Was geschieht eigentlich hinter den Kulissen der oekostrom AG, damit der Strom aus der Steckdose kommt, und „sauber“ ist? Maximilian Kloess leitet eines der Standbeine der oekostrom AG, die oekostrom Handels GmbH. Im Geschäftsbericht wird deren Geschäftsfeld mit „Handel mit Strom, Steuerung & Optimierung von Kraftwerkseinsatz“ beschrieben. Was bedeutet das konkret? Wer handelt da mit wem wo und womit? Und was hat das mit der Garantie dafür zu tun, dass der oekostrom-Strom tatsächlich Ökostrom ist?

Herr Kloess, für mich Laien kommt Strom aus der Steckdose. Gemacht wird er im Kraftwerk. Wieso wird dazwischen noch gehandelt?

Unsere Aufgabe ist der Handel, also die Beschaffung des Stroms für den Vertrieb und natürlich für unsere Kund*innen. Aber auch im Strommarkt mit erneuerbaren Energien ist man den Preisentwicklungen an den Strombörsen ausgesetzt. Man steht im Wettbewerb mit anderen Versorgungsunternehmen, die sich auch an der Strombörse eindecken.

Strombörsen sind der preisliche „Taktgeber“, auch für Erzeuger von Wasserkraft oder Windkraftbetreiber: Alle kriegen ihre Vergütung basierend auf dem aktuellen Marktwert des Stroms. Das gilt auch für die oekostrom AG – für unsere Kraftwerke ebenso wie für unsere Beschaffung, also den Strom, den wir einkaufen. Auch da richten sich die Kosten nach den aktuellen Preisen der Strombörse.

Laienhaft formuliert: Sie gehen mit dem Einkaufskorb auf den Markt und wollen statt Bio-Erdäpfeln eben Ökostrom kaufen – in der richtigen Qualität aber doch günstig?

Genau das ist eine unserer Rollen. Dazu gehört z. B. mit den Lieferanten gute, faire Konditionen auszuhandeln. Wir verkaufen Ökostrom – also Strom aus Wind- und Wasserkraft aus Österreich – aber auch an andere Verteiler, etwa nach Deutschland.

Sonnenenergie – eine unerschöpfliche Quelle

Der Sonnenuntergang, der bei leicht bewölktem Himmel einen warmen Schein auf die Solarmodule wirft, symbolisiert die Vision der oekostrom AG für eine nachhaltige Zukunft.

Gerade erst ist eine Kapitalerhöhung der oekostrom AG erfolgreich abgeschlossen worden. Ist es für eure Investor*innen und Menschen, die überlegen zu investieren, relevant zu wissen, was da hinter den Kulissen geschieht?

Ja, gerade weil wir transparent agieren wollen. Mit Blick auf die nächsten Jahre ist es aber auch wichtig, dass wir im Handel gut aufgestellt sind, dass wir Know-How und gute Marktzugänge haben. Was die Förderung neuer Windkraftanlagen betrifft, hatten wir bis jetzt simple Einspeisetarife: Von der Errichtung des Kraftwerkes weg wurde ein konstanter Wert vergütet.

Davon wird jetzt immer mehr abgegangen, zugunsten von marktbasierten Instrumenten. Kraftwerke müssen sich öfter zu Marktbedingungen refinanzieren. Darum ist es für die oekostrom AG, die große Pläne in Richtung Ausbau der Erzeugungskapazitäten hat, wichtig, Expertise darüber zu haben, was auf den Märkten passiert und passieren wird. Auch, um für die eigenen Kraftwerke einen maximalen Ertrag herauszuholen.

Gleichzeitig ist es wichtig, durch geeignete Beschaffungsstrategien gute Preise zu erreichen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir wollen auch im Vertriebskundensegment unseren Wachstumskurs fortsetzen.

Wir versuchen darüber hinaus, uns über die Produktqualität zu differenzieren – aber der Preis spielt schon eine zentrale Rolle. Aufgrund all dieser Parameter ist wichtig, gut über die Märkte und ihre Systematik Bescheid zu wissen.

Wie genau profitieren Menschen, die bei der oekostrom AG investieren, von alldem?

Der Marktausblick, also die Chancen, die man als Marktakteur in unserem Bereich hat, werden größer, wenn man Know-How und ein qualifiziertes Team hat. Gerade, weil das Mitbewerber nicht in dieser Ausprägung haben: Es gibt etwa größere, mittelgroße und kleinere Windbetreiber – aber die sind alle sehr spezialisiert: Die wissen, wie man Anlagen errichtet oder Fördertarife abholt.

Aber in Zukunft wird es wichtiger werden, zu wissen, wie man den Strom tatsächlich in den Strommarkt bringt.

Da hat die oekostrom AG den enormen Wettbewerbsvorteil, dass sie sich in diesen Bereichen in den vergangenen Jahren stark entwickelt hat. Dass wir dort, wo andere auf Dienstleister angewiesen sind, viel selbst machen: Wir haben das bessere Marktverständnis – und das wird sich auch in der Wertentwicklung des Unternehmens niederschlagen.

Der Handel ist darüber hinaus auch ein Erlösbringer und hat schon in den vergangenen Jahren einen beträchtlichen Beitrag zum Jahresergebnis geliefert. Und: Dieses Standbein ist gut für die Diversifizierung des Unternehmens. Da wir thematisch intern sehr gut vernetzt sind ergibt das viele Synergien. Große Akteure, etwa die Landesversorger, beginnen gerade erst, ihren Handel auszubauen und zu erweitern. Eben weil das zukünftig wichtiger sein wird. Wir sind schon dort: Das halte ich in unserer Strategie daher für zentral.

Damit wären wir beim nächsten Punkt: Den Alleinstellungsmerkmalen der oekostrom AG. Gibt es die auch beim Handel?

Da ist natürlich die oekostrom AG-Besonderheit, dass wir rein auf erneuerbare Energien spezialisiert sind. Wir haben eine rein auf erneuerbare aufgebaute Bilanzgruppe, in der wir nur erneuerbare Erzeugungsanlagen als Lieferanten aufnehmen. Das war bei der oekostrom AG ja immer schon so.

Das bedeutet aber auch, dass wir langjährige Erfahrung in diesem Bereich haben und sehr genau wissen, was es bedeutet, eine Windkraftanlage als Lieferkraftwerk zu haben: Wie muss man da prognostizieren? Was sind die Besonderheiten? Was bedeutet es, kleinere Wasserkraftwerke zu haben? Was bedeutet es, Photovoltaikanlagen als Lieferanten zu haben?

Das ist im Vergleich zur alten Energiewelt eine ganz andere Herausforderung.

Und dieser Herausforderung werden sich in Zukunft alle stellen müssen, weil wir in Europa auf ein Energiesystem zusteuern, wo diese Technologien die Hauptrolle spielen. Wir haben als oekostrom AG da seit vielen Jahren Erfahrung: Das war und ist unser Alleinstellungsmerkmal – diese Erfahrungen werden in Zukunft sehr nützlich sein.

Als Kind lernte ich: „Strom hat kein Mascherl“, er kommt aus der Leitung und schaut immer gleich aus. Wie stellt man sicher, dass Strom tatsächlich aus Österreich kommt und aus erneuerbaren Energien?

Es richtig, dass Strom kein Mascherl hat. Elektronen suchen den kürzesten Weg. Deshalb gibt es die europaweit etablierte Stromkennzeichnung:

Jeder, der in Österreich Strom verkauft, muss nachweisen, wo dieser Strom herkommt und das belegen.

Umgekehrt generiert jede Erzeugungsanlagen, egal ob Wind, PV, Wasserkraft oder Atomstrom, auch einen Herkunftsnachweis. Jeder Einspeiser und jeder Abnehmer muss nachweisen, woher sein Strom kommt. Darauf basiert das Marktmodell der EU. So gewährleisten wir, dass wir nur Strom aus erneuerbaren Erzeugungsanlagen in Österreich haben.

Ideal wäre es, wenn jeder Herkunftsnachweis über einen Direktvertrag mit dem Kraftwerk, aus dem der Strom stammt, einhergeht. Das ist in vollem Umfang leider nicht möglich – aber der Strom, den wir zukaufen ist jedenfalls aus österreichischen Kraftwerken.

Das haben wir als oekostrom AG sehr stark vorangetrieben, in den Anfängen der Strommarktliberalisierung haben wir uns massiv dafür eingesetzt, dass diese Kennzeichnung ein Kriterium wird. Mittlerweile wird das in Österreich sehr streng geprüft. Da war die oekostrom AG ein Vorreiter.

Was heißt das: „Direktvertrag“?

„Direktvertrag“ bedeutet, dass wir mit den Kraftwerksbetreibern selbst einen Vertrag haben. Denn Herkunftsnachweise sind auch ein handelbares Gut sind: Der Strom ist handelbar, Herkunftsnachweise parallel dazu auch. Durch einen Direktvermarktungsvertrag ist gewährleistet, dass ich von diesem Betreiber beides beziehe: den Strom und seinen Herkunftsnachweis – ohne Zwischenhändler oder Umwege. So wird gewährleistet ist, dass der Mehrwert wirklich beim Kraftwerksbetreiber ankommt. Also denen, die durch den Ausbau der Kapazitäten die Energiewende vorantreiben.

Ist das mit ein Asset, dass das Arbeiten mit der oekostrom AG gerade für kleinere Kraftwerksbetreiber interessant macht?

Absolut. Für Kleinkraftwerksbetreiber ist es oft nicht leicht, Abnehmer zu finden, die faire Preise zahlen. Wir tun das – aus Prinzip. Weil wir kleinen Erzeugern den Zugang zum Markt zu fairen Konditionen bieten wollen. Größere Akteure schauen sich kleine Kraftwerke oft gar nicht an: Dort geht es natürlich um kleinere Strommengen, man verdient weniger – aber der Arbeits- und Verwaltungsaufwand ist der Gleiche.

Windenergie herstellen in Parndorf; Foto: Thomas Kirschner

Ein Windpark mit mehreren Windrädern vor einem strahlend blauen Himmel und einer Wiese im Vordergrund veranschaulicht die Zukunft von Ökostrom.

Steht deshalb im Geschäftsbericht 2020 der oekostrom AG beim Kapitel „Handel“: „Die oekostrom Handels GmbH ist stets auf der Suche nach weiteren Betreiberinnen kleiner heimischer Ökostromanlagen“.

Ja. Wir sind auf der Suche nach Kraftwerken und bieten attraktive Konditionen. Klar: Auch jetzt hat jeder Abnehmer. Aber die Kleinen werden von großen Playern oft stiefmütterlich behandelt. Deshalb laden wir sie ein: Wir wollen unseren Pool an Lieferanten stetig erweitern.

Geht es da nur um den Preis, oder auch um Kommunikation auf Augenhöhe?

Das ist ein wichtiger Punkt: Augenhöhe, Kommunikation und Information. Die Informationsasymmetrie zwischen einem großen Händler und einem kleinen Kraftwerksbetreiber gibt es oft – wir halten sie so gering wie möglich. Das gehört zu einem fairen Umgang.

Sie haben vorhin kurz erwähnt, dass es eine eigene Bilanzgruppe gibt. Was bedeutet das?

Die Bilanzgruppe ist ein virtueller Zusammenschluss aller Verbraucher der oekostrom AG. Einspeiser und Verbraucher werden in einer Gruppe zusammengefasst und gemeinsam bilanziert.

Da sind alle Kund*innen drin, alle Kraftwerke, alle Lieferanten. Auch was wir an Handelspartner nach Deutschland liefern: Wir müssen gewährleisten, dass diese Bilanz immer ausgeglichen ist – und zwar jede Stunde.

Da müssen die entsprechen Transaktionen an den Strommärkten gewährleistet sein – und das ist oft ein Geschäft, wo nur wenige Minuten voraus die exakten Preise und Konditionen vereinbart werden. Da müssen wir schnell und richtig prognostizieren: wir müssen heute sagen können, was wir morgen brauchen werden und müssen das dann beschaffen und erzeugen. Gerade wenn man mit Wind und Photovoltaik arbeitet, ist das oft sehr kurzfristig. Das ist also ständiges Feintunen, eine permanent Suchen nach Balance – und das Bestreben, Fehler und Abweichungen so gering wie möglich zu halten.

Das alles sind Strukturen und Mechanismen hinter den Kulissen. Aber: Kann mir das als Endverbraucher*in im Grunde nicht doch egal sein?

Klar, grundsätzlich kriege ich an der Steckdose die Elektronen, die gerade da sind. Aber wir glauben, dass es eine Rolle spielt, an wen man Rechnungen bezahlt, also auch, was dort im Hintergrund passiert.

Wir geben das Geld an Produzent*innen weiter, die die Energiewende vorantreiben.

Damit gewährleisten wir über den Zahlungsstrom, dass es weiter in diese Richtung geht. Denn die Kraftwerke der Großkonzerne, die Strom aus Gas oder Kohle herstellen, sind schon finanziert. Bei uns können die Konsument*innen dagegen sicher sein, dass zielgerichtet in die richtige Technologien investiert wird – und im Sinne der Energiewende eine Transformation des Energiesystems einsetzt.

Es geht also um mehr als nur darum, Energie zu liefern.

Ja, das ist uns wichtig. Wir wollen hier für Klarheit sorgen, mit offenen Karten spielen: Das Strommarktsystem ist komplex – aber wir versuchen, das offen und verständlich darzustellen. Ich glaube, dass wir durch Transparenz punkten können. Weil genau dadurch ersichtlich wird, was uns von Mitbewerbern unterscheidet.