Paris gilt mittlerweile als Vorzeigestadt in Sachen ökologische Stadtplanung. Blumenbeete, wo früher Beton war, blühende Dachgärten, weniger Abgase, mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer, so möchte die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo die Stadt ökologischer und damit auch lebenswerter machen.

Diese Neuverteilung des öffentlichen Raumes sorgt nicht nur für Wohlwollen, doch die Bürgermeisterin hält an ihrem Kurs fest und hat jetzt ihre Pläne präzisiert.

Das Verkehrsaufkommen in Paris ist enorm, die Feinstaubwerte ebenfalls. In diesem Zusammenhang hat die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo eine Website vorgestellt, auf der jeder jederzeit nachsehen kann, wie die Werte sich entwickeln – die Aktualisierung erfolgt stündlich und liefert Informationen über Stickstoffdioxid-, Ozon- und Feinstaub-Werte. Wenn die Leute wissen, wie hoch die Emissionen sind, werden diese sich auch verändern – so Hidalgos Hoffnung.

„Wir stecken inmitten einer Phase des Wandels. Und was in dieser Phase am schwierigsten ist: Dass wir unsere Gewohnheiten ändern müssen“, sagte Anne Hidalgo im August in einem Interview mit dem Fernsehsender BFMTV.

Partizipatives Budget

Die aufwändigen Planungsprozesse ermöglicht ein großzügiges Budget, das Anne Hidalgo im Jahr 2014 eingeführt hat: Fünf Prozent des für Investitionen vorgesehenen Budgets – in einer Amtsperiode rund fünfhundert Millionen Euro – werden für Projekte genutzt, die mehr oder weniger jeder einreichen kann. Nach einer Machbarkeitsanalyse entscheiden die Pariserinnen und Pariser selbst über die Umsetzung. So kommt viel frischer Wind in die Stadtplanung.

„Es liegt in unserer Verantwortung, diese Arbeit jetzt zu tun. Wenn wir das alles jetzt nicht täten, dann würden wir den Generationen nach uns nicht die Möglichkeit geben, gut zu leben in einer Stadt wie Paris.“

Boulevard statt Autobahn

In einem 60-seitigen Papier hat Anne Hidalgo dazu Stellung genommen was sie in Sachen Ökologisierung der Stadt plant. Unter anderem den Umbau des Périphérique – der Ringautobahn. In nur sechs Jahren soll diese Autobahn zu einem ganz normalen Stadt-Boulevard werden. Schon ab 2020 könnte die Höchstgeschwindigkeit gesenkt werden.

Autos auf einer einzigen Spur

Auch die Spuren sollen neu verteilt werden: Nur noch eine Spur für Busse und Fahrgemeinschaften und eine einzige Spur für Autos, in denen nur ein einzelner Mensch sitzt: „Natürlich wird es auch weiterhin Leute geben, die Auto fahren. Aber: Autos mit Verbrennungsmotoren, in denen ein einzelner Mensch sitzt – diese Modell gehört der Vergangenheit an.“ Die dritte Spur auf dem erneuerten Périphérique soll halb bepflanzt werden und halb den Fahrrädern gehören. Die Zahl der Bäume würde von 10.000 auf 20.000 steigen, die Stadtautobahn würde so zum „grünen Korridor“.

Doch nicht überall stoßen die Pläne auf Verständnis und Wohlwollen: Was ist mit den Baustellen, die entstanden sind, während überall in der Innenstadt Fahrradwege gebaut werden? Sie führen zu Staus, die BFM-Journalistin Ruth Elkrief empfindet sie in Vertretung vieler Pariser Autofahrer als „l’enfer“, also die Hölle: „Das ist die Hölle, mit den Betonpollern, dem Anstieg der Luftverschmutzung et cetera“, sagt Ruth Elkrief. Anne Hidalgo stimmt ihr zu: „Sie haben Recht, ich verstehe den Ärger! Wenn Sie mir sagen, es ist schwer zu ertragen, diese Zeit, diese vielen Baustellen – und gleichzeitig die Verpflichtung, unsere Art und Weise zu hinterfragen, wie wir uns in Zukunft fortbewegen wollen – ja, das ist ein komplizierter Moment. Das stimmt.“

Mehr Fahrradwege, breitere Gehsteige und mehr Straßengrün

Im Copenhagenize-Index, der die Fahrradfreundlichkeit von Städten misst, hat Paris bereits Wien überholt. Mittlerweile fordert sogar die Wirtschaft mehr Fahrradwege, breitere Gehsteige und mehr Straßengrün. Die Kaufleute der Champs-Elysées wünschen sich eine verkehrsberuhigte Zone mit Gemeinschaftsgärten auf der Place Charles de Gaulle rund um den Triumphbogen. 150 Millionen Euro steckt die Stadt in den laufenden Ausbau des Radwegnetzes

Kreisverkehr mit eingebauter Laufbahn

Auf der Place de la Nation im Osten von Paris, an der zwölf Verkehrsachsen, eine Schnellbahn und vier Métro-Linien aufeinandertreffen, wurde im vergangenen Juli ein völlig umgekrempelter Platz eröffnet. Heute zieht der Platz Familien und Erholungssuchende an. Eingebunden in den Umbau waren die – sehr aktiven – Anrainer: und zwar nicht nur auf dem Papier. Sie haben tatsächlich mitgestaltet.

Im Frühjahr 2017 zogen hunderte Pariserinnen und Pariser mit Spitzhacken auf den Platz. Sie entfernten den Asphalt von der Oberfläche, verlegten Rollrasen und pflanzten Blumenbeete. So entstand auch die Idee für die Laufstrecke: Die inneren vier Fahrspuren sollten an sich einfach begrünt werden. Doch im Umgestaltungsprozess hat jemand herausgefunden, dass eine Fahrspur genau vierhundert Meter lang ist. Seither kommen viele zum Trainieren auf den Platz.

Wildnis ist wieder en vogue

Im Norden von Paris wurde ebenfalls ein Gemeinschaftsprojekt – unter der Leitung von Landschafts- und Sozialraumplanern – initiiert. An der alten Vorortelinie Petite Ceinture, die schon Jahrzehnte lang brach liegt, wird öffentlicher Raum neu gestaltet. “Die Anrainer wünschten sich, dass die alte Wildnis zumindest teilweise erhalten bleibt”, berichtet die Architektin, der neue Raum sollte für alle Altersschichten nutzbar sein.

Positiver Nebeneffekt des gemeinsam gestalteten Raums: Probleme mit Vandalismus gibt es nicht, denn die Leute verbringen viel Zeit in ihrem Park und gehen entsprechend sorgsam damit um.

Gemüse vom Dach

Für Yohan Hubert von den “Parisculteurs“, ist Paris „die aktuell inspirierendste Stadt der Welt.” 74 Akteure haben sich verpflichtet, in den kommenden Jahren 100 Hektar städtische Grünflächen zu schaffen, ein Drittel davon ist für die Lebensmittelproduktion reserviert.
Huberts Anlage “Sous les fraises“, also “Unter den Erdbeeren” befindet sich auf dem Dach eines traditionsreichen Warenhauses neben dem Rathaus. Auf 1.400 Quadratmetern wachsen 22.000 Pflanzen in senkrecht angebrachten Stoffpaneelen. Pariser Köche, Eissalons, Destillerien und Brauereien zählen zu den Kunden des Gartens.

Demnächst eröffnet die größte Dachfarm der Welt im Süden der Hauptstadt.

Ich handle

Im Jahr 2018 präsentierte Hidalgo das Büchlein “Respirer”, also “Atmen”: hier gibt sie auf sehr persönliche Weise Einblick in die Grundprinzipien ihrer Politik. “Die erste der großen Herausforderungen für die Stadt Paris, diejenige, die sich auf alle anderen auswirkt, ist der Klimawandel. „Und: “Ich kann handeln. Ich handle.”