Claudia Schauflinger ist Expertin für kindgerechte Hausmittel. Zu diesem Thema hält sie seit vielen Jahren Seminare, Kurse und Vorträge. Eben ist ihr Buch Bäuchlein-Öl und Zwiebelsocken in zweiter, erweiterter Auflage erschienen. Uns hat sie verraten, wie Hausmittel Kinder natürlich unterstützen können.

Wurden Sie schon mit Hausmitteln behandelt?

Hausmitteln waren in meiner Familie tatsächlich ein großes Thema. Als ich Kinder bekommen habe, hat mir das viel Sicherheit gegeben. Ich habe Hausmittelrezepte von meiner Mutter und Oma angewandt und immer mehr Freundinnen haben mich gefragt, wie ich das mache.

Sind Hausmittel Frauenwissen?

Es war traditionell Frauenwissen, da die Frauen die Domäne über Küche und Kräutergarten hatten. Die Arbeiten rund ums Haus waren Frauenarbeiten. Sie haben durch die Verarbeitung der Kräuter und Lebensmittel die Qualitäten sehr gut gekannt. Und da die Frauen auch für die Pflege der Kinder verantwortlich waren und meist noch immer sind, ist das Hand in Hand gegangen. Natürlich wurde dieses Wissen auch von den Klostergärten und später von den Universitäten vereinnahmt. Aber auch heute noch ist es Frauenwissen. Für meine Kurse interessieren sich hauptsächlich Frauen und ich spreche in meinem Buch die Leser*innen in weiblicher Form an.

Claudia Schauflinger, Foto: Barbara Wirl

Sind die alten Rezepte noch aktuell?

Hausmittel sind ein sehr altes Wissen. Es ist erprobt und wurde ständig erweitert, das Wissen wurde über viele Generationen weitergegeben. Es ist eine lebendige Tradition und dieses Wissen soll natürlich auf die heutige Zeit angepasst werden.

Viele Zutaten oder Rezepte sind überholt. Ein altes Rezept für einen Kinderschlaftee hat Schlafmohn enthalten. Das macht man natürlich nicht mehr. Auch sehr großflächige Zwiebelwickel, die den Kindern in den Augen brennen und sehr unangenehm sein können, mache ich so auch nicht mehr.

Also kann man sich nicht nur auf die Tradition berufen?

Ich hinterfrage sehr kritisch: Was hat auch heute noch seine Berechtigung? Nicht nur eine kindgerechte, sondern auch eine elterngerechte Anwendung ist sehr wichtig. Früher waren Hausmittel oft sehr aufwändig, tagelang hat man Sachen eingekocht, das kann heutzutage niemand mehr leisten, meist arbeiten beide Elternteile. Früher musste man auf diese sehr aufwändigen Rezepte zurückgreifen, da die Alternativen der modernen Medizin ja fehlten.

Wie siehst du das Nebeneinander von Schulmedizin und Hausmitteln?

Die Kooperation mit der Schulmedizin hat viele Chancen, und ich muss sagen: Die werden mittlerweile auch gut gelebt. Viele Kinderärzt*innen empfehlen zuerst Ölwickel statt Hustensäfte, da ja auch die Wirkung von Hustensäften sehr umstritten ist. Ich habe schon öfters in Ordinationen Vorträge gehalten, da die bewährten Rezepte den Eltern nicht mehr geläufig sind. Ärzt*innen aber im Berufsalltag leider kaum Zeit haben, um Anwendungen ausführlich zu erklären.

Wichtig ist, dass es Hand in Hand geht. Die moderne Diagnostik nutzen, um ernstere Erkrankungen auszuschließen, und folglich entscheiden zu können ob diese Krankheit gut mit Hausmitteln zu Hause zu kurieren ist, halte ich für eine hervorragende Idee. Auch ein Antibiotikum, z.B. bei Mittelohrentzündung, lässt sich gut noch mit Zwiebelsäckchen von außen unterstützen. Das eine oder das andere völlig abzulehnen ist der falsche Weg – und wird auch kaum mehr gemacht.

Das Buch ist eine zweite, erweiterte Auflage. Bekamen Sie viele Rückmeldung von Eltern?

Ich bekomme viele Rückmeldungen, auch wegen dem Buch, aber hauptsächlich, weil ich viele Kurse und Workshops gebe. Das Buch entstand eigentlich aus meinem Blog. Ich wurde von der Verlegerin gefragt, ob ich ein Buch zu diesem Thema machen möchte, da diese selbst Mutter geworden ist und mein Blog gelesen hat.

Erst neulich hat mir eine Mutter geschrieben, dass ihr Kind einen Fahrradunfall hatte. Da sie unterwegs war, hatte sie nichts bei sich. Ihr Kind hatte Schürfwunden und ließ sich kaum beruhigen. Ihr fiel dann ein, dass sie in meinem Buch über Spitzwegerich Pflaster gelesen hat und hat ihr Kind so gut erstversorgen können.

Sind Hausmittel eigentlich immer nur für kleine Kinder oder profitieren auch Jugendliche davon?

Das ist auch für mich gerade ein großes Thema, weil auch meine Kinder älter werden. Ich habe festgestellt, dass es in der Pubertät besonders viel Aufmerksam braucht, wenn sie krank sind. Vor allem haben sie das Bedürfnis möglichst schnell wieder gesund zu werden, weil sie das Gefühl haben, etwas zu verpassen. Bei uns ist es so, dass die Hausmittel selbstverständlich weiterverwendet werden und meine Söhne auch danach verlangen. Wenn Jugendliche das erste Mal mit Hausmitteln in Berührung kommen, könnte es helfen die Hintergründe der Anwendung zu erklären: Welche Wirkstoffe sind in der Zwiebel enthalten und wie wirken die auf meinen Körper? Das erhöht erfahrungsgemäß die Akzeptanz bei Klein und Groß daher sind Infos zur Wirkweise auch im Buch ein Thema.

Gibt es auch Hausmittel für Entspannung oder um seine Ängste in den Griff zu bekommen?

Kein Hausmittel kann ein Gesprächsangebot ersetzen.

Aber die Natur bietet einiges, um die Nerven zu beruhigen. Wenn Prüfungen, der Kindergartenstart oder andere aufregende Ereignisse ins Haus stehen, können besonders Kräuter gut helfen.

Dabei ist es dem individuellen Geschmack überlassen, ob man sie als Tee, in einem Bad oder als beruhigendes Duftsäckchen einsetzt. Hopfen, Melisse, Lavendel, Linden- und Orangenblüten… für jeden Geschmack ist was dabei. Eines meiner Lieblingsrezepte ist das Fußbad mit Lavendelbadesalz. Das kombiniert auf beste Weise das “sich Zeit nehmen” für ein Gespräch über das, was das Kind im Moment bewegt, mit den Wirkstoffen des Lavendels. Einer Pflanze, die gerade für Kinder bestens geeignet ist, um zu entspannen und sich zu beruhigen.

Welche Visionen haben Sie?

Ich arbeite gerade mit einer Künstlerin an einem Kinderbuch über Hausmittel. Meine Arbeit zur Zeit ist ja sehr auf die Eltern konzentriert: Lange Zeit war mein Fokus, sie in ihrem Selbstvertrauen und auch in der Wahrnehmung zu stärken, wie man mit kranken Kindern umgehen kann. Nun möchte ich den nächsten Schritt gehen und die Kinder noch stärker ins Boot holen.

Buchtipp: Bäuchlein-Öl & Zwiebelsocken, Claudia Schauflinger, Verlag Facultas / Maudrich, 2020

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