Vor acht Jahren gründeten vier Wolkersdorfer mit „Öklo“ ein Miet-Toiletten-Unternehmen, das weniger grausig als die gängigen Plastik-Klos sein sollte. Daraus wurde fast ein kleines Imperium – mit Anspruch auf Nachhaltigkeit. Gründer Niko Bogianzidis im Interview über das nachhaltige Toiletten-Projekt.

Du bist einer der vier Gründer von „Öklo“. Ihr wart Konzertveranstalter – und habt irgendwann beschlossen, statt der gängigen Event-Plastiktoiletten solche aus Holz und mit Nachhaltigkeitsanspruch anzubieten. Wieso?

Ja, wir sind mobiles Toilettenunternehmen: Wir vermieten und verkaufen mobile Toiletten, produzieren die auch selbst und sind heute ein Anbieter für alle möglichen Sanitärlösungen, also auch Urinale oder Waschstationen, Duschen und auch barrierefreie Lösungen, im öffentlichen Bereich, bei Events oder auf Baustellen. Wir kommen aber aus dem Kulturbereich und haben dort unter dem gelitten, was es gab oder eben nicht gab und auch heute noch gibt. Wir wollten etwas anderes haben. Etwas, das sich besser anfühlt. Wir haben die ersten Klos dann selber gebaut – und dann haben wir begonnen, die auch zu vermieten. Und die Nachfrage ist gewachsen.

Das war vor sieben, mittlerweile fast acht Jahren – war das geplant oder ist euch der Erfolg passiert?

Nein, das hätten wir nie erwartet. Mittlerweile haben wir 50 Mitarbeiter:innen und mehrere Niederlassungen – und wir haben derzeit etwas über 600 Toiletten. Was als nette Idee begonnen hat, hat sich entwickelt und wir haben die Aufgaben, die auf uns zugekommen sind, einfach angenommen und gemeistert. Im Nachhinein gesehen war das einfach und die logische Konsequenz davon, dass das wirklich ein gutes Produkt ist. Aber: Nein, erwartet oder geplant war das nicht.

Worin unterscheiden sich eure Toiletten von den anderen am Markt?

Wir unterschieden uns fast in allen Punkten. Es geht um Größe, um Licht, um Komfort. Um Desinfektionsspray, den echten Spiegel, statt einer aufgeklebten Folie. Auch darum, dass die Toiletten betreut – also öfter geputzt werden – aber vor allem auch darum, wie die Hinterlassenschaft abgedeckt wird: Bei uns sind das Sägespäne und keine Chemikalien. Sägespäne haben den enormen Vorteil, dass sie Geruch aufsaugen. Das verhindert, dass sich Harnsäure zu Ammoniak verwandelt und ausgast. Außerdem bedecken die Sägespäne die Hinterlassenschaft – und das macht es für die Nächsten angenehmer. Das entscheidet, ob man etwas grausig findet oder nicht. Die Leute glauben oft, es riecht wegen der Holzkabine anders – aber das macht das Substrat, das drinnen ist.

Es geht um Kreisläufe. Um Kreislaufwirtschaft: Man kann alles zu 100 Prozent wieder verwerten. Man kann Gas daraus machen - und damit heizen. Oder Strom erzeugen. Man kann Pellets machen.

Niko Bogianzidis

Gründer Öklo

Ihr trennt fest von flüssig durch ein relativ schlichtes Sieb. Habt ihr das Plumpsklo neu erfunden? Gab es Trenntoiletten davor nicht?

Wir haben das nicht erfunden. Die Komposttoilette, gibt es schon hunderte von Jahren. Aber das System, die Lösung für Veranstaltungen, hat meines Wissens nach vor uns niemand angeboten. Das schreiben wir schon auf unsere Fahnen. Historisch wurde – im Privaten, also dem Alltagsbereich – schon Vieles als Einstreuer verwendet: Meist Asche oder Erde. Dass wir das heute mobil so machen, eine Trennung haben und die Möglichkeiten der Entsorgung und der Rückführung: das ist schon was Neues. Das haben wir erfunden – und das entwickeln wir auch laufend weiter.

Stichwort Rückführung: Wohin geht das alles? Wenn euer Entsorgungswagen kommt, wenn das Fass unter der Klobrille abgeholt wird: Landet das nicht genauso wie bei den Mitbewerbern in der nächsten Kläranlage?

Wir kompostieren. Beziehungsweise verarbeiten zu kompostähnlichem Substrat. „Kompost“ darf man nämlich nicht sagen – das ist ein geschützter Begriff. Aber unter diesem Begriff kann sich jeder etwas vorstellen. Mehr, als wenn ich sage „Erstverklärungsveredelungsprozess“. Wenn ich also „Kompost“ sage, meine ich kein Produkt im Sinne der Kompostverordnung. Das ist wichtig!

Also es landet nichts dort, wo es auch bei den anderen landet, in der Kläranlage – nur schaut es bei Öklo vor Ort nachhaltiger aus?

Nein, schon lange nicht mehr. Das haben wir teils zu Beginn so gemacht – auch, weil es gar keine anderen Möglichkeiten gab. Wir haben das ursprünglich nicht gemacht, um den Kreislauf zu schließen: Ursprünglich ging es uns wirklich nur um bessere Toiletten. Aber dann hatten wir diese Abfälle. Aber die sind ein Rohstoff – das ist eine Frage der Bezeichnung. Und dann haben wir uns überlegt, was machen wir jetzt damit? Klar: Kläranlage – und was dann kommt, interessiert uns nicht mehr, wäre eine Möglichkeit gewesen. Aber das ist nicht unser Ansatz.

Sondern?

Wir haben Tests gemacht. Geforscht. Recherchiert: Was kann man tun? Sterilisieren durch Hitze – ok. Aber gibt es die Möglichkeit, das auch ohne externe Energiezuführung zu machen? Was kann man mit Urin machen? Es gibt ja auch die Möglichkeit, das alles mit anderen Chemikalien und Stoffen zu mischen – etwa Zement. Wir haben nichts anderes getan, als das mit anderen Substanzen zu mischen – und zu schauen, was passiert. Da sind wir echter Vorreiter: das hat keine Firma, jedenfalls weiß ich von keiner, in dem Ausmaß bisher getan. Das Trennen und das Mischen bringt Möglichkeiten – und die versuchen wir zu nutzen.

Aber: Darf man menschliche Fäkalien wieder in Umlauf bringen?

Das ist teils echtes, auch juristisches Neuland. Man kann sagen, dass wir hier Lobbyarbeit machen. Für eine, wie wir meinen, gute Sache. Wir sind davon überzeugt, dass es möglich ist, Hinterlassenschaften schadstofffrei wieder in den Naturkreislauf einzubringen. Möglich ist es auf jeden Fall mit Dünger, den man aus Urin gewinnen kann. Das darf man, das wird auch auf EU-Ebene schon zugelassen. Wir sind auch schon dabei, den Prozess so zu entwickeln, dass wir das professionell umsetzen können und es nicht nur ein Marketinggag ist.

Bei Fäkalien? Es ist in Österreich ein großes Problem, sie als Dünger oder Kompost wieder zurückzuführen. Deswegen haben wir uns auch anderes überlegt: Fäkalien taugen auch als Baustoff – mit Zement. Oder man könnte sie effizient verbrennen – also etwa damit heizen. Wir sagen nicht: Ok, Ende der Straße – sondern fragen, ob es links oder rechts weiter gehen könnte. Oder ob man nicht schon an einer Abzweigung vorbeigefahren ist.

Reden wir da von kommerzialisierten Abläufen oder von Forschung?

Der Großteil ist verwertet worden. Sehr viel für Studien und Feldversuche. Wir haben jetzt auch die gesetzliche Möglichkeit, gewisse Abfälle eine Zeit lang zu deponieren – bis man sie verwerten kann. Und wir haben oft Ausnahme- und Universitätsgenehmigungen, weil das ja tatsächlich Forschungsarbeit ist. Da können wir vieles sinnvoll verwerten oder eben verarbeiten. Aber immer so, dass es weder für Menschen noch für Tiere oder die Umwelt gefährlich ist.

Gibt es da Zahlen?

Letztes Jahr, 2022, haben wir knapp 300 Tonnen an Feststoffen gesammelt und verwertet. Großteils deponiert. Heuer ist unser Ziel damit unter anderem Düngeversuche auf einem eigens gewidmeten Feld zu machen. Also verschiedene Pflanzenkulturen anzubauen, davor, währenddessen und danach Bodenproben zu nehmen. Und sehr genau zu prüfen, ob das für Tierfuttermittel passt oder sogar lebensmittelverträglich ist.

Es geht darum, Daten zu sammeln und Material zu haben, um dann zu sinnvollen Nutzungsmethoden zu kommen. Da muss gar nicht Österreich der Zielmarkt sein: Wenn wir hier nicht kompostieren können, könnten einige dieser Ideen und Prozesse anderswo durchaus anwendbar sein. Aber das geht nur mit einer guten, umfangreichen und belastbaren Datenevidenz.

Du hast dich Eingang selbst korrigiert, als du das Wort „Abfall“ verwendet hast – und dann zu „Rohstoffen“ gewechselt bist.

Es geht um Kreisläufe. Um Kreislaufwirtschaft: Man kann alles zu 100 Prozent wieder verwerten. Man kann Gas daraus machen – und damit heizen. Oder Strom erzeugen. Man kann Pellets machen: Fäkalien enthalten viel Kohlenstoff. Sie brennen gut, haben eine hohen Heizwert. Das weiß man auch von Kuhfladen, die man super verbrennen kann. Wir wollen auf genau solche Themen fokussieren: Beton-Blumentröge, Lärmschutzwände: in der Bauwirtschaft zählen nur Härte und Qualität des Materials – wenn es ungiftig ist, fragt keiner, was noch drin ist.

Die Verschwendung von Wasser wird ein echtes Thema. Der Klimawandel führt zu weniger Niederschlag und höheren Temperaturen. Wir müssen uns überlegen, welche Zukunftsvarianten oder Möglichkeiten es gibt, um Wasser zu sparen: Durchschnittlich werden fünf Liter pro Person werden pro Toilettengang beim Spülen verwendet.

Niko Bogianzidis

Gründer Öklo

Die Kanalisation, die Kläranlage, die Wasserspülung – das sind große hygienische Meilensteine. Sitzen da in Wolkersdorf ein paar Leuten, die sagen: ‚Alles falsch! Plumpsklo und dann Deponieren bis zum Verwerten ist besser‘? Sind wir 2000 Jahre in die falsche Richtung gelaufen?

Nein, ganz bestimmt nicht! In Ballungszentren ist all das richtig und wichtig und großartig. Es wäre absolut irre, einer Stadt die Kläranlagen abzudrehen und auf Kompost-Toiletten auszuweichen! Ab einer gewissen Einwohnerzahl das macht das absolut Sinn. Es gibt ja nicht nur Fäkalien, sondern auch Abwässer aus Spüle oder Waschmaschine und der Dusche. Was aber sehr wohl – auch in Ballungszentren – eine echtes Thema wird: Die Verschwendung von Wasser. Der Klimawandel führt zu weniger Niederschlag und höheren Temperaturen. Wir müssen uns überlegen, welche Zukunftsvarianten oder Möglichkeiten es gibt, um Wasser zu sparen: Durchschnittlich fünf Liter pro Person werden pro Toilettengang beim Spülen verwendet – durchschnittlich geht eine Person sieben Mal am Tag aufs Klo. Da kommen gigantische Wassermengen zusammen. Da werden in Zukunft große Prüfungen auf die Gesellschaft zukommen: Da denkt jetzt niemand drüber nach.

Ihr tut das?

Wir glauben, dass wir einen richtigen Ansatz in diesem System anbieten. Man könnte das schon auch erweitern. Etwa durch Vakuumpumpen in einem Wohnhaus – und alle Fäkalien in einem zentralen Raum im Keller sammeln. Das ginge sogar in Ballungszentren. Aber: Es ist klar, dass Kanalisation wichtig und gut ist. Aber die Zeiten haben sich geändert und ändern sich weiter – insofern müssen wir uns auch anpassen und auch die Wege der Entsorgung überdenken.

Fühlst du dich als Trendsetter und Missionar?

Ich frage mich, wo wir stehen und wo wir hingehen. Die Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“ haben zumindest eines erreicht: Sie machen uns darauf aufmerksam, dass Österreich noch immer keine Klimastrategie hat.

Es gibt Vordenker und Leute, die sich einsetzen – aber politisch, also gesamtpolitisch, gesehen ist es immer noch vollkommen egal. Da passiert nichts. Das frustriert manchmal schon: Man arbeitet. Man bietet Lösungen an – oft sogar preislich in einem wettbewerbsfähigen Rahmen. Aber das Thema CO2, das Thema Klima, das Thema Wasser – all das ist einfach kein Thema. Es gibt nur das Thema Geld.

Das war jetzt ja auch bei den Gas- und Strompreisen so: Da war das Geld der einzige Grund, dass überhaupt über Einsparungen diskutiert worden ist. Wir sagen: „Die Welt brennt!“ – es ist egal. Leute halten Schilder hoch. Kleben sich auf der Straße fest – es ändert nichts. Erst wenn es ums Geld geht, tut sich etwas.

Das gilt leider auch umgekehrt: Es gibt für so viele Probleme Lösungen, die nicht umgesetzt oder verwendet werden weil sie Geld kosten oder weniger gewinnbringend sind, als andere Dinge.

Das klingt fast resignativ. Warum tust du, tut ihr, trotzdem, was ihr tut?

Weil wir die Personen sind, die wir sind. Ich habe Kinder: Da gibt es keine andere Möglichkeit. Ich will ein Leben leben, wo ich am Schluss sagen kann, dass ich die Welt nicht in einem schlechteren Zustand verlasse, als ich sie betreten habe. Dass ich nicht mehr genommen als gegeben habe. Oder zumindest gleich viel hinterlasse, wie ich genommen habe. Das ist mein persönliches Ziel. Da ist Resignation keine Option.