Die NGO „Protect Our Winters“ versucht Klimaschutz und Wintersport unter einen Hut zu bringen. Wie das funktionieren soll, erklärt POW-Geschäftsführer Moritz Nachtschatt im Interview: In einem offenen Brief, den große Teile der Wintersport- und Skiwirtschaft mittragen, wird die Regierung zu weit konkreteren und schärferen Klimaschutzmaßnahmen aufgefordert, als das Klimaschutzgesetz, das sich derzeit im Entwurf befindet, vorsieht.

Moritz, du bist einer der Köpfe der Organisation „Protect our winters“. Diese Initiative möchte Klimaschutz, Winter- und Bergtourismus unter einen Hut bringen. Nur: Passen Skitourismus und Klimaschutz überhaupt zusammen?

Gute Frage. Auf diesen Punkt möchte ich gleich kommen, zuerst aber erklären, wer wir sind. „Protect our Winters“, kurz „POW“ wurde 2007 von Jeremy Jones, einem immer noch aktiven, legendären US-Profisnowboarder gegründet. Wir sind eine globale NGO und mittlerweile sind allein in Europa neun Länder dabei.
Unser Ansatz: Wir wollen die Orte, die wir lieben und das, was wir gerne tun, schützen. Wintertourismus und Klimaschutz lassen sich durchaus unter einen Hut zu bringen. Wenn man sich anschaut, was das schädlichste am Skitourismus ist – nicht nur beim Tourengehen, sondern auch ganz normal in einem Skigebiet, sogar mit Kunstschnee – dann sind es An- und Abreisen mit dem Auto.
Da entstehen bis zu 70 Prozent der gesamten Emissionen. Wenn ich öffentlich anreise, etwa im Zug – die letzte Meile geht dann halt oft nur mit dem Bus – ließen sich über 60 % der CO2-Verkehrs-Emissionen einsparen.

Aber wirklich grün wird der Wintertourismus dadurch noch nicht.

Nein, dann ist das ganze zwar auch noch nicht wirklich klimafreundlich, aber definitiv nicht so klimaschädlich wie es jetzt der Fall ist. Eben weil über 90 Prozent der Leute mit dem Auto kommen – das ist das Hauptproblem. Wir kennen die Staus an den Wochenenden in die Gebiete rein – das ist ein Punkt, an dem wir ansetzen möchten. Über die regionale und nationale Politik, aber vor allem mit den Verkehrsverbünden.

Skifahren hat aber auch das Problem des schwindenden Schnees. Ich kenne aber auch Skifahrer, die sagen: „Naja, dann müssen wir halt weiter rauf. Dann wird es halt noch ein bisserl teurer – aber: egal. Und das Ski-Klimaproblem ist gelöst“

Rein theoretisch wäre das möglich. Aber eine gesunde Antwort ist das natürlich nicht. Auch für die Wirtschaft ist das keine Antwort: Skiorte unter 2000 Metern werden in ein paar Jahren keine Skiorte mehr sein können. Aber wir alle wissen, wie wichtig der Skisport für Österreich ist. Das hat ja auch Corona gezeigt: Wir sind soweit ich weiß, das einzige Land, in dem Skilifte als öffentliche Verkehrsmittel gelten – auch deswegen durften sie während der Pandemie ja nicht abgedreht werden.
Jeder 5. Job hängt direkt oder indirekt mit dem Wintertourismus zusammen. Nehmen wir da die anderen Bergsportarten, die ja auch vom Klimawandel betroffen sind, dazu. Die alpine Freizeitbranche – dann sind wir rasch bei fast jedem 4. Job.
Das heißt: Es ist keine Frage des Umwelt- oder Klimaschutzes, sondern in Wirklichkeit müssten da in ganz Österreich, überparteilich, alle Alarmglocken läuten.
Da geht es um unheimlich viele Jobs, unsere gesamte Wirtschaft – ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts.

Moritz Nachtschatt, Geschäftsführer von Protect our winters (Foto: Moritz Nachtschatt)

Eine Person mit Bart steht in einem üppigen Wald, trägt einen orangefarbenen Rucksack und einen breitkrempigen Hut und verkörpert den Geist von Moritz Nachtschatt. Ihre Reise dient als Erinnerung daran, unsere Winter für zukünftige Abenteurer zu schützen.

Du sagst, es wird schwierig, sobald man an Politik und Kammern anstreift. Ist das der Grund, weshalb ihr als POW einen offenen Brief an „die Politik“ geschrieben habt?

Geschrieben – aber noch nicht abgeschickt, weil wir noch Unterschriften sammeln. Unterschreiben kann jedes Unternehmen. Von der EPU bis zum Großkonzern oder Verein. Briefe von Privatpersonen hat es ja auch schon etliche gegeben – darum sind bei uns nur Unternehmen als Unterzeichner dabei.
Da die Regierung sehr wirtschaftsorientiert ist, hoffen wir, dass es so wahrgenommen wird, dass sehr viele Unternehmen – Unternehmen, die einen beachtlichen Anteil der österreichischen Wirtschaftsleistung erbringen – sich für mehr und aktiveren Klimaschutz einsetzen wollen.
Was wir genau fordern sind gar keine neuen Ziele: Die Regierung hat ja in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag selbst festgehalten, dass Österreich bis 2040 klimaneutral sein soll. Aber um das zu erreichen, braucht es eben doch konkrete Maßnahmen und die gibt es einfach nicht.
Auch der geleakte Klimaschutzgesetzesentwurf, der zu dem Zeitpunkt ja ausschließlich von den Grünen war und von der ÖVP noch nicht korrigiert war, ist nicht einmal annähernd ausreichend. In dem war von keinen konkreten Mengen die Rede, es war nur die Rede von der Reduktion der Emissionen um die Hälfte bis 2030. Jetzt ist die EU-Vorgabe aber eine Reduktion um mindestens 55 %. Unser Entwurf entspricht also nicht einmal dem EU-Minimum! Dabei müsste man da ja noch die realen Anteile der Staaten an den europäischen Emissionen rausrechnen.

Was meinst du damit?

Als die EU-Vorgabe noch bei 40 % Reduktion lag, hätte das in Österreich bei einer tatsächlichen Reduktion von 37 oder 38 Prozent entsprochen, weil wir zu dem Zeitpunkt noch unter den Spitzenreitern in Sachen Klimapolitik waren. Mittlerweile ist es leider nicht mehr so: Wir sind jetzt unter den Schlusslichtern. Jetzt entspräche unser Beitrag zu den 55 Prozent der EU mindestens 57 Prozent der nationalen Emissionen. Und dann sprechen sogar die Grünen, die Umweltpartei, von 50 Prozent: Das kann sich nicht ausgehen!

Und was fordert ihr jetzt konkret?

Wir fordern bis 2030 ein Minimum-Minus von 65 %. Das haben nicht wir errechnet, sondern das sind Werte, die die global tonangebenden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen errechnet haben. Das ist das Minimum, um bis 2050 klimaneutral sein zu können – da ist von 2040 schon keine Rede mehr.
Eine zweite Forderung ist die Verankerung von Klimaschutz in der Verfassung. Das wäre ein sehr wichtiger Schritt.
Und die dritte Forderung sind ganz konkrete Ziele auf dem Reduktionspfad, auf allen Ebenen und in allen Bundesländern. Die Ziele selbst stehen aber nicht im Brief – die zu definieren sehe ich nicht als unsere Aufgabe. Wichtig wäre aber, dass verbindliche Zwischenziele überhaupt festgeschrieben werden.

Ihr sammelt jetzt Unterschriften. Ihr werdet den Brief abschicken. Und dann?

Im Optimalfall werden wir den Brief persönlich der Frau Bundesministerin übergeben. Was dann konkret passiert, liegt nicht mehr in unserer Hand. Aber wir hoffen natürlich, dass die Regierung erkennt, dass sich da ein wirklich großer, wichtiger Bestandteil der österreichischen Wirtschaft zu Wort meldet. Denn die Wintersportbranche steht mittlerweile ziemlich geschlossen hinter diesem Brief – mit ein paar Ausnahmen, aber vielleicht überzeugen wir die auch noch.
Und vielleicht schlägt sich das doch noch im Klimaschutzgesetz, in der Politik, nieder.

Bist du optimistisch, dass wir in 10 oder 15 Jahren überhaupt noch Skifahren können?

Naja, wenn ich nicht dran glauben würde, wäre ich als Geschäftsführer von POW eine Fehlbesetzung. Aber leicht wird es nicht. Und: Nein, es wird nicht so weitergehen können, wie bisher. In den Bergen, beim Skifahren, wird es große Veränderungen geben.
Dass tiefer gelegene Skigebiete, die also nicht über 2000 Meter hinaufgehen, in 15 oder 20 Jahren noch existieren, kann ich mir nur schwer vorstellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Österreich schon jetzt überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen ist. Das 1,5-Grad-Ziel, das ja weltweit immer noch gilt, haben wir in Österreich bereits erreicht. Das ist leider abgehakt. Umso mehr wissen wir versuchen, unter der 2-Grad-Grenze zu bleiben. Aber da muss man was tun – dafür reichen neue Technologien, die noch niemand kennt, nicht.

Jetzt den offenen Brief von Protect our winters unterschreiben!