Im Interview spricht Wolfgang Anzengruber als neuer Aufsichtsratsvorsitzender der oekostrom AG darüber, wie die Energiewende gelingen kann, wie man Menschen für saubere Energie begeistern kann und gibt einen Einblick, welchen persönlichen Beitrag er für den Klima- und Umweltschutz leistet.

Herr Anzengruber, Sie waren unter anderem 12 Jahre Vorstandsvorsitzender bei der Verbund AG und haben in dieser Funktion das letzte Kohlekraftwerk Österreichs geschlossen. Was hat Sie motiviert sich für den Aufsichtsrat der oekostrom AG zu bewerben?

Ich wurde von Mitgliedern des Aufsichtsrates und Aktionär:innen der oekostrom AG angesprochen. Da musste ich nicht lange überlegen und habe einer Bewerbung gerne zugesagt. Ich kenne die oekostrom AG schon seit vielen Jahren und nehme sie als sehr innovatives und manchmal sogar freches Unternehmen mit interessanten Ideen wahr. Wie man sieht, hat sich die oekostrom AG gut entwickelt. Ich möchte einen Beitrag zu dieser Weiterentwicklung leisten und das Selbstbewusstsein stärken. Denn jetzt geht es um die Frage: Wie kann man in einem volatilen Umfeld das Beste herausholen? Ich denke, das Potenzial ist groß.

Was sind Ihre persönlichen Ziele in Ihrer neuen Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der oekostrom AG?

Ich sehe meine Funktion als unterstützende Rolle, sozusagen als „Sounding Board“ für den Vorstand. Ich möchte etwas Konstruktives beitragen und eruieren: Wo sind Chancen, aber auch wo sind Risiken, vor denen wir uns schützen müssen? Das ist meine Aufgabe und wenn ich einen positiven Beitrag dazu leisten kann, dann macht mich das sehr glücklich.

Welche Rolle spielt die oekostrom AG Ihrer Meinung nach in der Energiewende?

Die oekostrom AG wurde vor 25 Jahren gegründet. Es ist das erste professionelle Unternehmen in der österreichischen, sauberen Energiewirtschaft mit einer sehr bürger:innennahen Struktur. Mit heute über 3.100 Aktionär:innen ist die oekostrom AG eine der größten Bürger:innenbeteiligungsgesellschaften in Österreich.

Wenn ich das so sagen darf: Die oekostrom AG ist für mich wie der Hecht im Karpfenteich. Ich nehme das Unternehmen als dynamisch und sehr bemüht wahr. Ich sehe die vielen Potenziale, die aufgrund der Nähe zu den Kund:innen und Aktionär:innen vorhanden sind. Das entgegengebrachte Vertrauen bildet eine gute Grundlage, um weitere innovative Produkte zu etablieren – sei es im Bereich der Photovoltaik oder auch beim Speicherthema in Bezug auf beispielsweise Smart Home.

Wenn ich das so sagen darf: Die oekostrom AG ist für mich wie der Hecht im Karpfenteich. Ich nehme das Unternehmen als dynamisch und sehr bemüht wahr.

Wolfgang Anzengruber

Aufsichtsratsvorsitzender der oekostrom AG

Was sind für Sie die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende?

Das aus meiner Sicht größte Thema ist die Erhöhung der Akzeptanz von sauberen Energien in der Bevölkerung. Wie können wir es schaffen, dass wir Bürger:innen und Anrainer:innen für saubere Energien begeistern können?

Ein weiteres Thema bei der grünen Transformation ist, dass uns die Zeit davonläuft. Es ist alles da – die Technologie, das Geld, das Know-how. Aber die Zeit drängt. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Das betrifft einerseits die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und andererseits den Netzausbau.

Alles in allem finde ich, dass wir auf einem guten Weg sind und ich bin überzeugt, dass wir die Energiewende schaffen werden. Wir dürfen uns aber nicht zurücklehnen, sondern müssen proaktiv weitermachen. Die oekostrom AG leistet mit einem sauberen Energieangebot bereits einen signifikanten Beitrag.

Welche politischen Hürden sehen Sie bei der Energiewende?

Von der Politik brauchen wir bedingungslose Akzeptanz und den politischen Willen. Die Energiewende sollte oberste Priorität haben. Und es muss klar sein, dass es keinen Plan B gibt. Ein Abwarten verschärft das Problem. Zudem wünsche ich mir, dass die Energiewende seitens der Politik positiver gesehen wird. Die Energiewende ist keine Plage, sondern ist eine Chance für Gesellschaft und Wirtschaft.

Gibt es Trends im Bereich erneuerbare Energien, die Sie als besondere Herausforderung bzw. Chance sehen?

Mittlerweile ist außer Frage gestellt, dass wir bei der Stromerzeugung auf saubere Energien setzen. Jetzt müssen die Infrastrukturen und die Netze verbessert werden. Die Speicherung von Energie ist auch ein großes Thema. Ansonsten kommen wir in sehr volatile Welten. Wir werden außerdem die Digitalisierung brauchen, sowohl für Prognosetechniken als auch für die Erzeugung von sauberem Strom. Ein weiteres Thema ist die Frage nach Energiepartnerschaften.

Die Energiewelt besteht nicht nur als Strom, sondern es geht auch darum, wie schnell wir Gebäude dekarbonisieren oder auf E-Mobilität umstellen werden. Bei der Mobilitätsfrage stehen wir erst am Anfang. Rein technisch sehe ich grünen Wasserstoff als interessanten Beitrag, der jenen Bereich dekarbonisieren soll, den man mit Strom nicht dekarbonisieren kann. Dies hilft wiederum bei der Stabilisierung und Speicherung von sauberer Energie.

Mittlerweile ist außer Frage gestellt, dass wir bei der Stromerzeugung auf saubere Energien setzen. Jetzt müssen die Infrastrukturen und die Netze verbessert werden.

Wolfgang Anzengruber

Aufsichtsratsvorsitzender der oekostrom AG

Welche Projekte oder Initiativen sind Ihnen besonders wichtig?

Ich bin unter anderem bei den CEOs for Future tätig und hier setzen wir einen starken Fokus auf den Generationendialog. Wir arbeiten mit verschiedenen Jugendorganisationen zusammen, sei es mit der katholischen Landjugend, mit den Pfadfindern oder mit Fridays for Future. Ich bin auch im Bereich des Mentorings sehr engagiert.

Wir haben eine großartige und sehr interessierte Jugend, die etwas beitragen kann und will. Aber ich fürchte, es gibt einen Vertrauensverlust. Und hier müssen wir etwas tun. Wir müssen die Kommunikation mit der jungen Generation verbessern. Dabei geht es um Glaubwürdigkeit. Die Basis dafür ist eine vertrauensvolle und seriöse Kommunikation.

Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Thema Energie. Welche persönlichen Maßnahmen ergreifen Sie in Ihrem Alltag, um umweltfreundlicher zu leben?

Von der technischen Perspektive habe ich das schon zu einer Zeit gemacht, wo es noch nicht en vogue war. Beispielsweise fahre ich elektrisch (voll und hybrid), habe eine Wärmepumpe und eine Photovoltaik-Anlage am Dach.

Meine Familie und ich achten auf eine regionale und biologische Ernährung. Ich nutze mittlerweile noch öfter die öffentlichen Verkehrsmittel. Wenn ich von Salzburg nach Wien pendle, nutze ich das Klimaticket und fahre mit der Bahn. Das ist nicht nur günstiger, sondern auch entspannter.

Wie inspirieren und motivieren Sie andere, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen?

Die Menschen sind grundsätzlich schon motiviert. Ich denke, man sollte aufpassen, dass man sie nicht demotiviert. Keiner wird verleugnen, dass man in einer sauberen und gesunden Umwelt leben möchte, aber man muss den Menschen dabei helfen, die Schwelle zu überschreiten, um dorthin zu kommen.

Wir müssen wegkommen vom Mengenwachstum hin zu einem Qualitätswachstum. Wir alle wollen Wohlstand, aber Österreich ist keine Insel, wir sind ein Teil dieser Welt. Es ist wichtig, dass wir auch auf andere Länder schauen, was Leistungen und Lieferungen betrifft. Wegschauen gilt nicht!

Wie sieht für Sie die perfekte (Energie-)Zukunft aus?

Ich wünsche mir, dass unser Anspruch auf Wohlstand nicht davon abhängt, wie viele Autos oder Smartphones wir haben, sondern dass unser Anspruch auf einem respektvollen Miteinander liegt. Dass alle die Chance auf Bildung haben und wir unsere gesellschaftlichen Fähigkeiten weiter ausprägen. Und dass wir alle in Frieden leben können.

Vielen Dank für das Gespräch!