Bettina Steinbrugger ist eine der Gründerinnen der erdbeerwoche, einem Social Business, das sich einem der letzten Tabus unserer Gesellschaft stellt: Der Periode. Nicht nur thematisch ist die erdbeerwoche seit der Gründung im Jahr 2011 revolutionär, sondern auch im Kontext von patriarchalen Unternehmensstrukturen. Gerade ist Bettinas Buch Bloody Business erschienen, in dem sie die Geschichte der erdbeerwoche erzählt und zeigt, wie Business auch social geht.

Bettina, die erdbeerwoche verkauft unter anderem nachhaltige Menstruationsprodukte und leistet Aufklärungsarbeit. Warum ist die Periode auch ein politisches Thema?
Einerseits, weil die Periode eines der letzten Tabus unserer Gesellschaft ist und genau daran hängen viele Probleme, die sich zum einen auf Unwissen und zum anderen auf Falschwissen gründen. Das ist vor allem bei jungen Mädchen stark verbreitet und führt zu Bodyshaming oder einem verminderten Körpergefühl.

Andererseits, weil die Politik in Bezug auf die Periode gefragt ist und etwas ändern muss. Das Thema ist zum Beispiel in den Lehrplänen völlig unterrepräsentiert, aber auch in Bezug auf die Tamponsteuer oder Periodenarmut.

Zum Thema Periode und Politik hast du mit der erdbeerwoche schon einiges angestoßen …

Die Tamponsteuer wurde unter anderem durch unsere Initiative geändert, allerdings gehört sie eigentlich ganz abgeschafft. Menstruationsprodukte sollten gar nicht besteuert werden.
Gerade haben wir eine Petition zum Thema Periodenarmut gestartet. Menstruationsprodukte sollten z.B. am Arbeitsplatz oder in Schulen kostenlos zur Verfügung gestellt werden, weil sie einfach nicht für alle Menschen leistbar sind – gerade mit Inflation und Co.

Du beschreibst in deinem Buch, wie du das erste Mal in die Hofburg gehst und für eure Sache lobbyierst. Hat sich im Laufe der Zeit dein Verhältnis zur Politik geändert?

Sowohl die Berührungsangst  als auch die Scheu haben sich verloren. Wir sind alle nur Menschen. Im Buch beschreibe ich, dass ich vor allem über die Motive der Entscheidungen überrascht und schockiert war. Auch, wenn ich davor schon nicht das beste Bild der österreichischen Politik hatte, hat das meinen Blick nochmal verändert.

Nicht nur in Bezug auf die Politik habt ihr mit erdbeerwoche als frauengeführtes Unternehmen mit einem Tabuthema Erfahrungen gemacht, die unsere Gesellschaftsstrukturen widerspiegeln. Du schreibst auch über die Macho-Start-up-Szene. Was ist damit gemeint?

2015/16  war es wirklich so, dass wir einfach der bunte bzw. der rote Hund waren. Oft waren wir die einzigen Frauen, die vor einem Meer an männlichen weißen Köpfen und potenziellen Investoren gepitcht haben und dann auch noch mit unserem Thema.

Von ihr braucht mehr Testosteron über BH-Verbrennerinnen mussten wir uns einiges anhören. Die Szene war zum damaligen Zeitpunkt ziemlich patriarchal geprägt und hat das Machotum kultiviert.

Hat sich das mittlerweile geändert?

Teilweise. Trotzdem sind die Zahlen ein Trauerspiel: Es gibt rund 19 % weibliche Gründerinnen. Das ist weit entfernt von einer diversen Start-up-Welt und spiegelt sich auch im Umgang wider. Man orientiert sich immer noch an den Mark Zuckerbergs dieser Welt, mit ihrem höher, schneller, weiter. Sich profitabel aufblasen auf Kosten von Umwelt, Mensch und Gesellschaft, geht einher mit einer patriarchalen Struktur.

Dabei geht Unternehmertum auch anders. Genau das wollte ich mit meinem Buch zeigen.

Gerade in Bezug auf Frauen im Allgemeinen und im Social Business Kontext im Speziellen ist der Gedanke des schmutzigen Gelds verhaftet. Also die Idee, dass Gutes tun doch bitte nichts kosten soll.  Wie wird man diesen Gedanken los?

Mir ging es da wie vielen anderen Frauen: Ich habe erst in den 30ern begonnen, auch mein privates Geld aktiv zu managen. Vorher lag es da am Konto und man will es möglichst nicht angreifen. Ich musste selbst erst einen anderen Umgang lernen und das war ein Prozess.

Dadurch, dass ich privat angefangen habe, selbstbewusster damit umzugehen, spiegelt sich dieses Selbstverständnis auch im Unternehmen und meinem Gegenüber wider.

Trotzdem gibt es im Social Business Kontext immer noch dieses Tabu … als wäre es etwas Obszönes, mit Gutem Geld zu verdienen. Deshalb braucht es so dringend Social Businesses, die ein funktionierendes Geschäftsmodell haben. Gleichzeitig muss das Thema Geld und Finanzen vielmehr fokussiert werden.

Mit erdbeerwoche habt ihr nicht nur thematisch Tabus gebrochen, sondern auch im unternehmerischen Kontext. Wie fühlt es sich an, eine Revolutionärin und Tabubrecherin zu sein?

Die meiste Zeit im Alltag fühle ich mich gar nicht so revolutionär oder tabubrecherisch.

Oft vergisst man, was man schon erreicht hat und dass man tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zur Entstigmatisierung beigebracht hat.
Trotzdem ist es eine schöne Sache, wie sich das Thema weiterentwickelt und rechtfertigt auch die vielen Mühen und tiefen Täler, die man durchschritten hat. Gleichzeitig bestätigt es mich immer wieder darin, den richtigen Weg gegangen zu sein.

Dein Buch soll nicht als Start-up-Ratgeber fungieren, sondern eure Geschichte über eine  andere Art des Unternehmertums erzählen. Warum sollten mehr Frauen gründen?

Ich möchte gar nicht zu viele Klischees bedienen. Dass Frauen sozialer sind und tendenziell eher die nachhaltigen Unternehmen gründen, mag schon so sein, aber aufs Individuum herunterbrechen kann man das nicht.
Aber derzeit haben wir einfach ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen und das ist in der Welt nie gut. Deshalb ist es auf allen Ebenen wichtig, dass Frauen sichtbarer und unabhängiger werden, sich einbringen und so die Gesellschaft mitgestalten.

Danke für das Gespräch.

 

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