Katharina Rogenhofer ist Mitinitiatorin der #FridaysForFuture-Bewegung in Wien. Im März 2019 hat sie die Leitung des Klimavolksbegehrens übernommen, dessen Forderungen im September 2019 präsentiert werden. Auch dank ihrem Einsatz, ist die Klimadebatte in Österreich so laut wie nie zuvor. Im Interview habe ich sie um eine Einschätzung der aktuellen Entwicklungen gebeten.

Bei der kommenden Nationalratswahl wird die Klimakrise voraussichtlich ganz oben auf der Agenda stehen. Norbert Hofer hat angekündigt, er möchte die FPÖ grün färben. Was denkst du dir bei solchen Aussagen?

Es gab noch nie in der Vergangenheit eine Zeit, in der so viel über die Klimakrise gesprochen wurde. Ich sehe das als Erfolg der Klimabewegung und von uns aktiven Menschen, die dieses Thema nicht mehr verschwinden lassen werden, bis konkrete Maßnahmen gesetzt werden. Aber genau darum geht es auch. Ankündigungen reichen nicht mehr.

Oliver & Katharina

Vor einem Jahr wäre es undenkbar gewesen, dass der Klimaschutz plötzlich so eine zentrale Rolle spielt. Selbst die „Krone“ nimmt sich verstärkt dem Thema an. Wird jetzt alles gut?

Es ist ein großer erster Schritt. Mittlerweile ist die Klimakrise bei der österreichischen Bevölkerung das wichtigste und wahlentscheidende Thema. Dazu haben die Medien und die vielen Menschen auf den Straßen Österreichs beigetragen. Doch wir dürfen uns nicht zurücklehnen. Jetzt muss es darum gehen, weiter Druck aufzubauen, um vom Reden ins Tun zu kommen.

Vorarlberg, Innsbruck und demnächst vielleicht schon österreichweit: Die Ausrufung des Klimanotstands findet bei uns zunehmend Gehör. Kritische Stimmen sagen, es wäre reiner Öko-Populismus. Wie stehst du dazu?

Die Ausrufung des Klimanotstandes bedeutet eines: klar zu kommunizieren, dass wir uns in einer Krise befinden. Nach den Ernteausfällen, den Unwetterkatastrophen, dem Waldsterben und den extremen Hitzewellen letztes Jahr ist das nur angemessen. Es muss endlich ehrlich damit umgegangen werden, dass wir an einem Scheideweg stehen: wir können uns jetzt für eine lebenswerte, faire und nachhaltige Zukunft entscheiden – oder wir entscheiden uns dagegen. Aber wie immer: es darf nicht nur bei Worten bleiben.

Wie stellen wir sicher, dass nun tatsächlich Taten folgen?

Einerseits kann man Maßnahmen direkt in den Anträgen festsetzen, die dann in den Gemeinderat, Nationalrat oder Bundesrat eingebracht werden. So hat zum Beispiel Traiskirchen festgesetzt, bis 2030 klimaneutral zu werden. Sie fangen nun an, ihren Treibhausgasausstoß zu messen und einen Plan zur gezielten Reduktion zu entwickeln.

Immer wieder steht das Thema CO2-Steuer zur Debatte, um vor allem auch das Fliegen teurer zu machen. Trifft es dabei nicht erst recht wieder jene, die sich bereits jetzt schon den Urlaub mit der Familie kaum leisten können?

Diese Frage macht mich immer ein bisschen stutzig – es wirkt so als wäre das Recht auf einen Flug das größte Gut, das wir besitzen. Dabei geht es hier vor allem um Vielflieger, die dienstlich oft sogar mehrmals wöchentlich unterwegs sind. Aber wenn wir schon bei sozialen Fragen sind: Warum fragen wir nicht eher, warum sich jene Familien, die kaum genügend Einkommen zum Leben haben, kein Zugticket leisten können? Warum sie sich die Miete in Städten nicht leisten können und darum pendeln müssen? Wir müssen hier ganz klare Rahmenbedingungen schaffen, die klimafreundliches Handeln ermöglichen – und zwar für alle.

Wie können wir die notwendigen Veränderungen sozial verträglich machen, sodass nicht erneut die Ärmsten unter uns am härtesten getroffen werden?

Das ist die richtige Frage. Das funktioniert nur, wenn wir gemeinsam gut ineinandergreifende Maßnahmen entwickeln. Zum Beispiel kann eine ökologische Steuer- und Abgabenreform durch einen Klimabonus abgefedert werden, der an alle Menschen in Österreich ausgezahlt wird. Andererseits kann das eingenommene Geld dazu verwendet werden, den öffentlichen Nah- und Fernverkehr auszubauen und leistbar zu machen. Auch erneuerbare, regionale Energie muss für alle zugänglich sein – Energiearmut darf in Österreich eigentlich nicht mehr vorkommen. Hier muss bei allen Entwicklungen konkret darauf geachtet werden, dass Menschen mit geringem Einkommen nicht draufzahlen.

Ein paar Worte zu dir. Würdest du mit Blick auf das vergangene Jahr im Nachhinein etwas anders machen?

Nein. Davor war ich wissenschaftlich tätig und hatte das Gefühl, dass die Erkenntnisse nicht genügend Auswirkungen auf die politische Diskussion hatten. Ich habe den Drang verspürt, mehr zu bewegen. Das ist gemeinsam mit den vielen Menschen bei #FridaysForFuture gelungen. Die Klimakrise ist nun nicht mehr wegzudenken – aus den Medien, aus politischen Diskussionen, ja, selbst von den meisten Esstischen. Aber es geht weiter und mit dem Klimavolksbegehren werden wir die Stimmen, die mutige Klimapolitik fordern, im Parlament vertreten.

Es hat 25 Grad draußen, die Sonne scheint, und die Vögel singen. Vergisst man an so herrlichen Tagen die Klimakrise oder begleitet dich das Thema mittlerweile 24-7?

Dem Thema komme ich wohl nicht mehr aus. Dazu muss ich nur Nachrichten lesen: das Grönland-Eis schmilzt in Mengen, die erst für 2090 prognostiziert wurden, der Permafrost in Sibirien taut auf und setzt Methan frei, 110.000 Hektar Wald wurden in Deutschland durch Dürrefolgen wie den Borkenkäfer getötet. Im Durchschnitt wird es heißer, die Extremwetterkatastrophen nehmen zu und die Menschen leiden schon heute unter den Folgen. Da ist das schöne Wetter gerade unerheblich.

Das klingt nach einer ziemlich schweren Last. Mancher würde vielleicht sagen, es ist eh zu spät, ich genieße mein Leben noch in vollen Zügen, solange es geht. Was ist deine Motivation, nicht aufzugeben?

Dass ich das „solange es noch geht“ nicht akzeptieren will. Was ist denn das für eine Weltsicht? Ich will, wenn ich Kinder und Enkelkinder habe, dass diese sich nicht mehr um ihre Zukunft sorgen müssen. Es ist außerdem ein Fehler zu denken, dass unsere Generation die Klimakrise nicht zu spüren bekommt, wenn bereits jetzt Jahr für Jahr Hitzerekorde gebrochen werden und Wetterextreme zunehmen. Klimaschutz ist ein Überlebenskampf für uns alle.

Können wir die Welt noch retten?

Natürlich, sonst würde ich nicht mehr kämpfen. Alle wissenschaftlichen Daten weisen darauf hin, dass wir das Ruder noch herumreißen können. Lang haben wir allerdings nicht mehr. Und deshalb ist es umso wichtiger nun alles zu geben. Denn wenn wir jetzt gemeinsam mutig handeln kann die Zukunft sogar eine bessere sein – nachhaltiger, fairer, lebenswerter.

Was wäre dein Wunsch, wie sich Österreich im Jahr 2030 verändert hat?

Ich komme überall leicht und günstig mit Zug und Bus hin. Für die entlegeneren Gebiete gibt es gute Verkehrskonzepte. Es gibt mehr Grünflächen in Städten, die die Hitze abfedern, Fassadenbegrünung sind Standard als natürliche Klimaanlagen. Die Radinfrastruktur ist so gut ausgebaut, dass das Fahrrad eine attraktive Alternative wird. Die Städte sind sauberer, ruhiger und grüner. Der Strom aus der Steckdose ist regional und erneuerbar. Niemand muss sich mehr zwischen günstig und nachhaltig entscheiden – es ist ein und dasselbe.

Einen finalen Apell in einem Satz, bitte.

Wir sind die Veränderung, auf die wir gewartet haben – also gehen wir es jetzt gemeinsam an!