Die Omnipräsenz von Plastik nimmt mittlerweile auch den menschlichen Körper ein. Doch was die genauen gesundheitlichen Folgen angeht, tappen wir weitgehend im Dunkeln.
Plastik. Wohl eine der raffiniertesten Erfindungen der Menschheit. Ein Material, so leicht, beständig, einfach zu formen und zu reinigen, isolierend, vielseitig und billig, revolutionierte es unsere Welt. Produzierte man 1950 weltweit noch 1,7 Millionen Tonnen des Wundermaterials, waren es 2018 fast 360 Millionen. Asien ist mit 51% der größte Plastik-Produzent, Europa folgt mit 17% weit abgeschlagen an dritter Stelle. Es gibt wohl kaum einen Bereich des täglichen Lebens, in dem Plastik nicht eine zentrale Rolle spielt. Für einige, wie Medizin, ist es sogar von substanzieller Ersatzlosigkeit. Entgegen des weit verbreiteten Glaubens hat Plastik nicht ausschließlich eine umweltzerstörerische Eigenschaft inne, sondern ist in mancherlei Hinsicht überhaupt erst die Bedingung umweltfreundlichen Handelns, spielt es doch eine zentrale Rolle in Ressourcen-Effizienz. „In terms of overall ecological characteristics (…), plastics are superior to other materials in numerous applications.“, heißt es in einer kürzlich von der MedUni Wien publizierten wissenschaftlichen Arbeit. Der beinahe Augenzwinker-Titel stellt mit „to waste or not to waste“ eine Frage, die sich in den folgenden Seiten mit erschreckender Ungenauigkeit erübrigt. Denn bei all seiner vermeintlichen Grandiosität ist die Schattenseite doch erheblich.
Wir nehmen Plastik auch mit der Nahrung auf
Erschreckende Ungenauigkeit, denn man weiß skandalös wenig über die Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik (MNP) im menschlichen Körper. Ein Problem, das sich nunmehr unabwendbar stellt, auch wenn wir es verdrängen und nicht wahrhaben wollen. Die Dringlichkeit weiterführender Forschung ist groß. Mal abgesehen davon, dass Plastik in vielen Produkten absichtlich enthalten ist (z.B. in Kosmetika bis zu 10%), gelangt es auch über Verpackungen in Essen und Trinken, und schließlich in unseren Körper. Wer aus Plastikflaschen trinkt, nimmt pro Jahr 90 000 MNP-Partikel zu sich. Baby-Fläschchen sind hierbei nicht ausgenommen. Wer Leitungswasser trinkt, „nur“ 40 000, dependierend auf die geografische Lage. Nicht nur in Trinkwasser, auch in Milch, Honig, Obst und Gemüse und anderen Lebensmitteln wurde MNP festgestellt.
Durchschnittlich nehmen wir pro Tag zwischen 106 und 120 MP-Partikel allein übers Essen zu uns, pro Woche insgesamt schockierende 5 Gramm Plastik, das entspricht in etwa einer Kreditkarte.
Besonders stark betroffen sind Fische und Meersalz. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass Unmengen an Kunststoff und Kunststoff-Partikeln ins Meer gelangen. Viele denken hierbei primär an Kosmetika im Abfluss. Jedoch machen diese nur einen kleinen Teil des primären Mikroplastiks (designed für den kommerziellen Gebrauch) aus. Von weitaus größerer Signifikanz sind beispielsweise Reifenverschleiß oder Textilien. Wäscht man 6kg synthetische Kleidung, gelangen über 700 000 große MP-Partikel ins Abwasser. Kläranlagen können MNP nicht filtern. Es gelangt über verschiedenste Wege ins Meer, oder über Klärschlamm in die Erde und kann mittlerweile in der Atmosphäre (wir atmen es auch ein) und allen Ökosystemen gefunden werden. Auch in Tieren und mittlerweile auch im Menschen. Und das ist gefährlich.
Plastik macht krank
Nicht nur die Plastik-Partikel selbst, auch und vor allem die darin enthaltenen Chemikalien und Toxide, sowie solche, die sich in der Natur auf ihnen anreichern, haben fraglos Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Solcherlei Chemikalien können auch Zellmembranen passieren. Der Verdauungstrakt ist besonders betroffen, aber nicht ausschließlich, denn MNP kann im Körper zu anderen Organen wandern. Des Weiteren haben manche der in und auf den Partikeln enthaltenen Stoffe eine hormonelle Wirkung. Mögliche Folgen sind diverse Formen von Krebs, eine Veränderung des Mikrobioms im Verdauungstrakt, eine erhöhte Darm-Durchlässigkeit, ein behinderter Stoffwechsel und diverse chronische Stoffwechsel-Erkrankungen wie Diabetes oder Fettleibigkeit, chronische Leber-Erkrankungen, Entzündungen, ein fehlerhaftes Immunsystem, eine erleichterte Aufnahme anderer schädlicher Stoffe, Tumore, oxidativer Stress, Membran-Schädigungen, eine erniedrigte Zell-Lebensfähigkeit, diverse hormonelle Aktivitäten oder deren Behinderung, eine teilweise Zell-Dysfunktion, sowie eine Veränderung der DNA und damit Erbkrankheiten, die über Generationen weitergegeben werden können. Jedoch sind wissenschaftliche Daten bisher äußerst rar und vage. Unser derzeitiger Wissensstand ist von Mutmaßungen geprägt.
Das ist angesichts der Drastik der gegenwärtigen und zukünftigen Situation nicht nur hinterfragenswert, sondern eindeutig problematisch. Einmal mehr führt es uns vor Augen, wie ignorant Menschen in ihrer Lebensweise vorgehen, wie sie offensichtliche Hilfeschreie gekonnt und diskret beiseiteschieben, nicht erwartend, dass ihr Handeln nun doch nicht lediglich die nachfolgenden Generationen, sondern auch sie selbst in gehörigem Ausmaß betrifft. So wurscht ist es nicht. Die EU-Kommission erarbeitet derzeit ein Verbot für zugesetztes Mikroplastik in Kosmetika. Viel zu spät, und viel zu wenig weitreichend. Wie so oft. Greenpeace hat daher eine Petition gegen Mikroplastik gestartet. Die wissenschaftliche Aussendung zitiert Albert Einstein: „We shall require a substantially new manner of thinking if mankind is to survive.“. Wie recht er doch hatte.
Quellen:
- Uni Wien, “to waste or not to waste: questioning potential health risks of micro- and nanoplastics with a focus on their ingestion and potential carcinogenicity”
- https://plastik.greenpeace.at/mikroplastik/
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