Man möchte es nicht glauben, aber ausgerechnet die Ukraine, die gerade eine neue international finanzierte Schutzhülle (Sarkophag) über den explodierten Tschernobylreaktor installieren musste, plant die Errichtung zweier weiterer Reaktoren. Das Wort „Neubau“ wird bewusst vermieden, denn es sollen die bestehenden AKW-Bauten fertiggestellt werden.

Am Standort Khmelnitsky sind bereits zwei WWER-1000/V-320 Reaktoren (1&2, baugleich wie Temelin) in Betrieb. Die Errichtung der Blöcke 3 und 4 begann 1985/1986, wurde jedoch 1990 wieder eingestellt, da nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl ein Errichtungsmoratorium beschlossen wurde.

2005 kam der Beschluss der ukrainischen Regierung für den Weiterbau. Es sollte vom russischen Atomkonzern Atomstrojexport ein WWER-1000/V-392 geliefert werden, doch dazu kam es auf Grund der schweren Krise zwischen Russland und Ukraine nicht mehr. Auch aus diesem Grund darf nun kein russischer Reaktor mehr angekauft werden und stattdessen soll das „tschechische“ Unternehmen Škoda JS a.s einspringen. Abgesehen davon, dass Škoda auch bereits dem russischen Atomimperium einverleibt wurde, gilt es nicht als Lieferant von AKW, sondern Sublieferant und gibt generell schon länger an, keine Reaktoren mehr zu liefern. Außerdem ist dieser Reaktortyp ein älteres Modell als der zunächst angedachte WWER-1000/V-392.

Anzumerken ist auch, dass der Finanzierungsplan für die beiden Reaktoren über den Export des Stroms des seit 2004 laufenden Blocks 2 in die EU finanziert werden soll, ein Plan, der zurzeit noch sehr vage ist, aber zeigt, dass der Kernkraftstrom in der Ukraine offensichtlich nicht selbst gebraucht wird.

Für Österreich wäre ein schwerer Unfall ein ernstes Problem, wie die österreichische Fachstellungnahme erklärt: „Da keine Analysen zu den schwersten Unfallszenarien vorgelegt wurden, ist die Schlussfolgerung der UVP-Dokumente betreffend grenzüberschreitender Folgen nicht angemessen. Die Berechnungen des Österreichischen Ökologie-Instituts (1998) zeigten, dass ein schwerer Unfall (Worst Case Szenario) in den KhNPP-3&4 mehrere Regionen Europas kontaminieren würde. Für die Ostregion Österreichs würden laut Berechnungen ca. 1.000 kBq/m² Cäsium-137 erreicht werden (das entspricht etwa dem Fünffachen des im Jahre 1986 gemessenen höchsten Wertes). Auch zeigten die Berechnungen des flexRISK-Projekts, dass nach einem schweren Unfall die durchschnittliche Bodenkontamination mit Cäsium-137 in den meisten Gebieten Österreich das Interventionsniveau für landwirtschaftliche Maßnahmen erreichen würde (dh. vorgezogene Ernte, Schließen von Gewächshäusern). Somit wäre Österreich von schweren Unfällen in den KhNPP-3&4 betroffen.“

Mit Österreich und anderen interessierten Staaten läuft gemäß ESPOO-Konvention eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).

Es gibt auch einen öffentlichen Termin dazu in Wien, bei dem man sich informieren und Fragen stellen kann: Diese öffentliche Erörterung findet im Sitzungssaal der Bezirksvertretung im Amtshaus für den 2. Bezirk, Karmelitergasse 9, 1020 Wien, am Mi 13. Juni 2019 statt; Beginn um 16:30 Uhr, Ende spätestens 22:00 Uhr.

Offene Fragen, die zu stellen sind, gibt es genügend, z.B. betreffend:

  • Atommüllentsorgung
    Diese ist vollkommen offen, nicht einmal die Frage der Zwischenlagerung ist geklärt.
  • Zustand der mehr als 20 Jahre alten Bauteile:
    Für die Fertigstellung der KhNPP-3&4 sollen die bereits in den 1980er Jahren errichteten Gebäude und Strukturen verwendet werden. Ist das überhaupt möglich und wie wurde der aktuelle Zustand überprüft? (s. Foto, das Korrosion in großem Stil bei Block 3 zeigt)
  • Reaktortyp
    Das verbesserte Sicherheitskonzept des WWER-1000/V-392B (mit passiven Sicherheitssystemen) für die Fertigstellung wurde 2008 ausgewählt und genehmigt, wohingegen das nun geplante Design WWER-1000/V-320 moderne Sicherheitsstandards nicht einhält. Wie kann das begründet werden?
  • Strombedarf
    Gibt es überhaupt einen Bedarf nach weiteren Kraftwerken. Warum enthalten die Unterlagen keine Nullvariante, dh. warum wurde die Frage einer alternativen Stromversorgung nicht betrachtet.

Diese rostigen Hüllen sollen also die „tschechischen“ Reaktoren beherbergen – im Bild Chmelnitzy Block 3, wie er jetzt aussieht.

Die Teilnahme ist ohne Anmeldung möglich und wichtig. Es braucht Menschen, die die offenen Fragen ansprechen und so einen Beitrag dazu leisten, dass statt jahrzehntealter Reaktorkonzepte eine zukunftsfähige Stromversorgung in Europa realisiert wird.

Quelle: kernfragen.at