Wolfgang Studeny ist „Energiesparberater“ bei der Caritas der Diözese St. Pölten. Seit Februar 2023 besucht der gelernte Elektriker, der seit über 21 Jahren als Sozialarbeiter arbeitet, in Niederösterreich armutsbetroffene Menschen. Er misst, überprüft und optimiert ihren Energieverbrauch und tauscht bei Bedarf alte oder defekte Groß-Elektrogeräte gegen neue, energieeffiziente Kühlschränke, Herde, Geschirrspül- oder Waschmaschinen aus. Für die Klient:innen ist dieser Tausch dann absolut kostenlos. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Ist es aber.   

Wolfgang Studeny, könnte man Deinen Beruf in einem Satz so zusammenfassen? Da fährt einer seit einem Jahr durch Niederösterreich und verschenkt Elektro-Großgeräte.

Mit einer gehörigen Portion Zynismus gepaart mit der österreichischen Neid-Mentalität ließe sich das bewusst bösartig so zuspitzen. Aber das geht am Kern der Sache vorbei: Die Menschen, die ich besuche, können sich aufgrund der Teuerung und da nicht zuletzt wegen der Energiekostenexplosion das Leben oft einfach nicht mehr leisten. Alte, energiefressende oder zum Teil auch defekte Geräte sind dabei ein enormer Kostenfaktor und führen noch tiefer in die Armutsfalle. Abgesehen davon liegt es auch klimapolitisch im Interesse der Gesellschaft, unnötige Energieverschwendung zu reduzieren.

Bleiben wir beim Kühlschrank: Wenn der durchläuft und nie abschaltet, kommen alleine da mitunter 300 oder 400 Euro im Jahr zusammen.

Wolfgang Studeny

Energieberater

Ok, bleiben wir sachlich: Was genau tut ein Energiesparberater?

Ich besuche Menschen, die sich in unseren Beratungsstellen melden und schaue mir ihren Energie-Haushalt genau an. Das beginnt mit einer allgemeinen Aufnahme. Also wann das Haus gebaut worden ist, ob und wie es gedämmt ist, in welchem Zustand Fenster und Türen sind, wie geheizt wird, wie das Warmwasser produziert wird und so weiter.

Ich schaue aber auch, wie und womit beleuchtet wird – und dann versuche ich, Tipps zum Sparen zu geben. Tipps, die umsetzbar und leistbar sind: Wer einer Mindestrentnerin sagt, sie soll ihre Fassade dämmen, hat nicht verstanden, wo das Problem liegt.

Was konkret tut man aber stattdessen?

Man macht Augen und Ohren auf: Wenn ich einen Kunden besuche, sitze ich meistens in der Küche auf der Eckbank. Und während ich mir die Stromrechnung anschaue und die Unterlagen überprüfe, bin ich mit einem Ohr immer beim Kühlschrank. Die Frage lautet dann immer, ob der die ganze Zeit rennt, oder ob er zwischendurch auch abschaltet. Und wenn der nie abschaltet, dann ist klar, dass man den wohl tauschen wird.

Das gleiche gilt bei anderen Großverbrauchern: Der Klassiker ist die Dame, die erzählt, dass der Kuchen oben anbrennt und unten noch ganz weich ist. Oder umgekehrt. Oder es gehen nur mehr zwei Herdplatten. Oder im Badezimmer liegen Handtücher vor der Waschmaschine, weil sie rinnt.

Ich hatte vor kurzem einen Fall, da war der Kühlschrank 48 Jahre alt – der ist durchgelaufen.

Häufig fehlen dann auch schon Türen bei Gefrierfächern oder die Dichtungen sind komplett hinüber. Oder bei der Tiefkühltruhe „wächst“ das Eis raus: Eigentlich tauschen wir nur Geräte, die älter als 15 Jahre sind – aber wenn sie defekt sind, wird auch früher getauscht. Eines – oder maximal zwei. Reparaturen sind bei diesen Teilen ja oft gar nicht mehr möglich…

Was bringt und was kostet das?

Für die Leute, die wir besuchen, entstehen keine Kosten. Aber ihr Energieverbrauch sinkt danach schlagartig dramatisch – und das wirkt sich auf ihr Leben und ihre Lebensqualität unmittelbar aus. Weil alte Geräte, auch wenn sie nicht defekt sind, viel mehr Energie brauchen als neue. Wenn das Gerät auch noch defekt ist, potenziert sich das. Bleiben wir beim Kühlschrank: Wenn der durchläuft und nie abschaltet, kommen alleine da mitunter 300 oder 400 Euro im Jahr zusammen.

Viel Geld – aber wenn ich dich richtig verstehe, ist das längst nicht alles, wo Sparpotenzial liegt.

Nein. Es gibt viel mehr. Das sind vermeintliche Kleinigkeiten. Etwa die Frage, ob LEDs oder Glühbirnen verwendet werden: LEDs brauchen rund 80 Prozent weniger Strom. Das summiert sich. Oder die vielen Geräte, die daheim im Standby-Modus laufen: Kaum jemandem ist bewusst, dass das rote Lamperl am Fernseher und an der Soundbar – je nach Größe des Gerätes – auch gut 200€ im Jahr ausmachen kann. Und so weiter und so weiter.
Den meisten fallen richtig die Augen raus, wenn ich ihnen sage, was richtiges Abschalten bringt.

Ich wüsste gar nicht, wo ich meinen Fernsehapparat komplett ausschalte…

Ja, das ist auch gar nicht mehr vorgesehen. Die Schalter sind oft nicht sofort erkennbar. Ich rate dann immer zu einem schaltbaren Dreifachstecker.

… der aber auch wieder Geld kostet. So wie LED-Lampen.

Ja. Aber man kann auch einfach den Fernseher abstecken.

Geht er da nicht kaputt?

Nein. Auch wenn das viele Leute glauben. Und was die LED-Lampen angeht: das muss man natürlich mit Maß und Ziel sehen. Wenn in einem Abstellkammerl, in das man einmal im Monat kurz reinschaut, eine Glühbirne hängt, macht tauschen wenig Sinn. Wenn die ganze Wohnzimmerdecke ein Glühbirnen-Sternenhimmel ist, schon – man kann ja Stück für Stück ersetzen.

Das klingt ein wenig nach Binsenweisheiten.

Wirklich? Vielen Leuten ist tatsächlich nicht bewusst, wieviel Energie zum Beispiel das Anwärmen von 300 Litern Wasser für ein Wannenbad kostet – und was das im Vergleich zu 30 Litern beim Duschen ausmacht.
Noch ein Klassiker: Wenn die Stromrechnung zu hoch wird, waschen die Leute Geschirr mit der Hand. Weil der Geschirrspüler ja so lange rennt. Die sind total überrascht, wenn man ihnen erklärt, dass man so viel weniger Wasser und Strom braucht, weil das Gerät das Geschirr – gerade im Eco-Modus – stundenlang einweicht. Und zum Trocknen macht man eben die Klappe auf.

Alles schön und gut – aber irgendjemand muss die neuen Geräte dann ja doch bezahlen.

Ja, natürlich. Das läuft über den Klimafonds des Klimaministeriums. Das Projekt wurde Anfang 2023 ins Leben gerufen, um bedarfsorientierte Energieberatung für armutsbetroffene Haushalte und Personen zu fördern. Dafür – also für Beratung und Gerätetausch – standen im ersten Jahr österreichweit rund 30 Millionen Euro zur Verfügung.

Wie rasch war der Topf ausgeschöpft? Nach einem Monat? Oder zwei?

Gar nicht. Das Budget wurde 2023 nicht zur Gänze ausgenutzt.

Wieso? Alle Welt jammert über die Teuerung, die Energiekosten gehen durch die Decke, Sozialorganisationen beklagen einen massiven Anstieg der Armut – aber niemand will oder braucht neue Kühlschränke?

Es liegt vielleicht auch daran, dass viele in der Zielgruppe gar nicht wissen, dass es dieses Programm gibt. Ich erlebe das immer wieder – auch bei Kolleg:innen: Ich habe unlängst bei den mobilen Pfleger:innen der Caritas dieses Projekt präsentiert. Meine Kolleg:innen sind ja unmittelbar an der Zielgruppe. Wer, wenn nicht sie, sieht jeden Tag, unter welchen Bedingungen viele – vor allem Ältere und da vor allem Frauen – leben müssen: Auch meine Kolleg:innen hatten zum Teil noch nie von diesem Projekt gehört – aber sie haben an jedem Finger einige Personen, die da anspruchsberechtigt und wirklich bedürftig wären.
Ich habe auch schon auf Bürgermeisterkonferenzen gesprochen: Es hat sich einfach noch nicht herumgesprochen. Manche glauben auch, dass das ein Gerücht ist – weil es zu gut klingt, um wahr zu sein.

Aber haben wir, als Gesellschaft und Staat, soviel Geld, dass wir Elektrogeräte freihändig verteilen und verschenken können?

Niemand redet von „freihändig“. Es gibt klare Richtlinien. Und auch wenn mir unlängst eine alte Dame sagte, der neue Kühlschrank sei „Weinachten, Ostern und Geburtstag in einem“: Ich bin nicht der Weihnachtsmann.
Diese Menschen können sich das Leben einfach nicht mehr leisten – und das nicht aus eigenem Verschulden. Bleiben wir bei dieser einen Dame. Die ist geradezu archetypisch für meine Klientel: Mindestrentnerin. Hat ihr ganzes Leben geschuftet. In der Gastro. Kinder großgezogen, den Haushalt gemacht – und bekommt jetzt 1300 Euro Pension.
Ja, es gibt Teuerungs- und Energiekostenzuschuss – meist als Einmalzahlungen. Aber die Stromrechnung hat sich verdoppelt. Und über explodierte Betriebskosten, Heizung oder Lebensmittel reden wir da noch gar nicht. Das sind Kosten, die monatlich anfallen – was bringt da eine Einmalzahlung? Dabei hat diese Frau sogar noch Glück: Die Wohnung ist Eigentum.

Aber wie kommen diese Menschen über die Runden?

Sie reduzieren, was geht – und darüber hinaus. Diese Frau, zum Beispiel, heizt nur einen Raum. Die Waschmaschine schaltet sie höchstens alle zwei Wochen an. Früher ging sie einmal in der Woche einen Kaffee trinken – das war einmal. Urlaub? Schon lange kein Thema mehr.
Die einzige Unterhaltung ist der Fernseher. Der ist der einzige Luxus, der einzige Ansprechpartner. Der rennt also den ganzen Tag. Ich habe Kunden, die haben Farbe und Licht schon auf absoluten Spar-Minimal-Modus runtergefahren: Wo sollen sie sonst noch was weglassen? Soll man einer einsamen, alten Frau sagen, sie soll auf diesen letzten „Luxus“ verzichten?
Ich sehe es jeden Tag: Die Leute tun, was geht – aber es geht sich hinten und vorne nicht aus. Sie kommen aus dieser Negativspirale nicht heraus.

Aber ist ein neuer Kühlschrank, ist das Abstecken von Standby-Geräten, da nicht nur Symptombekämpfung?

Vor Ort, bei meiner Arbeit, stellt sich die Frage so nicht: Einen neuen Kühlschrank oder Herd könnte sich keiner von denen, die ich besuche, je leisten. Deshalb laufen alte, oft defekte Geräte dann jahrelang und verbrauchen nicht nur Unmengen an Energie, sondern verbrennen auch Geld. Aber vor allem: Sie sorgen dafür, dass Arme noch ärmer werden.