Über die tiefere Bedeutung der Klimaproteste, die Spezies „Homo Doing“ und warum Wissen ohne Weisheit, ohne Empathie und ohne Spürsinn zerstörerisch ist.

Die Symbolkraft Greta Thunbergs Aussage in Davos beim Weltwirtschaftsforum „I want you to panic!“ ist klar ersichtlich. Es war ein Aufruf des Aufbruchs und ein Aufruf für intuitive Weisheit, für Spürsinn. Ein Großteil erkennt nicht innerlich, um was es die nächsten Jahre gehen wird. (Anmerkung: Journalist:innen und Politiker:innen sprechen mittlerweile auch nicht mehr von entscheidenden Jahrzehnten, vielmehr von Jahren.) Wenn ich mir im Fernsehen oder Internet die Nachrichten über Klimaaktivist:innen ansehe, die im Leopoldmuseum schwarze Farbe auf das Klimt Gemälde „Tod und Leben“ oder in Deutschland oder Italien Kunstwerke, die hinter Glas geschützt sind, mit Suppe angeschüttet werden, dann nehme ich jene Aktionen als einen manifestierten Ur-Schrei der Wut war. Eine milde Übersetzungs-Variante könnte „Wacht auf!“ lauten, genauer betrachtet, würde ich es allerdings dann doch als „Verdammt noch einmal. Wacht endlich auf!“ auffassen.

Die Erkenntnisse sacken, langsam, stetig. Chips, Entertainment, einzementierte, normal-erscheinende, intellektuell-abgehobene, identitätsstiftende Wertemuster, der Norm entsprechende Verhaltensweisen und Meinungen, die durch ein Übermaß materiellen Zuschüttens, Medikamente und Alkohol verstärkt werden, überlagern den Spürsinn für nachhaltigen Allgemeinwohlsinns-Wandel. Auch weil die Spezies Homo Doing sich in einem markanten Muster des „Ich tue, also bin ich“ verfangen hat und seinen Selbstwert darauf baut. Dies zeigt sich einerseits in zerstörerischen Wesenszügen des brav, geschäftig und Fleißigseins wieder, das einem womöglich in der Erziehung oder im sich fügsamen Unterrichten des Schulwesens prägend widerfahren ist. Mitunter sind auch Tendenzen in der Werbebranche zu beobachten, die durch „Unqualitäten“ der Gier haben zu wollen, der Habgier, durch Slogans wie „Geiz ist geil“ für einen gesellschaftlichen Ton der Normalität sorgt, mitverantwortlich.

Es scheint, dass die Urwurzel des Leids, und daraus hervorgehenden zwanghaften Verhaltens, auf ein flüchtendes Tun vor der eigentlichen Auseinandersetzung der traumatischen Ursache zurückzuführen ist.

Ernst Merkinger

Natürlich war beispielsweise der Wiederaufbau in der Nachkriegszeit essenziell notwendig, das allerdings ebenso in ein Übermaß des Tuns geführt hat, das wiederum zu einem wirtschaftlichen Aufschwung weitergeführt hat, der wiederum in eine gesellschaftlich-geistige Verblendung geführt hat, auch wenn jener als Chance der Innenschau genützt werden kann und immer mehr auch wird. Jene Störungen des Krieges sind emotional abgespeichert, werden da und dort über Generationen hinweg systemisch weitergetragen, wenn keine tiefgründige, ehrliche Auseinandersetzung damit transformierend stattfindet, um freien und natürlichen Sinnes handeln zu können.

Der funktionstüchtige Mensch ist in einer sich tuend-flüchtenden Störung verfangen. Die auf uns zukommenden Ereignisse (z. B. Herausforderungen rund um die Klimakrise, Migrationsströmungen, Überbevölkerung, Ressourcenknappheit, Viren, etc.) werden aufgrund der Dringlichkeit und Unausweichlichkeit einerseits die Prozesse des Wandels beschleunigen und gleichermaßen vermehrt zur bewussten Wesentlichkeits-Besinnung potenziell führen. Dass da wie dort gleichermaßen auch Akte des massenpsychotischen Verhaltens sich häufen werden, ist vorprogrammiert und die letzten Jahre, u.a. im Umgang mit Corona, verstärkt zu erkennen.

Die Verschmelzung vom Human Doing & Human Being zum Homo Sapiens

„Ich denke, also bin ich“ hat sich zu einem Übermaß des „Ich tue also bin ich“ „weiterentwickelt“, die in die Sackgasse der Zerstörung geführt hat. Dies ist eine Erkenntnis des potenziellen Friedens und der Entschleierungs-Möglichkeit, einen weiteren Schritt in der Menschheitsgeschichte zu setzen. Eine Chance für die Menschheit und einen damit einhergehenden Aufbruch in eine Epoche des möglichen weisen, friedvollen Allgemeinwohlsinns.

Dieses tendenziell gehetzte, verkrampfte, kämpferische Ellbogen-Verhalten, das zu den Krankheiten des 21. Jahrhunderts, Stress und Burn-Out, geführt haben, gilt im konditionierten Auge des Kollektivs als durchaus ehrenwert, weil man im Blick der Gesellschaft alles für seine Leute getan hat, Leistung erbracht hat, Wert, also Geld und Ruhm nach Hause gebracht hat – bis man nicht mehr konnte. Mehr „Saft“ hat die Zitrone „Mensch“ einfach nicht hergegeben können.

Dass der Mensch sich durch jenes Verhalten der Objektivierung und Natürlichkeits-Entfremdung in die Sackgasse der Selbstzerstörung bewegt, ist offensichtlich für einige Human Doings ein unausweichlicher, vorgegebener Weg, der für jene gleichermaßen, machtbesessene, selbstoptimierte und kontrollierte Art Mensch qualvoll enden könnte, weil genau jene Verhaltensweisen die nächsten Jahre Schritt für Schritt zum Vorschein kommen werden, sich als krankhaft herausstellen werden.

Und gleichermaßen ist zu beobachten, dass ebenso für einen Teil der Gesellschaft transformativ-potenzierte Einsichten und Erkenntnisse einfließen, weil es nicht mehr zu übersehen und überspüren ist, dass wir uns vom Human Doing zum Human Being besinnen sollten, um dadurch sich nicht selbst zu zerstören bzw. den Lebensraum Planeten Erde unbewohnbar zu verwüsten, zu hinterlassen. Und dies bedeutet, dass ein „Transformieren“ der Unbewusstheit sich anbietet. Die Form des konditioniert Unbewussten wird zu einer Form des Bewussten. Der Mensch wird durchlässiger, feinfühliger für eine gesunde, wesentliche, kraftvolle Form des Lebens.

An dieser Stelle sei mit jenen Zeilen gesagt, dass Tun oder Denken nicht etwas Schlechtes sei. Vielmehr biete ich eine genauere Betrachtung an, dass Denken und Tun vielerorts in egozentrierter, zwanghafter, bedürfnisausgerichteter Form stattfindet und nicht in wesentlicher, praktischer, interessensbasierter Weise, sodass Mensch und Natur endlich (auf)atmen können, der Mensch wahrlich beginnt aufzuwachen, zu leben.

Mit der Klimakrise sollte sich jede:r auseinandersetzen.

Handeln durch Nicht-Handeln

„Wu-Wei“ ist eine Wesenslehre des Taoismus – es ist damit ein „Nicht-Handeln“, „Nicht Tun“ gemeint, das nicht als nichts Tun oder gar faul sein zu verstehen ist, vielmehr ist ein Verzicht auf gegen einen natürlichen Verlauf gerichteten Handelns zu verstehen. Die Natur zeigt uns dies in brillanter Weise vor. Sie handelt in wesentlicher Form, in synergetisch-allgemeinwohlerfülltem Sinne. Das vernetzte Miteinander-Wirken zwischen Pilzen und Bäumen oder zwischen Bienen und Blumenwiesen lassen dies phänomenal erkennen.

Es kann durchaus gesagt werden, dass die Natur sich durch die Klimakrise in alchemistischer Weise erinnernd zeigt, sodass die egozentrierte Unbewusstheit des Menschen in der Erhitzung weniger wird, der Mensch gedrängt wird durchlässig zu werden, zu spüren, sodass er sich der Natur des Menschseins bewusst wird und sich zu einem Homo Sapiens in ganzheitlicher Form wandelnd auszurichten. Ein evolutionärer Prozess des Verschmelzens von angeeignetem Wissen mit intuitiver Weisheit, sodass ganzheitliche Intelligenz zum Vorschein kommen kann. Denn Wissen ohne Weisheit, ohne Empathie und ohne Spürsinn sind zerstörerisch.