GLOBAL 2000 fordert Vertragsstaatenkonferenz, wie im Regierungsprogramm der Bundesregierung vorgesehen.

Morgen wird der Europäische Gerichtshof sein abschließendes Urteil in der Klage der Republik Österreich gegen die Subventionen für das britische Atom-Projekt Hinkley Point C fällen. Wirtschaftliche Analysen zeigen seit langem, dass Atomreaktoren auf dem freien Markt nicht wettbewerbsfähig sind, die Stromerzeugung aus Kernspaltung also unwirtschaftlich ist. Die immer günstiger werdenden erneuerbaren Energiequellen wie Solar und Wind ziehen längst an der komplexen und unsicheren Technologie Atomkraft vorbei, wie die Analysten der US-Investmentbank Lazard in ihren jährlichen Reports zeigen.

Wirtschaftliche Realität wird ignoriert

Manche Regierungen versuchen dennoch weiter, diese wirtschaftliche Realität zu ignorieren und den AKW-Bau mit Steuergeld zu subventionieren – so wie das Vereinigte Königreich mit dem Projekt Hinkley Point C. Sogar die Subventions-Erlaubnis für Hinkley Point durch die Europäische Kommission argumentierte 2014, dass der freie Markt den AKW-Bau nicht ermöglichen würde – das sei ein „Marktversagen“, das mit Subventionen ausgeglichen werden müsse. Selbstverständlich handelt es sich vielmehr um ein Technologieversagen gegenüber den fortschrittlichen erneuerbaren Energiequellen.

EURATOM als lex specialis über allem Recht?

Im Fall von Hinkley Point C zog die Republik Österreich vor das Europäische Gericht und nun vor den Europäischen Gerichtshof. Laut im Mai bekannt gewordener Argumentation des Generalanwalts ist Atomstrom „anders“ als anderer Strom, und kann also separat behandelt und gefördert werden. In seiner Begründung, der der Gerichtshof in der Regel folgt, sieht er als Grund für die Subventions-Milliarden vorwiegend den EURATOM-Vertrag.

EuGH-Generalanwalt Hogan argumentiert sinngemäß, dass es eine halbdurchlässige Wand um das europäische Beihilfenrecht gäbe – manches Recht der EU gelte angeblich, manches aber nicht, darunter Umweltschutz, das Vorsorgeprinzip und das Verursacherprinzip, die Österreich in seiner Klage als Klagsgründe angeführt haben. Laut seinen Ausführungen sei EURATOM lex specialis, das über dem Lissabon-Vertrag der EU und anderem Recht stehe. Ferner sei die Entwicklung von Atomkraft laut EURATOM klar definiertes Ziel des Unionrechts, und dieses könne laut Generalanwalt anderen Zielen wie etwa dem Umweltschutz nicht untergeordnet sein.

Rechtsauffassung des EuGH-Generalanwalts sehr bedenklich

Diese Rechtsauffassung des EuGH-Generalanwalts ist natürlich sehr bedenklich und wird auch unter JuristInnen stark bezweifelt, siehe den Artikel des Rechtsprofessors Julian Nowag am Oxford Centre for Competition Law and Policy. Klar ist jedoch, dass die Rechtslage offenkundig so weiten Interpretationsspielraum offenlässt, dass Entscheidungen über Milliarden-Subventionen für weitere unwirtschaftliche Atom-Reaktoren wie im ungarischen Paks II oder im tschechischen Dukovany 5 drohen.

Vertragsstaatenkonferenz zur EURATOM-Reform einberufen – nach dem Brexit Mehrheit der atomfreien Staaten in der EU

Im Regierungsprogramm der Bundesregierung wird auf Seite 115 eine Reform des 1957 entstandenen EURATOM-Vertrages gefordert. Es geht jetzt darum, andere atom-kritische Staaten wie Deutschland zu einer gemeinsamen Initiative zu bewegen, um weitere Verschwendungen von Steuergeld zum Bau gefährlicher Reaktoren zu verhindern. Mit einfacher Mehrheit kann eine Regierungskonferenz zur EURATOM-Reform einberufen werden – nach dem Brexit stehen 13 EU-Mitgliedsstaaten mit Atomreaktoren 14 atomfreien Mitgliedsstaaten gegenüber.


Hintergrund Hinkley Point C – das teuerste Kraftwerk der Welt: Kostenexplosion beim Bau vor Explosionsgefahr im Betrieb

Die beiden Druckwasserreaktoren vom französischen Typ EPR für Hinkley Point C sollten bei der Projektvorstellung im Jahr 2013 noch 16 Mrd. Pfund (17,4 Mrd. Euro) kosten – diese Kostenschätzung musste mittlerweile schon dreimal nach oben an die Realität angepasst werden, zuletzt auf 21,5 bis 22,5 Mrd. Pfund (23,5–24,5 Mrd. Euro), bereits zwei Jahre nach Baubeginn also um 40 Prozent.

Andere Beispiele baugleicher – immer noch nicht fertig gestellter – Reaktoren in Frankreich und Finnland zeigen Kostenexplosionen um mehr als 200 bis mehr als 300 Prozent. Auch internationale Beispiele in den Vereinigten Staaten (Vogtle um 200 Prozent), der Slowakei (Mochovce um 203 Prozent) zeigen, dass Atom-Projekte bis zur Fertigstellung vielfach noch viel höhere Kostensteigerungen aufgrund von technischen Fehlern und unterschätzten Risiken erleiden – oder wie im Falle des US-amerikanischen Projektes V. C. Summer nach Kosten von 9 Milliarden Dollar aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben werden.

Neben massiven Sicherheitsbedenken ist Atomkraft auch aus wirtschaftlichen Gründen völlig ungeeignet als Mittel gegen die Klimakrise. Atomkraft ist die teuerste Art der Stromversorgung, insbesondere gegenüber Energieeffizienz und Einsparungen. Weiters sind Reaktoren zu komplex und langsam zu bauen, im für die Lösung der globalen Klimakrise relevanten Zeitraum der nächsten zehn Jahre ist diese umständliche sowie veraltete Technologie kontraproduktiv. AKWs verursachen außerdem Tonnen an radioaktivem Müll für hunderttausende Jahre, für den es weltweit noch immer keine Lösung gibt.