Georg Lettner ist Stromspeicherexperte bei der oekostrom AG. Im Interview spricht er über die Herausforderungen am Energiemarkt und erklärt, warum die Stromspeicherung so wichtig für die saubere Energieversorgung ist.

Georg, seit wann bist du bei der oekostrom AG und welche Funktion hast du dort?

Ich habe Elektrotechnik und Energiewirtschaft an der TU Wien studiert und war dort 15 Jahre in der angewandten Forschung bei der Energy Economics Group (EEG) tätig. Seit April 2023 bin ich bei der oekostrom AG als Teamleiter für die Kurzfrist- und Flexibilitätsvermarktung im Bereich Handel verantwortlich. Außerdem bin ich Mitglied in verschiedenen Verbänden und Vereinen, zum Beispiel bei der Technologieplattform Smart Grids und der Austrian Association for Energy Economics (AAEE).

Was genau bedeutet Kurzfrist- bzw. Flexibilitätsvermarktung?

Der Kurzfristmarkt umfasst alles, was innerhalb von 48 Stunden an kurzfristigen Erzeugungsprognosen an den Energiemärkten gehandelt wird. Wir nutzen die Steuerbarkeit der Erzeugungsanlagen, um ein optimales Ergebnis für die Netzstabilität zu erzielen. Flexibilitätsvermarktung bedeutet, auf Preissignale durch technische Betriebsweisen zu reagieren und die Erzeugungsanlagen für den Regelenergiemarkt vorzubereiten.

Was sind aus deiner Sicht die größten Herausforderungen am Energiemarkt für die nächsten Jahre?

Eine der größten Herausforderungen wird die Integration der erneuerbaren Energien in den Markt sein, da ihr Anteil ständig steigt (Stichwort: negative Preise). Das bedeutet auch, dass sich das Verbraucherverhalten anpassen muss. Hier legen wir beim Demand-Side-Management einen großen Fokus auf Laststeuerung. Zudem ist die Integration von flexiblen Speichertechnologien in das Netz eine weitere Herausforderung.

Wie siehst du die Rolle von Stromspeichern in der zukünftigen Energielandschaft?

Aus technischer Sicht gibt es verschiedene Speichermöglichkeiten. Grundsätzlich ist die Stromspeicherung wichtig, um eine 100% erneuerbare Stromversorgung zu ermöglichen. Dafür braucht man Kombinationen aus saisonalen Speichern wie Pumpspeicherkraftwerken oder Wasserstoffspeichern und kurzfristigen Speichern wie Batteriespeichern. Besonders für die dezentrale Netzintegration haben Batteriespeicher ein großes Potenzial.

Welche Herausforderungen für den Energiemarkt siehst du in Bezug auf das Thema Speichern von Energien?

Die größte Herausforderung derzeit ist es, eine mittel- bis langfristige Investitionssicherheit zu erreichen, da die Marktpreise sehr dynamisch sind und der zukünftige Rahmen für den Energiemarkt unklar ist. Deshalb braucht es rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen wie die Binnenmarktverordnung oder die Novelle zum Elektrizitätswirtschaftsgesetz (EIWG). Dieses Gesetz schafft einen modernen Rechtsrahmen für den österreichischen Strommarkt und bringt klare Regeln für den gezielten und schnellen Ausbau der Stromnetze. Es ist wichtig, dass dieses Gesetz schnell umgesetzt wird.

Welche Arten von Stromspeichern setzt die oekostrom AG aktuell ein?

Wir beschäftigen uns mit allen relevanten Themen, von Heimspeichern bis hin zu Großspeichern. Mit elektrochemischen Großspeichern unterstützen wir die Systemstabilität am Regelenergiemarkt und nutzen die Netzanschlüsse der Windpark- und PV-Anlagen mehrfach. Mittel- und langfristig wollen wir auch sogenannte „Schwarmlösungen“ umsetzen, bei denen viele kleine Heimspeichersysteme zusammenarbeiten.

Welche Maßnahmen hat die oekostrom AG zum Thema Speichern von Strom gesetzt?

In unseren Wind- und PV-Parks sollen künftig die Flexibilitäten am Markt besser genutzt werden. Mit der bereits aktiven Steuerung der Großanlagen haben wir einen wichtigen Schritt getan. Wir planen auch erste Speicherprojekte an unseren Produktionsanlagen. Durch die Auswahl geeigneter Standorte und die Ausarbeitung konkreter Businesspläne ist die Anschaffung und Inbetriebnahme von Batteriespeichern für 2025 geplant. Außerdem sind für uns auch kleinere Batteriespeicherprojekte für Energiegemeinschaften relevant. Diese Gemeinschaften nutzen die Investitionen besser und erhöhen die Wertschöpfung des lokalen Markts.

Ab wann rechnen sich die Investitionen in Stromspeicher bzw. wie sieht das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Stromspeichern derzeit aus?

Generell wird sich durch die steigende Preisvolatilität und die steigenden Netzkosten die Rentabilität von Stromspeichern erhöhen. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis hängt aber stark vom Einzelfall ab. Durch technologische Entwicklungen und ein größeres Angebot werden die Preise für Stromspeicher langfristig sinken.

Wie beeinflussen Stromspeicher die Strompreise für Endverbraucher:innen?

Die Verbraucher:innen können mit stabileren Preisen rechnen. Die Strompreise werden „geglättet“ (Stichwort Lastverschiebung), was langfristig aber die Rentabilität der Stromspeicher verringert. Energiegemeinschaften schaffen eine höhere Wertschöpfung am Markt. Zudem fördern wir mit Stromspeicher den Ausbau der Erneuerbaren und werden unabhängiger von fossilen Energien.

Welche Angebote gibt es von der oekostrom AG für Endverbraucher:innen?

Wir bieten für Endkund:innen ein Balkonkraftwerk mit einem Haushaltsspeicher von EET an. Sie können den selbst erzeugten Strom flexibler nutzen und ihn genau dann verbrauchen, wenn sie ihn brauchen. Wir werden außerdem stärker auf die im Tagesverlauf schwankenden Strompreise eingehen und einen speziellen Tarif anbieten. Mit dieser Flexibilitätsvermarktung ist das gesteuerte Laden von Wärmepumpen, E-Autos oder PV-Anlagen möglich.

Großes Potenzial gibt es für die Speichernutzung in der E-Mobilität. Die mobilen Speicher im E-Auto können das eigene Haus mit Strom versorgen (Vehicle-to-Home). Längerfristig kann diese Schwarmlösung auch in unser virtuelles Kraftwerk (Vehicle-to-Grid) integriert werden.

An welchen Forschungs- und Entwicklungsprojekten arbeitet die oekostrom AG aktuell im Bereich Stromspeicher?

Ich habe seit 2015 die ersten Stromspeicher-Implementierungen (von 100 kWh bis mehrere Megawatt) an der TU Wien mit begleitet. Diese Erfahrungen nutzen wir bei der oekostrom AG für Entwicklungsprojekte, die wir 2025 umsetzen wollen.

Wir sind im Advisory Board (Projektbeirat) bei einem aktuellen FFG-Projekt namens USEFLEDS, in dem ein gemeinsamer Datenaustausch für den Energiesektor entwickelt wird. Außerdem arbeiten wir mit renommierten Forschungseinrichtungen wie der TU Wien, FH NÖ und OÖ und dem Austrian Institute of Technology (AIT) zusammen.

Gibt es neue Technologien oder Innovationen, die du besonders vielversprechend findest?

Obwohl elektrochemische Stromspeicher derzeit am meisten genutzt werden, beobachten wir auch die Entwicklungen neuer ökologischer Speichertechnologien, wie zum Beispiel Eisspeicher.

 Welche Entwicklungen erwartest du dir in den nächsten 5-10 Jahren im Bereich Stromspeicher?

Ich erwarte einen hohen Ausbau der saisonalen Stromspeicher und der dezentralen Speicherung. Das wird einen bedeutenden Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien leisten, besonders im Bereich der Großspeichertechnologien.

Ein Gamechanger wird die Verfügbarkeit der Speicher aus der E-Mobilität sein. Wenn diese Kleinspeicher genutzt werden können, werden sie eine relevante Rolle in der Stromspeicherung spielen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ich erwarte einen hohen Ausbau der saisonalen Stromspeicher und der dezentralen Speicherung.

Georg Lettner

Stromspeicherexperte oekostrom AG
oekostrom AG: Ein lächelnder Mann mit Brille und Bart trägt einen Anzug und ein hellblaues Hemd. Er steht vor einem schlichten blauen Hintergrund.