Das Land der Kohleminen und Kohlekraftwerke oder vielmehr dessen Regierungen und der größte Energieversorger des Landes planen seit gut einem Jahrzehnt den Einstieg in die Atomenergie. Das ist im Vergleich zum Rest der Welt gegen den Trend.
Bemerkenswert dabei: Nur in Polen wurde das erste Atomkraftwerk, das Moskau für den “Bruderstaat” vorgesehen hatte, verhindert: Baubeginn der vier VVER-440/213 war 1982, und das Projekt wurde 1989 gestoppt. Die Bauruine des geplanten AKW Zarnowiez liegt an der Ostsee.
Atomkraft-Hoffnung Polen
Für die westliche Nuklearindustrie ist Polen natürlich eine große Hoffnung und sei es nur auf PR-Ebene, denn sonst dominieren Staaten, die den Ausstieg vollziehen. Polen hat keinerlei Infrastruktur im Atombereich, es fehlt natürlich eine Atomaufsichtsbehörde, wie auch die TSO (Technical Support Organization), d.h. die diversen Expertenorganisationen, die auch erst alle aufgebaut werden müssten.
Bisher beschränken sich die Vorbereitungen auf eine rege Teilnahme diverser Regierungsvertreter an Seminaren und Austauschprogrammen etwa nach Paris, um Know-how von der Grande Nation nucléaire zu bekommen. Der aktuelle AKW-Typ, der EPR, ist noch immer kein Vorzeigeprojekt, auch weil er selbst in Frankreich noch immer nicht läuft (Flamanville 3) und mit zahlreichen technischen Problemen kämpft. Aber eines ist für Polen aus historischen Gründen klar: Es wird keinen russischen Reaktor geben, auch wenn von dort prompter geliefert wird.
Pro-Atomkraft-Kampagne
Seit Jahren betreibt die Regierung eine massive pronukleare Kampagne, um die Bevölkerung von den Vorteilen zu überzeugen. Je nach Umfrage sind die Ergebnisse ganz unterschiedlich, man kann aber nicht von einer überwältigenden Ablehnung sprechen. Sonst gilt, dass Papier geduldig ist, denn die Vorbereitungen laufen seit 2009. Die drei möglichen Standorte liegen alle an der Ostsee, ein Standort in einer Dünenlandschaft (Choczewo) wurde bereits 2016 wieder zurückgezogen. Somit gibt es noch zwei Standorte: Zarnowiec oder Kopalino.
Unrealistische Fakten
Technologieneutral betrachtet könnte man selbstverständlich argumentieren, dass Atomkraftwerke weniger CO2 in die Luft blasen würden als die laufenden Kohlekraftwerke: Doch selbst der NECP, der Nationale Klima- und Energieplan zur Erfüllung der EU-Klimaziele 2040, den alle EU-Staaten vorlegen müssen, spricht von der Inbetriebnahme des ersten Atomkraftwerks 2033, um dann alle zwei Jahre einen weiteren Block ans Netz zu nehmen. 2043 wären denn 6.000 bis 9.000 MWe als sechs Reaktorblöcke installiert.
Da es bisher weder einen tatsächlichen Finanzierungsplan noch Lieferanten oder Standort gibt, ist der ganze Plan vollkommen unrealistisch. Denn selbst Länder mit eingeführten kommerziellen Atromkraft-Programmen veranschlagen für die Errichtung 20 Jahre ab Planungsbeginn. Daher ist hier auch die EU-Kommission in der Pflicht, einen Plan B einzufordern, da sonst die Kohlekraftwerke endlos weiterlaufen oder sogenannte Brückentechnologien wie Gaskraftwerke errichtet werden.
Quelle: kernfragen.at
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