalen Publikation des ersten Teils der Taxonomie gearbeitet.
Der im März 2020 erschienene Bericht und der dazugehörige (593 Seiten starke) Annex sollen als grundlegendes Regelwerk für eine nachhaltige und klimafreundliche Ausrichtung des Wirtschaftssystems der EU dienen. Ziel der Taxonomie ist es, eine einheitliche Definition dafür bereitzustellen, was als nachhaltige Wirtschaftstätigkeit gilt.

2. Warum braucht es die EU-Taxonomie?

Um die Pariser Klimaschutzziele und eine Erderwärmung von 1,5° Celsius nicht zu überschreiten, werden weltweit Investitionen in der Höhe von 6,35 Billionen Euro (das entspricht ungefähr 2mal dem BIP von Deutschland) pro Jahr benötigt, im Zuge des EU-Green Deals sollen bis 2027 insgesamt mindestens 100 Milliarden Euro mobilisiert werden – diese enormen Summen können nicht von der öffentlichen Hand allein getragen werden. Die EU-Taxonomie und die dazugehörigen Verordnungen zur Berichterstattung schaffen die Grundlage, um auch privates und institutionelles Kapital in Richtung Nachhaltigkeit zubewegen.
Für Anleger*innen soll die EU-Taxonomie Transparenz schaffen und anzeigen, ob ein bestimmtes Investmentprodukt den Nachhaltigkeitsanforderungen der EU entspricht.

3. Anwendung der EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie setzt sich aus den folgenden sechs Themenkomplexen bzw. Zielsetzungen zusammen:

  • Climate change mitigation (Milderung des Klimawandels)
  • Climate change adaptation (Anpassungen an den Klimawandel)
  • Sustainable use and protection of water and marine resources (Nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen)
  • Transition to a circular economy (Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft)
  • Pollution prevention and control (Vermeidung und Kontrolle von Umweltverschmutzung)
  • Protection and restoration of biodiversity and ecosystems (Schutz und Wiederherstellung von Artenvielfalt und Ökosystemen)

Um als nachhaltig klassifiziert zu werden, muss eine Wirtschaftstätigkeit folgende Vorgaben erfüllen:

  1. Die Wirtschaftstätigkeit muss einen substanziellen Beitrag zu einem der sechs Themenkomplexe leisten.
  2. Die Wirtschaftstätigkeit darf gleichzeitig in den übrigen fünf Themenkomplexen keinen signifikanten Schaden anrichten.
  3. Die Wirtschaftstätigkeit muss sozialen Mindeststandards in Bezug auf Arbeits- und Menschenrechten entsprechen.

Mit dem aktuellen Annex für technische Prüfkriterien werden die ersten beiden, klimaspezifischen Themenkomplexe abgedeckt. Technische Prüfkriterien für die restlichen Themenkomplexe sollen bis Ende 2021 erarbeitet und vorgelegt werden.
Um die Messung des substanziellen Beitrags sowie eines (potenziellen) signifikanten Schadens zu ermöglichen, wurden von den TEG detaillierte Grenzwerte für ausgewählte Wirtschaftstätigkeiten definiert. Diese Grenzwerte müssen Unternehmen, die unter die Non-financial Reporting Directive der EU fallen (Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter haben, oder im öffentlichen Interesse stehen; börsennotierte Unternehmen, sowie Banken & Versicherungen) ab dem Finanzjahr 2021 öffentlich berichten. Finanzmarktteilnehmer müssen gleichzeitig veröffentlichen in welcher Art und Weise und zu welchem Anteil ihre Produkte (Fonds, Portfolien, etc.) EU-Taxonomie-konform sind. Die ersten interessanten Case-Studies dazu können hier nachgelesen werden.

4. Geplante Weiterentwicklungen der EU-Taxonomie

Von der TEG wurden zwei Punkte für die zukünftige Weiterentwicklung der Taxonomie besonders hervorgehoben:

  1. Zusätzlich zu den umweltspezifischen Zielsetzungen soll die Taxonomie um soziale Zielsetzungen erweitert werden.
  2. „Braune“ Screening-Kriterien sollen entwickelt werden, um jene Wirtschaftstätigkeiten zu definieren, die ökologisch besonders schädlich sind.

5. Abschließende Gedanken zur EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie ist ein wichtiger Schritt hin zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem in der EU und als Transparenzinitiative auch aus Sicht von Kleinanleger*Innen begrüßenswert. Für Unternehmen und Finanzmarktakteure bringt sie einen nicht unerheblichen Aufwand, um den neuen Berichterstattungspflichten nachzukommen. Es wird sich in den kommenden Jahren zeigen, ob die Qualität der dargebotenen Informationen tatsächlich den hohen Erwartungen der TEG und der EU-Kommission gerecht werden wird.
Als Sozialunternehmen mit Fokus auf innovative und nachhaltige Lösungen am Finanzmarktbegrüßen wir bei ESG Plus die Entwicklung der EU-Taxonomie. Wir werden die Berichterstattung zur EU-Taxonomie, sowohl von Unternehmen als auch von Finanzmarktteilnehmern behalten und vor allem auch die Weiterentwicklung der Taxonomie um die restlichen vier Ziele genau im Auge behalten. Wir hoffen, dass diese Initiative der EU die Transformation hin zu einem nachhaltigen Finanzmarkt anstößt und weiter vorantreibt.

Quelle: Taxonomy: Final report of the Technical Expert Group on Sustainable Finance, March 2020