GLOBAL 2000 veröffentlicht lange verheimlichten AKW Mochovce-Bericht
30.11.2020 • von Reinhard Uhrig
Der slowakische Geheimdienst-Chef kritisiert massive Sicherheitslücken. Seit 1985 wird im slowakischen Mochovce an zwei weiteren Atomreaktoren gebaut. Erst auf Druck der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 und slowakischen NGOs wurde Ende 2019 eine Sicherheitsmission der IAEO durch ein Team aus erfahrenen Atom-Ingenieuren und Fachleuten vom Reaktor 3 und 4 durchgeführt. Dabei wurde vor allem die Betriebssicherheit, nicht das Design der Anlage untersucht. Jetzt liegt GLOBAL 2000 der besorgniserregende Bericht vor, der massive Sicherheitsmängel aufzeigt.
Im Juni diesen Jahres stellte GLOBAL 2000 eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz, um den Ergebnis-Bericht dieser Untersuchung zu erhalten – die Betreibergesellschaft verweigerte jedoch die Herausgabe, aus durchgesickerten Informationen konnte geschlossen werden, dass der Bericht kritisch ist. GLOBAL 2000 hat dann mit Unterstützung einer slowakischen NGO-Juristin den Bericht der durchaus atomfreundlichen IAEO-Mission erhalten. Der Bericht stellt ein vernichtendes Zeugnis über den aktuellen Zustand auf der Mochovce-Baustelle aus: 22 Problemfelder mit mehreren dutzend Problem-Beispielen und vielen Verbesserungsnotwendigkeiten werden vom Pre-Operational Safety Review Team aufgelistet. Durch die Veröffentlichung hat nun auch die slowakische Öffentlichkeit Zugang zum Bericht und in erster Reaktion schockiert festgestellt, dass die Einschätzungen der Kritiker aus Österreich bestätigt werden.
Der Bericht stellt ein vernichtendes Zeugnis über den aktuellen Zustand auf der Mochovce-Baustelle aus.
Ernst Merkinger
Der Bericht kommt zum Schluss, dass aktuell das Atomkraftwerks-Management nicht auf eine sichere Inbetriebnahme von Reaktor 3 vorbereitet ist: Es werden keine hohen Standards gesetzt, die einen sicheren Betrieb garantieren würden. Die Sicherheitskultur des Managements und der Aufsicht wird angezweifelt. Der Bericht zeigt folgende Probleme auf:
Der neue Chef des slowakischen Geheimdiensts SIS beklagte diese Woche in einem Interview massive Probleme in Mochovce: Vladimír Pčolinský sprach einerseits die grassierende Korruption beim Bau des Atomreaktors an, die dieses Jahr bereits zu mehreren Razzien der slowakischen Kripo auf der Baustelle und Korruptions-Ermittlungen gegen führende Manager führte. Andererseits sieht der Geheimdienst-Chef ein völliges Kontrollversagen bei der Bauleitung und auch bei der Atomaufsicht des Landes. „Es war einfach ein Chaos, Lieferanten lieferten minderwertige und nicht zertifizierte Produkte, die Aufsicht führten einige Inspektionen eher auf dem Papier als wirklich durch“, kritisiert der Chef des Geheimdiensts. Der Nachrichtendienst der Slowakei SIS befasse sich schon lange mit Mochovce und informiere über die festgestellten Missstände oft bis zu viermal im Monat, allerdings ohne adäquate Reaktion der höchsten Vertreter des slowakischen Staates. Nicht so sehr Korruption und Betrug auf der Baustelle seien das Problem – damit befasst sich bereits die Polizei – sondern die nukleare Sicherheit selbst.
Der IAEO-Bericht belegt, dass dem Papier nicht vertraut werden kann, auf dem die Bauleitung die angebliche Einhaltung von Sicherheitsvorschriften beschreibt.
Ernst Merkinger
Das ist besonders relevant für die von GLOBAL 2000 mit Whistleblowern aufgedeckten möglichen Statik-Schäden an der hermetischen Hülle des Reaktors durch unkontrollierte Bohrungen, die ja ebenfalls „auf dem Papier“ sicher sein sollen. Nach der Veröffentlichung dieses vernichtenden Untersuchungsberichts ist eine vollkommene, transparente Neuüberprüfung der veralteten Anlage notwendig. GLOBAL 2000 fordert bis dahin einen sofortigen Baustopp für die Chaos-Baustelle, auf der offenkundig immer noch Pfusch und Korruption außer Kontrolle sind.
Hier finden Sie den Report of the Pre-Operational Safety Review Team Mission to Unit 3 of the Mochovce Nuclear Plant, Slovak Republic, 18 November to 5 December 2019.
Fotos von den Sicherheitsmängeln finden Sie hier.
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