Gestern erteilte die slowakische Atomaufsicht UJD eine Betriebserlaubnis für den seit 1985 im Bau befindlichen Atomreaktor Mochovce 3, trotz der zahlreichen ungelösten Probleme und Skandale rund um das Bauprojekt. Sobald diese Erlaubnis wirksam wird, kann die Betreibergesellschaft Kernbrennstoff in die Anlage einführen und den Reaktor in Betrieb nehmen.
Nach einer ersten Analyse der Unterlagen durch ExpertInnen der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 ist dieses Vorgehen der Atomaufsicht UJD in keinster Weise nachvollziehbar und absolut unverantwortlich: „In den letzten Jahren haben wir zusammen mit ehemaligen und aktiven Ingenieuren der Chaos-Baustelle Mochovce eine Vielzahl von technischen Problemen sowie Missmanagement aufgedeckt“, sagt Reinhard Uhrig, Atom-Sprecher von GLOBAL 2000. „Aufgrund der grassierenden Korruption ist kein Bauteil und noch nicht einmal ein als Zertifikat ausgegebenes Stück Papier zuverlässig. Die slowakische Atomaufsicht versagt seit vielen Jahren – der slowakische Staat muss im Sinne ganz Europas die Kontrolle über die Baustelle übernehmen.“
Ungelöste Probleme im Reaktor
Beispielhaft sind hier einige der in den letzten Jahren aufgedeckten Probleme genannt:
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- unkontrollierte Bohrungen mit bis zu 10 cm Durchmesser und ein Meter Tiefe in den Wänden der hermetischen Kammern des Reaktors, aufgedeckt von einem Whistleblower (Statik-Ingenieur der Baustelle) am 03.04.2019. Diese Aussage widerspricht den, vom Betreiber vorgelegten Bohr-„Zertifikaten“, denen zufolge es lediglich in 22 Fällen zu Beschädigungen des vergleichsweise dünnen, in den Stahlbeton-Wänden verbauten Befestigungs-Stahls gekommen sei. Jedoch ist es noch immer ungeklärt, ob diese Zertifikate nicht gefälscht wurden.
Neue Foto-Belege von Anfang 2021 sowie die Bestätigung der Betreiberfirma bei einer Baustellen-Begehung, dass bei den über 60.000 Bohrungen sogar mehrere große Rohre getroffen und beschädigt wurden, machen dies unglaubwürdig. - über 30 Jahre alte Notstrom-Dieselgeneratoren in schlechtem Zustand, die jederzeit versagen können, aufgedeckt von einem Whistleblower (Maschinenbau-Ingenieur Mario Zadra) am 28.02.20 und belegt mit dem Video einer Explosion.
Bislang bleibt ungeklärt, ob die Warnungen der Herstellerfirma vor den „elektrisch unsicheren“ Generatoren und von slowakischen sowie österreichischen ExpertInnen für Elektrotechnik vor einem schlagartigem Versagen der sicherheitskritischen 5000 PS-Maschinen entkräftet werden können. - minderwertiges Material und Fälschungen von Zertifikaten in den Hochdruck-Rohrleitungen des Kühlkreislaufs, aufgedeckt durch Kripo-Razzien und Ermittlungen wegen Korruption 2019 und 2020. 288 Zertifikate wurden als gefälscht identifiziert, in 52 Fällen wurde minderwertiges Material verbaut, wodurch sich Baufirmen und Manager zulasten der Sicherheit bereicherten.
Unklar bleibt auch nach dem heute vorgelegten Aktionsplan der Atomaufsicht, welche weiteren Bauteile der hochkomplexen Atom-Anlage ebenfalls von der grassierenden Korruption betroffen waren. - chaotische Arbeitsbedingungen, laxe Arbeitskontrollen und Management-Versagen bis hinauf zum Top-Management, aufgedeckt von einem Whistleblower (Arbeits-Inspektor) am 07.06.2019. Die Aussagen dieses und anderer ArbeiterInnen wurden durch den Bericht der ExpertInnen-Mission der Internationalen Atomenenergie-Organisation IAEO bestätigt, der erst durch eine Informationsfreiheitsgesetz-Anfrage von GLOBAL 2000 veröffentlicht wurde. Der IAEO-Bericht listet 22 Problemfelder mit mehreren Dutzend Beispielen auf und kommt zu dem Schluss, dass das Atomkraftwerks-Management nicht auf eine sichere Inbetriebnahme von Reaktor 3 vorbereitet ist.
- Unsicherheit über den tatsächlichen Zustand des Reaktors, bestätigt durch Vladimír Pčolinský, den früheren Geheimdienst-Chef der Slowakei im November 2020:
„Es war einfach ein Chaos, Lieferanten lieferten minderwertige und nicht zertifizierte Produkte, die Aufsicht führte einige Inspektionen eher auf dem Papier als wirklich durch.“ - zusätzlich gefährlich ist schon das veraltete Sicherheitskonzept des Sowjet-Reaktordesigns aus den 1970er-Jahren ohne modernem Containment: unzureichender Schutz gegen Flugzeugabsturz oder Terrorangriff.
Mehrere Auflagen der Umweltverträglichkeitsprüfung, deren „Erfüllung“ in einem weiteren Dokument vorgelegt wurden, sind offenkundig nicht erfüllt.
Der Reaktortyp WWER 440/213 ist heute nicht mehr zur Inbetriebnahme in der EU zugelassen und kann nicht nachgerüstet werden. Eine Genehmigung erfolgt nun nur, weil das Projekt als „Weiterbau“ seit 1985 klassifiziert wird – was den gesteigerten Sicherheitsanforderungen aufgrund der Lehren aus der Reaktorkatastrophe von Fukushima und der Terror-Angriffe des 11. September 2001 nicht entspricht.
- unkontrollierte Bohrungen mit bis zu 10 cm Durchmesser und ein Meter Tiefe in den Wänden der hermetischen Kammern des Reaktors, aufgedeckt von einem Whistleblower (Statik-Ingenieur der Baustelle) am 03.04.2019. Diese Aussage widerspricht den, vom Betreiber vorgelegten Bohr-„Zertifikaten“, denen zufolge es lediglich in 22 Fällen zu Beschädigungen des vergleichsweise dünnen, in den Stahlbeton-Wänden verbauten Befestigungs-Stahls gekommen sei. Jedoch ist es noch immer ungeklärt, ob diese Zertifikate nicht gefälscht wurden.
Mochovce 3 wäre bei Inbetriebnahme eine tickende Zeitbombe – bekannte und noch nicht entdeckte Sicherheitsprobleme der endlosen Pfusch- und Korruptions-Baustelle machen ein Hochfahren des Reaktors absolut unverantwortlich.
Uhrig
„AKW-Betriebsgenehmigungen sind in der Slowakei seit 2014 zeitlich unbefristet – der Reaktor könnte bis 2081 betrieben werden, fast hundert Jahre nach Baubeginn. GLOBAL 2000 wird mit seinen österreichischen und internationalen UnterstützerInnen alle Rechtsmittel einlegen, um die Inbetriebnahme dieser verpfuschten Höllenmaschine und damit den möglichen nächsten Super-GAU in Europa zu stoppen.“
Hier geht’s zur Mochovce 3-Betriebserlaubnis der slowakischen Atomaufsicht.
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