Auf- oder Gegenwind: Wie steht es um die Energiewende 2025?
03.06.2025 • von Oliver Schnetzer
Die Energiewende ist einer der größten Umbrüche unseres Wirtschaftssystems. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas – allesamt haben in den vergangenen Jahrzehnten Wohlstand ermöglicht – hin zu erneuerbaren Energiequellen wie Sonnen-, Wasser- und Windkraft bietet nicht nur Chancen wie tausende neue Arbeitsplätze und Unabhängigkeit von fragwürdigen Machthabern. Vor allem ist sie Teil einer globalen Entwicklung, die es nicht zu verpassen gilt. Im Austausch mit dem Energieexperten Christoph Dolna-Gruber habe ich über Österreichs Perspektiven im globalen Kontext, Donald Trumps Einfluss auf die Energiewende und über Statussymbole am Dach geredet.
Raus aus den Fossilen, rein in die Erneuerbaren: so ließe sich die Energiewende auf den ersten Blick grob umreißen. Blickt man auf den enorm steigenden Energiebedarf aktueller und kommender Generationen, gilt es jedoch diese von der Mobilität bis zur Wärme auch effizienter zu nutzen. Eine zentrale Rolle spielt dabei sauberer Strom.
Nach wie vor hat Strom mit rund 20 Prozent einen relativen geringen Anteil an Österreichs Energieendverbrauch. Dröselt man Letzteren auf, so wird in etwa die Hälfte der Energie für Wärme, rund ein Drittel für den Verkehr genutzt. Der Antrieb für Lkw und Pkw ist dabei auch jener Bereich, in dem aktuell der höchste Verbrauch fossiler Energie stattfindet – und das bei besonders hohen Energieverlusten. Würde man den heute bestehenden Pkw-Verkehr komplett auf E-Mobilität umstellen, ließe sich allein hier der Energieverbrauch in der Mobilität von 40 TWh auf 12 bis 15 TWh drastisch reduzieren.
Ich glaube, dass in vielen Bereichen ein Stein ins Rollen gekommen ist, der sich nicht so leicht aufhalten lässt.
Christoph Dolna-Gruber
EnergieexpertePotenzial zeigt sich auch bei der Dekarbonisierung der Wärme. Elektrische Wärmepumpen erlebten in den letzten Jahren – sicher auch dank staatlicher Förderungen – einen Boom. Beim Umstieg der Industrie gibt es ebenfalls Vorzeigebeispiele: So ersetzt die voestalpine Hochöfen am Ende ihrer Nutzungsdauer nicht durch neue, kohlebasierte Hochöfen, sondern durch elektrische Lichtbogenöfen. All diese Beispiele zeigen emissions- und kostensparende Möglichkeiten, verdeutlichen aber auch den wachsenden Strombedarf in Österreich. Allein bis 2040 wird sich dieser verdoppeln – und auch dafür gilt es sich heute vorzubereiten.
Fest steht: viel zu lange hat man aus Unsicherheit und Geschäftskalkül an der Energieversorgung des vergangenen Jahrhunderts festgehalten und die globale Trendwende verschlafen. Veränderung stößt, das liegt in der Natur des Menschen, vorerst auf Skepsis. Das gab es immer, auch beim Bau der Eisenbahn. In den letzten Jahren wurde das Thema zudem von politischen Parteien für Wählerstimmen genutzt, um zu polarisieren, Windräder und Wärmepumpen als Feindbilder zu brandmarken. „Irgendwie müssen wir den Diskurs umdrehen und zeigen, dass diese Symbole eine Chance sind, um uns unabhängiger zu machen“, so der Energieexperte Dolna Gruber.
Trotz der teils emotionalen öffentlichen Debatten wird dabei das heimische Potenzial bei genauerem Blick schnell erkennbar. „Bereits ein Prozent der Landesflächen Österreichs wären ausreichend, um 2040 mit Windkraft den gesamten Strombedarf der Industrie für Prozesswärme zu decken“, erläutert Dolna-Gruber. „Aber auch bei Photovoltaik gibt es gerade bei Freiflächen noch großes Potenzial. Hier gilt es, sogenannte minderwertige Flächen oder auch Parkplätze besser zu nutzen. Es gilt hier, auch Mythen, dass Photovoltaik beispielsweise Grünflächen versiegele, entgegenzutreten.“ Studien im Auftrag der Wien Energie zeigen darüber hinaus, dass Flächen-PV sogar positive Effekte auf die Biodiversität und Artenvielfalt hat.
Während die Windkraft-Debatte im Jänner 2025 mit einer Volksbefragung in Kärnten in den medialen Fokus rückte, zeigen andere Entwicklungen, wie die Energiewende gemeinsam mit der Gesellschaft gelingen kann. So belegt der aktuelle Rekordausbau an Wärmepumpen und PV-Anlagen den Willen der Menschen, eigenen Strom zu produzieren und zu nutzen, sofern politische Rahmenbedingungen wie Förderungen gesetzt werden. Photovoltaik am eigenen Dach ist vielerorts zu einem Statussymbol geworden. „Ich glaube, dass in vielen Bereichen ein Stein ins Rollen gekommen ist, der sich nicht so leicht aufhalten lässt. Die Bevölkerung hat das Thema Energiewende für sich entdeckt“, betont Dolna-Gruber.
Immer effizientere und günstigere erneuerbare Alternativen haben in den vergangenen Jahren eine Entwicklung ins Rollen gebracht, auf die sich ein genauerer Blick lohnt und die nach Einschätzung von Fachexperten nicht so einfach aufgehalten werden kann. So hat zwar Donald Trump den US-Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen unterzeichnet, die Energiewende setzt sich jedoch auch in den Staaten fort. So liegt ausgerechnet Texas, das durch den Ölboom reich wurde, heute ganz vorne beim Windkraftausbau. Weil die USA sich zeitgleich aus der Kohleverstromung verabschiedet, sinken die CO2-Emissionen im Land seit 2008.
Auch in der ZEIT wird diese Entwicklung unterstrichen. Trump kann zwar viel polemisieren, aber er ist nicht mächtig genug, um die Gesetze des Marktes außer Kraft zu setzen: Öl und Gas werden nur aus dem Boden geholt, wenn es sich lohnt. Fällt der Preis wegen immer neuer Bohrlöcher, wird es schlicht unrentabel. Und auch in China, dem global größten Verschmutzer bei 1,4 Milliarden Einwohnern, werden seit vielen Jahren massenhaft Windräder und Photovoltaik installiert, weit mehr als in jedem anderen Land. Zulassungen für Kohlekraftwerke sind rückläufig.
Der Blick über die Grenze ist in Zeiten globaler Umbrüche gerade für ein kleines Land wie Österreich von großer Bedeutung. Nach wie vor importiert die Alpenrepublik fast zwei Drittel des Energiebedarfs. Nachdem Gas-Lieferungen aus Russland seit Januar 2025 gestoppt wurden, rückten vor allem Norwegen (Gas) und die USA (Flüssigerdgas aka LNG) als Importeure nach. Geht Österreich bewusst in die nächste Abhängigkeit?
„Die Trump-Präsidentschaft bedeutet in erster Instanz mehr LNG für den Markt, die Preise könnten tendenziell sinken, während es global aber einen steigenden Bedarf gibt“, erläutert Dolna-Gruber. „LNG ist dabei weniger an Pipeline-Routen gebunden, es kann global gehandelt werden. Der Preis in Europa und Österreich ist somit mehr internationalen Entwicklungen statt einzelnen Akteuren ausgesetzt, ein verstärkter Wettbewerb zwischen Europa und Asien ist zu erwarten. Zölle bleiben jedoch ein mögliches Druckmittel, gerade mit dem Blick auf aktuelle Entwicklungen in den USA.“ Für das Klima ist LNG übrigens keine gute Nachricht: bei der oftmals bodennahen Gewinnung werden große Mengen Methan, 30 bis 90 Mal so schädlich wie CO2, freigesetzt. Auch der Energieaufwand rund um Verflüssigung und Transport ist enorm.
Als kleines Binnenland mit begrenzten Ressourcen bleiben Import und Export für Österreich aber wichtig. Ein entsprechender Ausbau der Übertragungsnetze und der Infrastruktur generell ist nicht nur vor dem Hintergrund steigenden Stromverbrauchs elementar. „Österreich hat aber die große Chance, fossile Energieimporte durch mehr inländische Erzeugung einzutauschen“, betont Dolna-Gruber dabei die Bedeutung vom heimischen Ausbau Erneuerbarer. Auch die Wirtschaft erkennt vielerorts die sich bietenden Möglichkeiten. Firmen nutzen zunehmend Erneuerbare-Kooperationen, beziehen beispielsweise Windkraft lokaler Produzenten, um fernab von Börsenentwicklungen Strom geliefert zu bekommen und somit Sicherheit zu schaffen.
Und die Politik? Für den Energieexperten bleibt die Energiewende ein überparteiliches Thema. Die „Bereitstellung leistbarer Energie“ und „Unabhängigkeit von Energieimporten“ sind etwa Positionen, die alle Parteien teilen. Dolna-Gruber: „Sowohl die Grundlagen als auch die Übereinstimmung mit den Positionen wären da und würden für einen Ausbau der Erneuerbaren in Österreich sprechen. Es braucht den Mut, die Energiewende durchzuziehen und glaubwürdige Rahmenbedingungen zu schaffen. Den Menschen zu kommunizieren, wieso es für Österreich sinnvoll ist.“
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