Es fliegen die Fetzen und alle Seiten lobbyieren darum, ob die Atomenergie nicht doch noch als nachhaltig eingestuft werden könnte. Die Atomlobby fürchtet zu Recht nicht nur PR-Schäden, sondern auch finanzielle Einbußen.

Ein Teil der Green Deals ist auch Green Finance, hier wiederum die sogenannte EU-Taxonomie. Sie soll auch über private Investoren klimatauglichen Technologien einen Vorteil schaffen, wie etwa die erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind.

Die EU-Kommission beauftragt Expert*innen mit der Ausarbeitung eines Technischen Berichts (TEG). Im März 2020 veröffentlichten die Expert*innen der EU-Kommission ihren Abschlussbericht, der Atomkraft aufgrund der Gefahren eines „signifikanten Schadens“ nicht in die Taxonomie einordnete – unter anderem wurde die ungelöste Atommüll-Frage als Grund angegeben.  Auch das am weitesten fortgeschrittene Projekt in Finnland ist durch neue Erkenntnisse zur Korrosion des geplanten Behälter-Materials Kupfer völlig in Unklarheit geraten. Hinzu kommen der ungelöste Atommüll sowie schwere Unfälle. Zu diesem Thema bietet das Position Paper einen guten Überblick.

Ist Atomkraft nachhaltig?

Zu den übrigen Umweltzielen hat das Klimaministerium eine Studie ausarbeiten lassen. Darin wurde die Literatur dahingehend untersucht, ob Atomkraft die Nachhaltigkeitskriterien der EU erfüllen kann. Betrachtet wurden radioaktive Routine-Emissionen aus dem Regelbetrieb von Atomkraftwerken, die Mensch und Umwelt belasten. Für schwere Unfälle wurde eine 50 %ige Wahrscheinlichkeit alle 60 bis 150 Jahre angeführt. Kreislauffähigkeit von Atomenergie ist offensichtlich unmöglich, da die Wiederaufbereitung als gescheitert zu betrachten ist und nur noch in Frankreich betrieben wird.

Atomkraft ist also nicht kompatibel mit einer von der EU vorgesehenen Kreislaufwirtschaft, die Abfälle minimieren soll. Die Mär von der emissionsfreien Atomkraft ist bekannt, aber zur Erinnerung: Die CO2-Bilanz liegt bei 57g CO2 pro Kilowattstunde (laut EDF, dem Betreiber der französischen Atomkraftwerke) bis weit über 100g CO2. Gerne ignoriert, aber aktueller denn je ist natürlich die Verbreitung von Nuklearmaterial und Aufbau eines Atomwaffenprogramms parallel zum zivilen zur Stromerzeugung.

Zwei Kühltürme auf einem Industriegelände in der Nähe eines Gewässers stoßen in der Abenddämmerung Dampf aus und verdeutlichen damit die potenziellen Bedenken hinsichtlich der „Atomkraft“ in Österreich.

Die Hintertür des Joint Research Center

Die Risiken und Gefahren der Atomenergie und die faktenbasierte Diskussion gefiel einigen pro-atomaren Mitgliedsstaaten nicht und zusammen mit der Atomlobby – etwa Foratom – gelang es eine Hintertür zu öffnen: Das bekannt pro-atomare Joint Research Center der Europäischen Kommission wurde damit beauftragt noch einmal zu untersuchen, ob nicht z. B. die Endlagerfortschritte in Schweden, Finnland und Frankreich eine Umbewertung zulassen könnten.

Diesen Bericht mit einem recht absehbaren Ergebnis möchte die EU-Kommission allerdings nicht wie die anderen Technologie einer öffentlichen Konsultation oder Peer-Review unterziehen, sondern unveröffentlicht soll dieser Bericht zwei Expertengruppen vorgelegt werden, die kurz gesagt mit dem Thema Atommüll oder gar Kreislaufwirtschaft gar nichts zu tun haben. Das wird einerseits die Art. 31 EURATOM-Gruppe sein, die aus Beamten besteht, die teilweise sicherlich mit Atommüll zu tun haben, aber dennoch ist unklar, wie weit diese Experten und Ressourcen dazu in Bewegung versetzen werden, ob dies überhaupt vorgesehen ist oder sich wie auch sonst auf 2 Seiten Text beschränken wird. Ähnlich die SCHEER-Gruppe, angesiedelt bei der DG Gesundheit, die vor allem aus Ärzten besteht. Die NGOs wehren sich dagegen und fordern von der EU-Kommission einen offenen und fairen Prozess, der eine Peer-Review umfasst. Die Aufnahme von Atomenergie über diese Hintertür würde die ganze Taxonomie diskreditieren.