Vor drei Tagen stellte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz in der Kronen Zeitung hinter die Forderungen der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 und spricht sich gemeinsam mit Bundesministerin Elisabeth Köstinger für internationale Untersuchungen des Atomreaktors 3 im slowakischen Mochovce aus.
Der Weiterbau des vor 34 Jahren begonnenen Projekts ist nach Whistleblower-Informationen und Untersuchungen der Vereinigung der Atomkraftwerksbetreiber völlig außer Kontrolle geraten.
„Es ist ein großer Schritt gegen die problematische Inbetriebnahme, dass der österreichische Bundeskanzler Mochovce 3 zur Chefsache macht und sich selbst für eine Untersuchung unter Beteiligung von österreichischen Experten einsetzt“, sagt Reinhard Uhrig, Atom-Sprecher von GLOBAL 2000. „Die von mehreren Ingenieuren mit langjähriger Erfahrung im Bau und Betrieb von Atomkraftwerken ans Tageslicht gebrachten Probleme müssen jetzt gründlich untersucht werden und eine interne Revision der slowakischen Atomaufsicht ist nötig, die das Bau-Chaos seit zehn Jahren zu verantworten hat. Wir rufen die Bevölkerung auf, weiter unsere Petition zu unterstützen und zu teilen, um ein möglichst starkes Zeichen an die Betreibergesellschaft sowie die Atomaufsicht zu senden.“
Slowakei beschwichtigt erneut
Beim Europäischen Nuklearforum ENEF vergangene Woche in Prag sagte der slowakische Premierminister Peter Pellegrini, dass er über die „Debatte“ zu Mochovce in Österreich „besorgt“ sei, die von „irrationale Fakten“ bestimmt wäre, und dass Politiker sich nicht in das Bauprojekt einmischen sollten. „Wir sehen es allerdings als absolut richtig und notwendig, dass die gesamte Bundesregierung sich hier in die Atom-Projekte im Nachbarland einmischt, da deren Auswirkungen ebenfalls grenzüberschreitend wären, sowohl durch den Export von Atomstrom als auch im Falle eines schweren Unfalls, vor dem die Uralt-Reaktortypen in Mochovce nicht zeitgemäß gesichert sind“, sagt Uhrig. „Entgegen der Mantra-artigen Beteuerungen der Betreibergesellschaft und der slowakischen Regierungsvertreter ist die Anlage nicht gegen den Absturz eines Verkehrsflugzeugs gesichert, obwohl sie direkt unter einer viel genutzten Flugroute liegt.“
Schulterschluss und internationale Koalitionen können Prüfung durchsetzen sowie Inbetriebnahme verhindern
Zuletzt gab die Betreibergesellschaft der Reaktoren, Slovenské elektrárne, eine erneute Verzögerung des Projekts um weitere acht Monate und eine weitere Kostensteigerung um 270 Millionen Euro auf 5,7 Milliarden Euro bekannt – Reaktor 3 soll jetzt Anfang 2020 ans Netz gehen. „Diese Kostenschätzungen werden aller Voraussicht nach weiter steigen, aktuelle technische Probleme von der Baustelle werden uns berichtet“, erzählt Uhrig. „Es ist weiter nicht klar, was bereits gebaut wurde – und in welcher Qualität, so müssen immer wieder bereits fertig gestellte Bauteile abgerissen und völlig neu gebaut werden. Die uns zugespielten Foto- und Videobeweise von der Baustelle belegen eine mangelhafte Sicherheitskultur und fehlende Koordination beim Bau der Hochrisiko-Technologie Atomkraft.“
GLOBAL 2000 hatte Anfang April auf Basis von Informationen mehrerer Whistleblower gravierende Bedenken über den Weiterbau von Reaktor 3 öffentlich gemacht. So könnte die Statik der „hermetischen Kammern“ rund um den Reaktordruckbehälter durch tausendfache Kernbohrungen mit Durchmessern von zehn Zentimetern und einer Tiefe von einem halben bis einem ganzen Meter in den eineinhalb Meter dicken Stahlbeton kompromittiert worden sei, da diese „blind“, ohne Metallsuchgerät durch die Stahlblenden hindurch erfolgten. „Anders als die slowakische Atomaufsicht behauptet, existiert nach Information der Ingenieure keine lückenlose Dokumentation via Video- oder Foto-Beweis dieser Bohrungen“, sagt Uhrig. „Jetzt gilt es, mit anderen atom-kritischen Ländern gemeinsam eine Offenlegung der Dokumente und eine Prüfung durchzusetzen.“
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