Um Österreichs Politik zu effizienten Klimaschutzmaßnahmen zu zwingen, brachten 12 Jugendliche im Februar beim Verfassungsgerichtshof eine Klimaklage ein – einer davon ist der 17-jährige Levi Resch. Im Juli wurde sie – aus „formalen Gründen“ zurückgewiesen. Diesen Herbst will das Klimaklage-Dutzend die neu formuliere Klage erneut einbringen. Im Interview mit Levi Resch über Generationengerechtigkeit und Hoffnung in Zeiten der Klimakrise.

Levi, wer bist du – und was macht dich zu einem „Klimakläger“?

Ich heiße Levi, bin 17 Jahre alt und bin in einem niederösterreichischen Gymnasium gerade im Maturajahrgang. Ich engagiere mich als Klimaaktivist, war zwei Jahre in der Schüler:innenvertretung aktiv und spiele Geige und Klavier.

Im Grunde also ein ganz normaler Jugendlicher – wäre da nicht die Sache mit der Klimaklage. Was ist da die Geschichte?

Wir, also die „Klimakläger:innen“, sind 12 Kinder und Jugendliche. Wir sind alle in der Klimabewegung aktiv und waren in den letzten Jahren bei den Klimastreiks mit „Fridays for Future“ und auch auf der Straße dabei.

Es gibt Petitionen, Vorträge, Weiterbildung, ein Klimavolksbegehren – also wirklich viel. Aber trotzdem fühlen wir uns nicht gehört. Wir haben auch nicht das Gefühl, dass irgendwas weitergeht.

Deshalb hatten wir mit der Anwältin Michaela Krömer, die sich in Klimafragen extrem engagiert, die Idee, den Staat zu verklagen. Das hört sich krass an, wenn Kinder und Jugendliche den Staat verklagen – aber es ist wichtig, die Politik zum Handeln zu bringen, wenn sie nicht selbst ins Tun kommt.

Aber wie funktioniert so eine Klage, worauf fußt sie?

Wir haben da eine Connection zwischen den Kinderrechten in der Verfassung und dem „Klimaschutzgesetz“ – das bitte unter Anführungszeichen – hergestellt. Das Klimaschutzgesetz ist aus unserer Sicht problematisch, da es nur unzureichend das Klima schützt und damit unserem in der Verfassung festgeschriebenen Recht auf Schutz und bestmögliche Entwicklung widerspricht. Darum haben wir im Februar beim VfGH-Klage eingereicht.

Und dann?

Das Echo war sehr sehr groß und sehr positiv. Es wurde als positive Aktion wahrgenommen, hinter der auch große Teile der Bevölkerung stehen. Wir haben jedenfalls viele gute Rückmeldung bekommen. Auch in den Medien von ZIB, über Standard bis hin zu BBC/Washington Post wurde über uns berichtet – und im Juli kam dann das Urteil, dass …

… ich unterbreche dich hier. Bevor wir zum Urteil kommen, würde ich gern noch genauer über den Grund der Klage reden.

Was genau ist das Problem? Klimaschutz zur Sicherung der Zukunft ist doch ohnehin in aller Politiker:innen Munde. Fühlt ihr euch trotzdem unverstanden und unvertreten?

Wir fühlen uns nicht einfach nur nicht vertreten:

Ich habe manchmal das Gefühl, dass manchen Personen der älteren Generationen unsere Zukunft wurscht ist. Denn es ganz offensichtlich, dass da zu wenig passiert in Österreich.

Levi Resch

Dabei geht es nicht um irgendwas, sondern um unsere Zukunft. Darum müssen wir das einfordern: Hier geht es um die Lebensgrundlage von uns allen. Wir fühlen uns da nicht einfach nur nicht vertreten, sondern verraten.

Macht dich das wütend?

Ich habe mich früher oft frustriert gefühlt. Da ist so ein enormes Ohnmachtsgefühl: Wenn ich mit dem Rad in die Musikschule fahre, wenn ich Müll trenne, wenn ich vegetarisch lebe – dann ist das zwar besser als nichts, aber es lässt mich und alle anderen trotzdem vor den strukturellen großen Problemen ohnmächtig dastehen: Da wird nichts gemacht.

Darum braucht es große Hebel, die betätigt werden. Aktionen, wie die Klimaklage. Die hat mir auch wieder Hoffnung gegeben.

Der Vergleich ist spannend: Du als „kleines“ Individuum versuchst, das Richtige zu tun, aber im Großen tut sich nichts. Oder zu wenig. Aber: ist Österreich im großen, globalen Vergleich nicht genauso klein und ohnmächtig, um nicht zu sagen irrelevant, wie du im Kleinen?

Also dazu muss man schon sagen, dass Klimaschutz Menschenschutz ist. Man schützt auch Menschen in Österreich, wenn wir auf unsere Natur aufpassen. Es hat einen Benefit für uns, wenn wir etwa weniger Flächen versiegeln. Außerdem hat Österreich eine historische Verantwortung. Wir haben seit der industriellen Revolution so viel aufgebaut, dass wir jetzt ein Vorreiter sein könnten – mit gescheiten Technologien oder echter Klimaneutralität.

Und das Argument „geht’s in China protestieren oder in den USA“ stimmt nicht: der Prokopfausstoß ist bei uns problematisch hoch.

Gut, dann setzte ich dir das nächste klassische Argument vor. Du redest selbst von neuen Technologien: Mit denen werden wir doch ohnehin alle Probleme im Handumdrehen lösen – ohne jeden Verzicht.

Es ist so unheimlich heuchlerisch zu sagen, „ja, die Technologien kommen eh noch“. Was längst tatsächlich da ist, ist der Konsens der Wissenschaft, und mittlerweile auch der Gesellschaft, wie wirksamer Klimaschutz auszusehen hat. Aber das wird ignoriert. Und dann werden auch die Jungen ignoriert, die drauf aufmerksam machen.

Das ist ein schäbiges Argument, um sich vor Verantwortung zu drücken. Und es trägt dazu bei, dass nichts weitergeht.

Hier schließt sich dann der Kreis: Man wird nicht nur ignoriert, sondern auch für blöd verkauft.

… und da bleibt als gewaltloser Weg nur die Klage?

Genau.

Ich bleibe bewusst polemisch: Die habt ihr also eingebracht – und der Gerichtshof sagte „Yay, super! Die Jugend stellt sich auf die Hinterbeine! Damit kriegen wir die träge Politik endlich in die Gänge!“.

Nein, im Ernst: Wie ging es weiter?

Anfang Juli kam das Urteil. Aus formalen Gründen hat der Verfassungsgerichtshof das Anliegen zurückgewiesen. Das ist natürlich schade. Wir hätten gehofft, dass er sich zumindest inhaltlich damit beschäftigt. Aber das Urteil ist sehr pauschal gefasst und sagt, dass unser Antrag zu eng gefasst ist und dass auch dann, wenn wir das Herausnehmen, der Rest formal nicht passt.

Ich betone jetzt mal das Positive: Der Verfassungsgerichtshof hat zumindest nicht gesagt, dass Kinderrechte nichts wert sind. Denen war das wohl ein zu heißes Eisen – und bevor man sich äußert oder sich traut, sich zu äußern, machen sie lieber nichts.

Enttäuscht?

Das wäre eine enorme Chance gewesen. Andererseits war auch damit zu rechnen. Aber wir lassen nicht locker: Noch diesen Herbst reicht unsere Anwältin Michaela Krömer die Klage nochmal ein. Erweitert um sogenannte „Eventualanträge“.

Ok, das ist das Formale. Aber wie ging es Dir und Deinen Mitkläger:innen mit der Zurückweisung?

Es ist niederschmetternd. Ich meine: Ich kann rational verstehen, was sie meinen. Aber: Was sollen, was können wir denn bitte noch machen, um Klimaschutz einzufordern – ohne dafür kriminalisiert zu werden oder den Vorwurf bekommen, instrumentalisiert zu werden?

Das ist die grundlegende Frage, die mich beschäftigt: Was, bitte, soll denn noch geschehen, dass endlich gehandelt wird, wenn auch dieses Mittel nicht wirkt?

Andererseits sehen wir, dass immer mehr solcher Klagen eingereicht werden. Manche sind auch erfolgreich. Das gibt Hoffnung: Die in Deutschland etwa, ging ja durch – und auch in anderen Ländern wird geklagt.

Aber wie geht es bei euch jetzt weiter? Gibt’s da was Neues oder bringt ihr die Klage so lange ein, bis der Verfassungsgerichtshof die Nerven wegschmeisst und sagt „in Gottes Namen: mach ma halt was…“?

Was ändert sich denn an und in der Klage?

Die Michaela Krömer reicht die Klage nochmal ein – ergänzt um sogenannte „Eventualanträge“. Weil der letzte Antrag, so der VfGH, „zu eng“ gefasst sei, wird jetzt erläutert, welche argumentativen und inhaltlichen Zusammenhänge bestehen. Wenn der Verfassungsgerichtshof also sagt „dieser Aspekt passt uns nicht“, können wir vielleicht den nächsten hinzugefügten Antrag noch dazu- oder nachreichen.

Aber: Ich bin Schüler, kein Jurist.

Korrekt. Da Wege zu finden, ist Aufgabe von hochspezialisierten Juristinnen und Juristen. Wir haben darüber auch schon mit Michaela Krömer gesprochen – und werden es auch wieder tun. Nicht zuletzt, weil wir als oekostrom AG dieses und andere Anliegen bewusst unterstützen.

Aber: Was passiert, was ändert sich, wenn die Klage doch Erfolg haben sollte?

Der Vorteil des Rechtsweges ist, dass ein Spruch bindend ist. Deutschland hat das gezeigt: Da hat der Verfassungsgerichtshof in Karlsruhe einer Klimaklage stattgegeben – und dann mussten die Klimaziele so nachgebessert werden, dass sie dem entsprechen. Und wirken.

Das wäre in Österreich genauso. Das wäre ein enorm wichtiger Schritt, weil ein Klimaschutzgesetz die Grundlage dafür wäre, um auch Planungssicherheit zu haben. Also auch für die Wirtschaft. Man könnte Klimaschutzmaßnahmen effektiver auf den Weg bringen – aber vor allem hätte es Konsequenzen, wenn Zielvorgaben nicht erreicht werden.

Aber was nutzt es, wenn der Verfassungsgerichtshof sagt, „ihr müsst“ – und die Politik trotzdem nichts tut. Das wäre ja nicht das erste Mal…

Wahrscheinlich würden sie versuchen, möglichst wenig zu machen. Aber ich versuche positiv zu bleiben und hoffe, dass sie handeln.

Aber in Wirklichkeit ist es total grotesk: Wie absurd ist es, dass eine Regierung, oder generell die Politik, auf Jugendliche wartet, die sie oder den Staat verklagen, um Klimaschutz einzufordern – obwohl Lösungen längst ausgearbeitet in der Schublade liegen?

Levi Resch

Es gibt Vorschläge zu einem Klimaschutzgesetz. Es gibt Klimaschutzmaßnahmen, die vom Klimarat und aus der Bevölkerung kommen. Es gibt die Forderungen des Volksbegehrens, die man umsetzen könnte. All das wird ignoriert.

Da frage ich mich echt: wieso müssen Jugendliche die Verantwortung der Erwachsenen übernehmen und reifer sein als sie?

Politiker und Politikerinnen sind selbst Eltern oder Großeltern. Auch wenn der Levi Resch ihnen wurscht bist, haben sie Kinder und Enkelkinder. Glaubst du, dass die ihnen auch wurscht sind?

Natürlich sagen sie, dass sie ihnen nicht egal sind. Dass ihre Zukunft wichtig ist. Aber an ihren Taten sieht man, dass sie offenbar noch immer nicht gecheckt haben, dass sie die Lebensgrundlage ihrer eigenen Kinder und Enkel verbraten.

Das ist auch Teil der Klage: Kinderrechte garantieren ein Recht auf eine lebenswerte Zukunft und bestmögliche Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit.

Das ist eine schwülstige Phrase, aber eigentlich etwas Starkes: Generationengerechtigkeit bedeutet, dass keine Generation das Recht hat, auf Kosten der ihr nachfolgenden zu leben. Aber genau das passiert – völlig enthemmt und ohne irgendwelche Konsequenzen.

Gibt es einen Zeithorizont, bis wann eine Antwort auf die nun bald eingebrachte zweiter Version der Klage da sein soll?

Beim VfGH ist das schwierig. Wir haben auch nicht gewusst, wann das letzte Urteil kommt würde. Man weiß nur, es wird – etwa – „in der zweiten Quartalsitzung“ oder „der Sommersitzung“ behandelt. Danach kommt irgendwann ein Urteil.

Aber haben wir die Zeit, auf das Mahlen der Mühlen der Justiz zu warten?

Nein. Dass wir den Rechtsweg beschreiten, ist ein Ausweg, ein Akt der Verzweiflung. Weil wir sehen, dass die Handlungsnotwendigkeit so enorm ist. Weil jetzt endlich wirklich was geschehen muss. Weil wir mit den jetzigen Szenarien schon auf 2,7°C Erderhitzung zusteuern.

Der Ball liegt bei der Politik – und die dürfen auch ohne um Hilfe rufende Jugendliche durchaus etwas tun: Die müssen wirklich nicht auf uns warten!