Seit Beginn der Wetterdokumentation vor 250 Jahren ist es im Alpenraum um zwei Grad wärmer geworden. Grund genug, dass sich manche Zeitgenossen sogar im Sommer Sorgen um die Zukunft machen. Um die des Skifahrens.

Skifahren? Ach lassen Sie mich doch mit Ihren Sorgen ums Skifahren in Ruhe. Nicht, dass ich die nicht verstehen würde. Oder nicht nachvollziehen könnte: Ich bin ein begeisterter, geradezu fanatischer Skifahrer. Abseits der Piste – auf den planierten Autobahnen habe ich nämlich Angst. Ich bin Freerider, Skitourengeher und – ja ich gestehe es – auch Heliskier, denn drei Hubschrauber in einem etwa oberösterreichgroßen Gebiet machen nämlich weit weniger Dreck als zigtausend Pauschalskitouristen in einem engen Tal. Und die Prognosen, dass Skifahren nicht bloß wegen der exorbitanten Kosten, sondern wegen des Klimawandels in vielen Gebieten der Alpen ein Auslaufmodel ist, macht mich auch traurig. Und betroffen.

Nur: In Wirklichkeit ist das wurscht. Denn Skifahren ist nur die Spitze des Eisberges. Jener Teil des Klimawandels in den Bergen, den wir mitbekommen – weil er uns dort trifft, wo es am meisten schmerzt: im Freizeitverhalten. Und – auch wenn längst nur noch eine Minderheit der Österreicherinnen und Österreicher Ski fährt – in dem, was wir für unsere nationale DNA halten. Ja, auch wenn ganze Regionalwirtschaften – wenn nicht unsere Volkswirtschaft – ohne Wintersport in Richtung Kollaps unterwegs ist: Den können die massiven Investitionen in Lift- und Schneelogistik und -anlagen nämlich höchstens hinauszögern. Aber nicht verhindern.

Das alles tut zwar individuell richtig weh, ist aber nicht der Punkt. Denn das wahre Problem ist ein anderes: Unlängst wurden rund um die Wetterstation am Sonnblick Fledermäuse gesehen. Jetzt, im Sommer (im Winter schlafen Fledermäuse nämlich). Und das ist eine Katastrophe. Gelinde gesagt. Denn normalerweise fliegen Fledermäuse hier nicht. Weniger wegen der Seehöhe, als wegen der hier üblicherweise vorherrschenden Temperaturen. Und der Beute: Fledermausfutter, also Mücken und andere Insekten, ist 3.100 Meter über dem Meer (so hoch oben liegt das Observatorium) nämlich ausgesprochen rar. Oder: War es. Und das über Jahrhunderte.

Doch das ändert sich gerade. Und zwar dramatisch: Auch wenn zwei Grad Celsius im subjektiven Empfinden nicht viel sind, hat der Anstieg der Durchschnittstemperaturen um zwei Grad im Bergland gewaltige Auswirkungen. Und zwei Grad sind es, um die es mittlerweile wärmer ist als früher. Also vor rund 250 Jahren – als man begann, Temperatur- und andere Wetterdaten systematisch zu dokumentieren.

Zwei Grad bedeuten da nämlich, dass sich Lebens- und Vegetationsräume verschieben: Die Insekten, die von den Fledermäusen gejagt wurden, sind da nur ein Indiz. Vielleicht waren es ja sogar nur ein paar verirrte Mücken, denen da ein paar verirrte Fledermäuse folgten – von einer Batman-Population am Sonnblick kann nämlich keine Rede sein. Noch. Denn wo Insekten höher fliegen, folgen ihnen auch ihre Jäger. Und das überall: Wenn Baumgrenzen nach oben wandern, drücken Laubbäume das Nadelholz hinauf. Das kann plötzlich auf Hängen, Kuppen und Gipfeln wachsen, die bisher kahl waren. Das mag ein paar Waldbesitzer freuen, für Tiere, die bisher im freien Feld lebten, ist es aber eine Katastrophe: Schneehase, Schneehuhn und Murmeltier müssen auch weiter rauf. Nicht bloß wegen der Vegetation: Die Schneedecke – wir sind kurz wieder beim Skifahren – wird nämlich dünner. Und die zusammenhängenden Flächen werden auch kleiner. Der Schnee liegt weniger lang – und wenn, dann eben nur höher. Tiere, die im Schnee leben, müssen aber – erraten – weiter rauf.

Schneehase

Ein weißer Hase sitzt auf einem schneebedeckten Berg, umgeben von schneebedeckten Gipfeln unter einem wolkigen Himmel, inmitten der Schönheit der Alpen, wo sich Skifahr-Enthusiasten trotz des drohenden Schattens der Klimaerwärmung versammeln.

Murmeltiere etwa: Die schützt sieben Monate im Jahr eine dicke Schneedecke über den Bauten. Auch vor Frost. Fehlt der Schnee und es wird plötzlich richtig kalt (was kein Widerspruch zum Anstieg der Durchschnittstemperaturen ist), hat Familie Murmeltier ein Heizproblem. Oder aber sie zieht bergan. Nur: Dort wird es steiler, steiniger und enger – da ist also deutlich weniger Platz. Und von der einen Hoch-Lage erreicht man die nächste oft nicht mehr: Populationen bleiben streng unter sich. Stirbt ein Volk – etwa durch Fressfeinde, kann von außen niemand nachrücken. Auch so funktioniert Artensterben. Der Schneehase wäre dafür ein Kandidat.

Zwei Grad sind viel. Nicht nur für Flora und Fauna. Auch für den „Klebstoff der Berge“ – den Permafrost. Wo der weniger wird, wird Manches lose: Der Alpenverein etwa klagt jetzt schon über Wege, die zu erhalten plötzlich viel aufwändiger wird. Oder sogar unmöglich. Womit wir kurz wieder beim Menschen gewesen wären: Einige alpine Wanderwege nicht mehr nutzen zu können, mag ärgerlich sein – ist aber kein Weltuntergang.

Doch der pirscht sich ebenfalls an: Zwei Grad mehr bedeuten nämlich, dass mehr Wasser aus den Böden verdunstet. Diese Kurve ist nicht linear, sondern schwingt sich exponentiell nach oben. Mehr feuchte Luft bedeutet mehr Regen, ist sie zudem warm, steigt die Gewitterwahrscheinlichkeit. Ebenfalls exponentiell: Starkregen, Hagel und große Gewitter werden dadurch begünstigt. Und häufiger auftreten. Nicht ein- oder zweimal pro Saison sondern signifikant: Ab 2050, sagen die Rechenmodelle, könnten im alpinen Bereich Extremwetterereignisse um 30, vielleicht sogar 50 Prozent zunehmen. Mit allen Folgen.

Aber wir machen uns währenddessen lieber über die wahren Probleme Gedanken: Werden wir morgen noch Skifahren können?

Felssturz

Ein Berg mit einem Erdrutschgebiet am Fuße, umgeben von Bäumen und einem bewölkten Himmel, deutet auf die subtilen Auswirkungen der Klimaerwärmung hin. Diese alpine Umgebung, einst ideal zum Skifahren, erzählt heute eine komplexere Umweltgeschichte.