Der Verlust an biologischer Vielfalt ist aktuell so groß wie noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit, so sterben Studien zufolge täglich weltweit etwa 150 Arten aus. Dabei ist Biodiversität für uns Menschen auf vielfältige Weise lebenswichtig und ebenso eine wichtige Basis für unsere (Finanz-) Wirtschaft. Um auf diese Thematik aufmerksam zu machen, haben die Vereinten Nationen den 22. Mai in das Zeichen der biologischen Vielfalt gestellt. Es gibt noch zahlreiche Herausforderungen zu meistern, aber auch genauso vielfältige Lösungsansätze und jede*r Einzelne kann einen Beitrag dazu leisten.  

Die Lebensgrundlage: Biodiversität

Biodiversität und somit auch die Vielfalt an Arten und Ökosystemen ist essenziell für eine funktionsfähige und ausgewogene Umwelt und schlussendlich auch für uns. Denn die Natur leistet zahlreiche (unersetzliche) Funktionen für uns Menschen und unsere Lebensqualität (Ökosystemleistungen): So nutzen wir sie zur Erholung, sie versorgt uns aber auch beispielsweise mit Nahrung, Bau- bzw. Rohstoffen und medizinischen Wirkstoffen. Intakte Ökosysteme schützen uns darüber hinaus vor Naturgefahren, sorgen für saubere Luft und sauberes Wasser und tragen als Kohlenstoffspeicher zum Klimaschutz bei.

Menschliche Eingriffe in die Natur haben sich jedoch intensiviert und die damit einhergehenden Naturveränderungen bleiben für die Artenvielfalt nicht ohne Konsequenzen: So sind aktuell etwa 1 Million der insgesamt ca. 8 Millionen Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht, es wird in diesem Zusammenhang auch vom sechsten Massenaussterben der Erdgeschichte gesprochen.

„Wir befinden uns mitten im größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier. Das macht auch vor Österreich nicht halt. Denn wir verbauen, verschmutzen und übernutzen unsere Natur in großem Stil. Letztlich zu unserem eigenen Schaden.“, sagt Arno Aschauer, Artenschutzexperte des WWF Österreich.

Biodiversitätsverlust = wirtschaftlicher Verlust

Biodiversitätsverlust umfasst aber nicht nur Artensterben, sondern führt auch zu einer Reduktion der Produktivität der Ökosysteme und verringert die Qualität der Ökosystemleistungen. Eine solche Entwicklung ist auch aus wirtschaftlicher Sicht bedenklich, da Ökosystemleistungen und natürliche Ressourcen bzw. deren Vielfalt, welche auch als Naturkapital bezeichnet werden, gemeinsam mit Sachkapital wie Maschinen und Geld- sowie Humankapital die Grundlage der Wertschöpfung bilden. So sind 40 Billionen Euro und somit die Hälfte des globalen Bruttoinlandprodukts (BIP) naturabhängig.

Der Finanzmarkt investiert, finanziert oder versichert die Wirtschaftszweige, welche allesamt von Biodiversität abhängig sind.

Durch den Biodiversitätsverlust können somit auch essenzielle Finanzrisiken entstehen und das Risiko der Finanzmarktinstabilität erhöhen.

Viele Unternehmen und Finanzinstitute bekennen sich mittlerweile zu Biodiversitätszielen.

Hände halten behutsam eine kleine Pflanze in reichhaltiger Erde, umgeben von fallenden Regentropfen in einer natürlichen Außenumgebung – eine perfekte Szene, die eine Investition in die Artenvielfalt veranschaulicht.

Mehr Biodiversität in der (Finanz-) Wirtschaft

Die Anerkennung der Bedeutung der Natur steigt aber und so bekennen sich heute immer mehr Unternehmen und Finanzinstitute zu Biodiversitätszielen. Auf betrieblicher Ebene besteht beispielsweise für Unternehmen die Möglichkeit, ein Biodiversitätsmanagement zu etablieren. Dieses zielt durch eine systematische Prozess-, Produkt- und Projektgestaltung und entsprechende Maßnahmen (z.B. ein ökologisch ausgerichtetes Lieferkettenmanagement zur Förderung der nachhaltigen Rohstoffproduktion, Verringerung des Ressourcenverbrauchs und der Emissionen) nicht nur auf die Sicherung des Unternehmenserfolgs ab, sondern gleichzeitig auch auf den Erhalt der Biodiversität. Zugleich werden zunehmend Methoden gesucht und entwickelt, mit denen der Privatsektor sein Abhängigkeitsverhältnis mit der Natur und der biologischen Vielfalt wie z. B. seinen Fußabdruck auf Produkt- oder Unternehmensebene messen kann.

Selbes gilt auch für Finanzinstitute, welche die Biodiversitätsperformance (Einflüsse und Risiken) ihres Portfolios an Investment- und Finanzierungsaktivitäten prüfen möchten. Investitionen des Privatsektors zugunsten der Biodiversität bewegen sich Schätzungen zufolge zwischen 6,6 und 13,6 Mrd. US-Dollar pro Jahr, öffentliche und private Finanzströme, welche als nachteilig eingeschätzt werden, liegen allerdings aktuell noch deutlich höher. Es gibt jedoch verschiedene Mechanismen, durch welche Investments umgelenkt und Anreize für erforderliche Maßnahmen geschaffen werden können.

Vielfältige Strategien für eine vielfältige Welt

Dasgupta, P. (2021), The Economics of Biodiversity: The Dasgupta Review (London: HM Treasury)

Diagramm zur Veranschaulichung nachhaltiger Finanzen: Grüne Finanzen (mit Symbolen für Stadt, Energie und Lupe) und Naturkapitalfinanzierung (mit Darstellung von Investitionen in Vegetation, Naturschutz und Biodiversität).

Nachhaltige Finanzinvestitionsstrategien können eine Verlagerung in Richtung Nachhaltigkeit unterstützen, indem sie beispielsweise Finanzströme in Aktivitäten reduzieren, welche nachteilige Auswirkungen auf die Natur bzw. Lebensräume haben (z. B. Finanzierung von fossilen Energien) oder Investments in Technologien lenken, die unsere Nutzung der natürlichen Ressourcen/des Naturkapitals verbessern können (z. B. Verbesserung der Ressourceneffizienz, Reduktion von Umweltverschmutzung).

Gegenwärtig werden Finanzinvestitionen in Naturkapital als Teilmenge von Investitionen in breitere Anlagekategorien wie „Sustainable Finance“ und „Green Finance“ angesehen. „Sustainable Finance“ stellt einen Überbegriff dar, welcher Investitionsansätze umfasst, bei denen nichtfinanzielle Faktoren, wie verschiedene Umwelt- und Sozialfaktoren, in Kombination mit finanziellen Gesichtspunkten die Auswahl und das Management von Investments leiten. „Green Finance“ kann wiederum als Teilmenge des „Sustainable Finance“ betrachtet werden und weist eine Konzentration auf Umwelt- und Klimaaspekte auf, wie Umweltgüter und -dienstleistungen oder Verhinderung bzw. Minimierung von negativen Einflüssen auf Umwelt und Klima (z. B. Biodiversitätsschutz, Energieeffizienz). Hierunter können verschiedene Instrumente und Mechanismen zusammengefasst werden, wie beispielsweise Grüne Anleihen (Green Bonds) oder Grüne Kredite (Green Loans).

Trotz des Anstiegs der nachhaltigen und grünen Investitionen in den letzten Jahren, stellen Investitionen in Naturkapital aktuell nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtmärkte dar.

Ein Grund dafür ist, dass es hier noch wenige Methoden gibt, die die Komplexität von Biodiversität für Finanzinstrumente messbar macht. Dennoch gibt es im Rahmen von „Sustainable Finance“ oder „Green Finance“ bereits einige Ansätze, die Investitionen in das Naturkapital möglich machen. Eine der bekanntesten und vermehrt durch Finanzinstitute angewendeten Strategien stellt hier „ESG Investing“/Integration dar. ESG-Faktoren sind hierbei solche, die nicht Teil des traditionellen Finanzwesens sind und auch ökologische, soziale und Governance-Aspekte von Unternehmen berücksichtigen wie z. B. Praktiken des Wassermanagements oder des Lieferkettenmanagements. In diesem Zusammenhang können beispielsweise auch Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte Aufschluss über die Verankerung und Umsetzung von Biodiversitätsmanagement geben oder Informationen eingeholt werden, ob das Unternehmen Unterstützer*In/Mitglied förderlicher Initiativen ist. Andererseits kann in diesem Rahmen auch überprüft werden, ob die jeweiligen Unternehmen in biodiversitätsschädlichen Vorfällen verwickelt sind (z. B. Artenschutzverletzungen).

Eine weitere Strategie stellt Impact Investment dar. Hierbei handelt es sich um einen Investitionsansatz, bei welchem messbare soziale und/oder ökologische Wirkungen erzielt werden sollen. Konkrete Möglichkeiten im Kontext der Biodiversität sind bspw. Investitionen in Unternehmen im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft oder erneuerbaren Energien. Aber nicht nur durch Investitionen, sondern auch durch Stakeholder- und Unternehmensengagement bzw. -dialogen können Finanzakteur*Innen zu einer breiteren Adaption von biodiversitätsfördernden Prozessen beitragen.

Auch auf Regierungsebene/politischer Ebene können Finanzströme über eine Reihe von biodiversitätsfördernden Mechanismen gelenkt werden, die schlussendlich durch eine Standardisierung von Investitionsstrategien und -strukturen mehr Nachhaltigkeit und Transparenz für uns alle schaffen. So wurde auf EU-Ebene in diesem Zusammenhang z. B. die EU-Richtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen und ein gemeinsames Klassifizierungssystem bzw. eine „grüne Liste“ (EU-Taxonomie-Verordnung) für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zur Förderung von Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte ins Leben gerufen. Dieses umfasst auch sechs Umweltziele, wobei eines dieser Ziele explizit auf den Schutz und die Wiederherstellung von biologischer Vielfalt und Ökosystemen ausgerichtet ist.

Gemeinsam bewegen

Ein erfolgreicher Schutz unserer Biodiversität erfordert also ein Umdenken und Handeln verschiedenster Akteure, nicht nur der Politik und der (Finanz-) Wirtschaft, sondern auch der Gesellschaft. Die gute Nachricht ist: Jede*r Einzelne von uns kann einen aktiven Beitrag dazu leisten, auch mit der eigenen Geldanlage. Mithilfe der kostenlosen Onlineplattform cleanvest.org können private Anleger*innen Artenschutz gezielt in ihre Investmententscheidung einbeziehen. CLEANVEST bietet hier die Möglichkeit, Investments in Unternehmen zu vermeiden, die bedrohte Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräume negativ beeinflussen.  Leider sind noch immer 86 % der um die 4.000 analysierten Anlageprodukte auf CLEANVEST in Artenschutzverletzungen involviert. Hier können wir aber gemeinsam ein Zeichen für ein Umdenken in der Finanzbranchen setzen und Geldströme in Richtung einer Welt, in der Biodiversität geschützt wird, bewegen.