Die INITIATIVE2030 hat es sich zur Aufgabe gemacht, die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung öffentlich bekannter zu machen und ein Netzwerk aus Unternehmen, Organisationen und Bürger:innen zu schaffen, die diese Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) vertreten. Dieses Netzwerk will der Bevölkerung gleichzeitig die „Ziele für ein gutes Leben“, die sog. Good Life Goals (kurz GLGs) näherbringen. Dabei setzt die INITIATIVE2030 vor allem auf öffentliche Kommunikation.

Ich habe mit dem Gründerpaar Pia-Melanie Musil und Norbert Kraus gesprochen, wie nachhaltige Kommunikation funktionieren kann und welche gesellschaftlichen Veränderungen es braucht, um SDGs und GLGs umzusetzen.

Pia, Norbert, erzählt erstmal: Was ist die INITIATIVE2030?

 Pia: Die INITIATIVE2030 ist ein Projekt, das aus einer nachhaltigen Kreativagentur entstanden ist. Die Agentur war nach den SDGs ausgerichtet. Wir haben festgestellt, dass der Bekanntheitsgrad der SDGs absolut schauderhaft ist. Nachhaltig ausgerichteten bzw. meist größeren Unternehmen sind sie zwar mittlerweile ein Begriff, aber nicht der Bevölkerung. Die GLGs, die wir selbst eher zufällig entdeckten, sind leider noch viel weniger bekannt – weder in Unternehmen noch in der Bevölkerung. Das wollten wir ändern und haben die INITIATIVE2030 gegründet.

Die SDGs: Die 17 Sustainable Development Goals, kurz SDGs, umfassen weltweit umzusetzende soziale, ökologische und ökonomische Ziele. Sie umfassen 169 Unterziele und wurden bereits 2015 im Rahmen der UN-Generalversammlung von allen 193 Mitgliedstaaten einstimmig verabschiedet. Sie sollen für eine nachhaltige Transformation unserer Welt sorgen. Die Verantwortung für die Umsetzung der SDGs liegt dabei zum Großteil bei Wirtschaft, Industrie und Politik der Mitgliedstaaten. (Quelle: INITIATIVE2030)

Wie steigert ihr den Bekanntheitsgrad der beiden Zielprogramme, also der SDGs und GLGS?

Pia: Die SDGs sind unheimlich sperrig und niemand liest 169 komplizierte Unterziele. Auch die GLGs sind sprachlich schlecht formuliert und nur unzureichend aus dem Englischen übersetzt. Deshalb stellen wir sie im Rahmen der Initiative und auf unserer Plattform grafisch mit Bildern aufbereitet, verständlich zusammengefasst und gegenübergestellt dar – womit wir beide Zielprogramme in Beziehung setzen. Eine Darstellung, die so weltweit einzigartig ist.

Gleichzeitig zeigen wir Best Practices für die jeweiligen Ziele, sammeln Partner:innen, featuren sie und schaffen so eine Plattform für Unternehmen und Organisationen und auch mehr Verständnis in der Bevölkerung.

Die GLGs: Die Good Life Goals, kurz GLGs, wurden 2018, u. a. mithilfe der UNESCO, dem IGES und dem WBCSD, als lebensnahes Pendant zu jedem einzelnen SDG entwickelt. Sie unterstützen uns alle dabei, als öffentliche wie auch als private Personen in unserem täglichen Leben nachhaltig und verantwortungsvoll zu handeln. (Quelle: INITIATIVE2030)

Norbert: Es gibt sehr viele Nachhaltigkeitsbestrebungen, im Kleinen, wie von großen Unternehmungen. Aber gerade größere Unternehmen trauen sich oft nicht, diese vorzuzeigen, weil sie zum Beispiel noch nicht überall nachhaltig sind. Wir wollen die Scheu nehmen und auch größere Unternehmen motivieren, zu zeigen, welche SDGs sie schon verfolgen. Auch ohne schon in allen Bereichen perfekt zu sein. Gleichzeitig gibt es für die Bevölkerung wenig Möglichkeiten, diese Aktivitäten zu finden. Deswegen sammeln wir sie und schaffen so einen Pool, um zu informieren.

Warum ist es so wichtig, dass Menschen die SDGs und damit auch die GLGs kennen?

Pia: Sie bieten konkrete, einfache Handlungsmöglichkeiten bzw. -direktiven, setzen aber auch an der Haltung an. Außerdem kann ich als Bürger:in politische und unternehmerische Nachhaltigkeit nur einfordern, wenn ich weiß, was Nachhaltigkeit wirklich ist und die SDGs und GLGs kenne. Gerade weil Nachhaltigkeit so ein diffuser Begriff ist, ist es für die Bevölkerung enorm wichtig, Kenntnis und Bewusstsein über diese Ziele zu haben.

Norbert: Die Initiative zeigt auch auf, dass es um eine geteilte Verantwortung und um einen bewussten Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft, Industrie und Bevölkerung geht und, dass eben jede:r seinen/ihren Teil dazu beitragen kann.

Ohne sozialen Frieden gibt es auch keine Nachhaltigkeit. Solange ich hungere, ist mir egal, wo der Reis herkommt!

Pia-Melanie Musil

Gründerin Initiative2030

Was heißt denn Nachhaltigkeit überhaupt für euch?

Pia: Den einen extra Schritt zu gehen. Ich selbst bin nicht päpstlicher als der Papst, trotzdem sind es die kleinen Entscheidungen und vor allem, Nachhaltigkeit im großen Kontext im Hinterkopf zu haben. Das fängt nicht erst beim Konsumverhalten an, sondern für mich auch ganz klar beim Umgang mit anderen.

Norbert: …aufmerksam sein in jeglicher Hinsicht und für die Initiative: Anderen das Gefühl geben, dass sie selbst etwas tun können, indem wir die GLGs promoten. Wir sind wirklich sehr dahinter zu kommunizieren und zu verbreiten, dass es bei Nachhaltigkeit eben nicht nur um bio und Regionalität geht, sondern um den Umgang miteinander, um Bildung, Gesundheit, Menschenrechte, Gleichstellung und Frieden. Gerade die sozial-gesellschaftliche Komponente beim Thema Nachhaltigkeit ist total unterrepräsentiert und wird kaum kommuniziert.

Pia: Ohne sozialen Frieden gibt es auch keine Nachhaltigkeit. Solange ich hungere, ist mir egal, wo der Reis herkommt!

Ihr nutzt also die Kommunikation und Information über die SDGs und die GLGs, um eine nachhaltige Gesellschaft zu formen. Aber wie vermeidet man, dass es zum Consumer Blaming kommt und Wirtschaft, Politik und Industrie aus der Verantwortung gezogen werden?

Pia: Blaming, egal in welche Richtung, ist ein Grundproblem. Trotzdem ist meine Eigenverantwortung für mich der Schlüssel. Wenn ich Eigenverantwortung übernehme – für mein Leben und meinen Umgang mit der Umwelt und den Mitmenschen, dann fühle ich mich nicht schuldig, sondern komme ins Tun. Dazu braucht es aber ganz klar ein gutes Verhältnis zwischen Eigenverantwortung und Abgrenzung.

Generell braucht es aber ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, hin zur Reduktion und der Umleitung der eigenen Energien auf sinnvolle Tätigkeiten. Dieses Umdenken ist enorm groß und das macht Angst. Hier kommen wieder die GLGs ins Spiel, die die Eigenverantwortung zeigen und mit welchen kleinen Schritten jede:r etwas beitragen kann, ohne daran zu verzweifeln, dass ich nicht alles verändern kann. Ich möchte tatsächlich auch von mündigen Bürger:innen ausgehen und nicht von Opfern der Konsumgesellschaft.

Norbert: Es braucht eine Kreislaufwirtschaft, das ist klar. Da muss die Wirtschaft reagieren und agieren. Trotzdem braucht es die Haltung der Gesellschaft, um da Druck aufzubauen.

Wenn wir schon bei der Wirtschaft sind: Ihr habt vorhin von großen Unternehmen und kleinen Schritten geredet. Hier leuchten direkt die Warnlampen, vor allem wenn es um Kommunikation und Greenwashing geht.

Norbert: Transparenz ist der tragende Begriff. Wir kommen aus der (Markt-)Kommunikation und wurden am Anfang dafür belächelt, dass wir gepredigt haben, dass man gerade als Unternehmen nicht nur kommunizieren muss, was man tut, sondern auch, was man nicht tut. Nachhaltige Kommunikation IST Transparenz. Wenn ein Unternehmen transparent kommuniziert, woran es noch arbeitet und worin es noch nicht 100% nachhaltig agiert, erübrigen sich Greenwashing und Shitstorms. Dafür gewinne ich an Glaubwürdigkeit.  Das hört sich simpel an, ist aber nicht einfach.

Pia: Es bedarf eines gewissen Mutes, das zu tun. Bei einem nachhaltigen Unternehmen, das so geboren ist, ist es leichter. Aber gerade große Unternehmen brauchen Zeit. Die Kommunikation fehlt auf beiden Seiten: Startups haben oft nicht die Ressourcen, die Großen trauen sich nicht.

Norbert: Genau da wollen wir der Icebreaker sein und mit der INITIATIVE2030 helfen.

Pia: Wichtig ist auch: Bei Nachhaltigkeit geht es ums Dranbleiben und nicht um Perfektion. Und es geht um Kooperation und gegenseitiges Unterstützen in der Kommunikation. Alles mit dem Ziel, dass die Bevölkerung am Ende tatsächlich mehr über Nachhaltigkeit weiß.

Wo seht ihr die INITIATIVE2030 in 10 Jahren?

Norbert: In 10 Jahren wären wir gerne die Anlaufstelle für Information, Social Network und Marktplatz. Die Initiative als geballte Informationsquelle. Dafür muss sich aber auch etwas ändern: Nämlich der Gedanke, dass Nachhaltigkeit nicht gewinnbringend sein darf. Niemand kann 60 Stunden kostenlos arbeiten.

Pia: Derzeit stehen wir kurz vor der Vereinsgründung und werden in Zukunft, unter anderem unseren Partner:innen, kommunikative Leistungen und Strategien anbieten.

Norbert: Eine Kostendeckung wäre großartig und ist notwendig. Wir haben unsere rein ehrenamtliche Initiative im März 2021 gegründet und seitdem gab es keine Investition und keinerlei finanzielle Unterstützung, sondern nur eigene Mittel, Kraft und Ressourcen.

Pia: Ein weiteres Ziel ist es, dass sich vor allem die Nachhaltigkeits-Szene gegenseitig unterstützt, anstatt zu konkurrieren und  übereinander kommuniziert wird. Wenn wir uns zusammentun und einander stützen, wissen am Ende alle mehr.

Vielen Dank für das Gespräch!

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