2018 gründete Elke Pichler mit Emanuel Riccabona die impactory, einen „Marktplatz für Spenden“: Auf der impactory-Webplattform sind eine Vielzahl gemeinnütziger Organisationen und Projekte gelistet, für die man als Privatperson direkt spenden kann. Unternehmen können eigenen impactory-Seiten erstellen, auf denen sie ausgewählte Projekte präsentieren, für die über „Spendengutscheine“ oder firmeninterne Aktionen gespendet werden kann. Im Interview erzählt impactory-Gründerin Elke Pichler was hinter Idee und Konzept steckt – und wie ihr Start-Up in drei Jahren zur größten Spendenplattform Österreich wurde.

Frau Pichler, was ist eigentlich eine „Online-Spendenplattform“?

Wir bringen unterschiedliche Personengruppen zusammen. In unserem Fall NGOs, Privatpersonen und Unternehmen. Die Mission ist, dass wir spenden nicht nur einfacher und digital-interaktiver machen, sondern vor allem neue Spenden generieren. Spenden, die es bis jetzt nicht gab.

Onlinespenden kenne ich von Facebook. Dort kann ich Spendeneinladungen anklicken und sagen: hier ist mein Geld. Tun Sie das gleiche?

Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Spenden neu gedacht werden kann. Der Unterschied ist, dass Facebook und Co Spenden als positive, zusätzliche Funktion einbinden, während es bei uns ausschließlich darum geht, zu spenden – und Spendenprojekte zu präsentieren. Also auch neue Projekte kennen zu lernen und mit wenigen Klicks unterstützen zu können.

Wie kam es zur Impactory?

Ich war immer schon in gemeinnützigen Vereinen engagiert und habe gesehen, wie schwierig es ist, dort Spenden zu lukrieren. Vor allem als kleine Organisation im Vergleich zu Großen, die mehr Reichweite haben. Ich habe mir überlegt, was man anders, besser machen kann.

Wieso „besser“? Ich bekomme doch ohnehin überall ständig Spendenerlagscheine.

Es gibt unterschiedliche Zugänge. Ihr Szenario ist typisch, wir hören oft: ‚Jeden Tag habe ich Zahlscheine im Postkasten. Das nervt. Geht das nicht anders?’ Es gibt eine Zielgruppe – vor allem Junge – die sagt, ‚ich möchte situativ entscheiden können, wofür ich spende.‘ Das Zahlscheinsystem ist altmodisch. Es nervt. Was sagt mir ein Zahlschein? Für die Jungen ist es relevant, Gutes zu tun und dabei einen Überblick zu haben. Das Zahlscheinsystem ist ja auch ein CO2-Faktor: Wenn ich Zahlscheine verschicke, wird pro 100 Briefen eine Spende generiert. Aber hundert Briefe werden gedruckt, kuvertiert und versandt. Das ist nicht ideal.

Böse formuliert: Ich tausche die Zahlschein-Flut im Briefkasten gegen ein Flooding durch Spenden-Newsletter?

Nein, weil Spender*innen das selbst entscheiden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Leute gerne anonym spenden: 70 Prozent der Spender*innen wollen ihre Daten nicht weitergeben.

In Österreich werden jedes Jahr 660 Millionen Euro gespendet. Als Sie begannen, setzten Sie im ersten Jahr 100 €, im dritten 100.000 € um. Ein großartiges Wachstum in einem riesigen Markt. Aber: Wovon lebt Ihr Unternehmen? Wie funktioniert das Businessmodell?

Spenden ist teuer. Man zahlt 100 Briefe und kriegt eine Spende. Besonders krass sind Straßenaktionen, diese jungen Menschen kommen ja von Agenturen: Bis zu 50 Prozent der Spende verschlingt da die Akquise. Spenden ist also nicht nur altmodisch und CO2-aufwändig, es ist richtig teuer. Unser Versprechen an die NGOs ist eine risikofreie Lösung, die zehnmal günstiger ist: Wir behalten fünf Prozent der Spende. Aber auch mit fünf Prozent von 100.000 € hüpfen wir nicht weit. Das ist ein Anerkennungseuro der gemeinnützigen Vereine: Wenn du nix verlangst, gilt der österreichische Zugang „kost’ nix, bist nix“.

Wir finanzieren uns über Unternehmenskooperationen: Wir unterstützen Unternehmen dabei, nicht nur einmal im Jahr zu Weihnachten zu spenden, sondern das ganze Jahr. Weil wir Möglichkeiten finden, das Spenden eng mit dem Unternehmen zu verweben.

Wie geht das?

Ein Beispiel: Ein großes Unternehmen in Oberösterreich veranstaltet eine virtuelle Messe. Zu der werden 5.700 Leute erwartet. Normalerweise kriegt man da einen Kugelschreiber oder andere Goodies. Aber bei einer Onlinemesse? Stattdessen bekommen Besucher*innen einen Spendengutschein. Diese Spende können sie einem der Projekte zukommen lassen, die der Messeveranstalter aussucht und präsentiert. Wir schaffen es so, 20.000 Euro für Projekte umzusetzen, die sonst im Marketingbudget geblieben wären. Durch den Spendengutschein kann man dieses Geld aber gemeinnützigen Organisationen zugutekommen lassen.

Ähnlicher ist das im internen Bereich. Etwa bei einer großen Bank mit Mitarbeiter*innen-Empfehlungsprogramm. Da werden Punkte gesammelt – und über die Punkte Spenden an Projekte vergeben. Allein im Dezember konnten wir so 6000 Euro vergeben, die in dieser Form nicht vorgesehen gewesen wären

Ich bleibe bei Ihrem Wachstum: Wie groß oder schlank ist denn die impactory?

Extrem schlank: Zwei Personen in der Geschäftsführung und fünf Mitarbeiter*Innen in Teilzeit oder geringfügig angestellt. Ich tu mir da schwer, weil mir nachhaltiges Wachstum wichtiger ist als Phantasieexpansionen. Wenn ich Richtung 2025 schaue, haben wir es bis dahin hoffentlich geschafft, die Unternehmensspendenquote in Österreich zu steigern. Das wäre das Ziel: In der Schweiz sind Unternehmensspenden so hoch wie private Spenden. In Deutschland sind sie höher. Aber in Österreich belaufen sich Unternehmensspenden auf 15 Prozent der Privatspenden.

Das impactory-Team

Es gibt auf Ihrer Seite einen „Spendenkompass“, einen Katalog an Institutionen und Spendenzwecken. Von Naturkatastrophen-Hilfe bis zum Tierschutz. Kann ich da jedes Spendenziel platzieren?

Nein. Wir sind eine Spendenplattform für Gemeinnützige. Wir prüfen das Projekt und wer dahinter steht genau. Das machen nicht alle so, es gibt auch Funding-Plattformen, wo man sogar private Anliegen reinstellen könnte.

Überprüfen Sie auch, wie effizient mit Geldern umgegangen wird?

Wir haben das lange diskutiert. Die österreichische Gesellschaft ist sehr stark ehrenamtlich engagiert. Nicht nur bei großen Organisationen – überall. Aber gerade kleine Organisationen haben weniger Möglichkeiten Onlinefundraising zu betreiben, weil die Zugangskosten hoch sind. Ja, wir schauen, wer da wie arbeitet. Wir stehen mit allen in Kontakt und im Austausch. Aber wir setzen kein Label wie das „Spendengütesiegel“ voraus – weil sich Kleine das oft gar nicht leisten können. Womit wir uns daher intensiv beschäftigen ist die Frage, wie man den Spendenfluss transparent macht. Damit Sie zum Beispiel eine Nachricht bekommen, wenn das Schulbuch, das Sie bezahlt haben, übergeben wird. Da gibt es coole Ansätze.

Sie haben eingangs Spenden und Klimaverträglichkeit verknüpft. Ist CO2-Reduktion, ist Nachhaltigkeit, wirklich ein zentraler Faktor?

Wir definieren Nachhaltigkeit auch sozial. Nicht nur was wir auf dem Planeten zurücklassen zählt, sondern auch gesellschaftlicher Impact. Ich bin keine Expertin für Umwelt-Nachhaltigkeit. Aber natürlich legen wir Wert auf unseren Fußabdruck: Wir sind rein online, haben nicht einmal einen Drucker und nur ein Minibüro. Und ich merke, dass sich etwas verändert, dass da eine neue Generation mit neuen Werten antritt: Wenn wir im Team essen, ist das fast rein vegetarisch. Das sind Details – aber sie sagen etwas aus.

Bleiben wir beim Generationenthema: Das Durchschnittsalter in ihrem Team ist unter 25. Sie selbst engagieren sich bei der Plattform „CEOs FOR FUTURE“ und im Themengebiet „Female Leadership“: Sind Frauen tatsächlich andere Führungskräfte – oder ist der neue Stil, die neue Sprache vieler junger Unternehmen nicht einfach das Ergebnis dieses Generationswechsel?

Bei den CEOs FOR FUTURE sitze ich im Beirat und gebe Tipps und Impulse zu digitalen Themen – etwa Plattformlogik. Auch ein Generationenthema. Ich glaube aber, es braucht in Unternehmen alle. Männliche und weibliche Führungskräfte. Ich bin keine bessere oder schlechtere Führungskraft als mein Co-Geschäftsführer, sondern eine andere. Diese Vielfalt hilft jungen Unternehmen, wo jeder Tag anders ist und es noch keine etablierten Prozesse gibt. Da braucht es Feingefühl und Fehlertoleranz. Eigenschaften, die Frauen oft mitbringen – aber das heißt nicht, dass Männer nicht empathisch arbeiten können.

Sind Geschlechterrollen und -verhältnisse in jungen Unternehmen also überhaupt noch Thema?

Im Team ist es tatsächlich egal. Wo die Kolleginnen es leider noch merken, ist im Kontakt nach außen. Und es ist eigentlich unfassbar, dass wir uns noch immer damit beschäftigen müssen.

Und gibt es so etwas wie einen Traum-Kooperationspartner?

Uns beschäftigt eher die umgekehrte Frage: Was würden wir tun, wenn ein Waffenproduzent anklopft.

Was würden Sie denn tun?

Die Frage ist, ob man Gott spielen darf. Ob man jemandem, der Gutes tun will, das verbieten darf. Ob wir entscheiden dürfen, ob Engagement ernst gemeint ist – oder nur ein Marketinggag. Ganz ehrlich? Ich bin froh, dass sich die Frage noch nicht gestellt hat.

Mehr zu impactory unter: https://impactory.org/