In der Klimadebatte ergibt sich nicht selten eine Kluft zwischen den Generationen. Junge fürchten um ihre Zukunft, die Alten sind schuld am Schlamassel, so hört man. Eine vergebene Chance.
Unbeschwerter Konsum und das gedankenlose Verfeuern fossiler Brennstoffe haben uns über die vergangenen Jahrzehnte in ein neues Zeitalter von gleichermaßen noch nie da gewesenem Wohlstand und zunehmender Unwetterkatastrophen geführt. Dass wir für eine lebenswerte Zukunft entschlossen an weitreichenden Klimazielen arbeiten müssen, das weiß heute jedes (themenaffine) Kind. Dabei sind es schon heute vor allem ältere Menschen, die am stärksten und den Folgen der Erderhitzung leiden – und die nicht zuletzt ein bis dato stark ignorierter Erfolgsfaktor für den Klimaschutz sein könnten. Im Gespräch mit dem Generationenexperten Fabian Goslar.
Erst vergangenen Sommer ist vor mir eine ältere Dame, vielleicht knapp 80 Jahre alt, in einem schlecht klimatisierten Zug kollabiert. Kreislaufprobleme im stickigen Saunawagon. Später erklärt sie, dass sie jeden Sommer mehr zu kämpfen habe, Juli und August werden zunehmend zur Qual. Es sind Alltagssituationen wie diese, die die Folgen der Klimakrise spürbar machen.
Zeitzeugen einer intakten Umwelt sind eine massiv unterschätze Ressource
Fabian Goslar
GenerationenexpertenErst vergangenen Sommer ist vor mir eine ältere Dame, vielleicht knapp 80 Jahre alt, in einem schlecht klimatisierten Zug kollabiert. Kreislaufprobleme im stickigen Saunawagon. Später erklärt sie, dass sie jeden Sommer mehr zu kämpfen habe, Juli und August werden zunehmend zur Qual. Es sind Alltagssituationen wie diese, die die Folgen der Klimakrise spürbar machen.
Jahr für Jahr werden mittlerweile mehr Hitze- als Verkehrstote verzeichnet. Auch das Unfallrisiko steigt an heißen Tagen. In den aufgeheizten Städten wird versucht, durch Kühlstationen Abhilfe zu leisten – ein Tropfen auf dem heißen Stein. Während die Temperaturrekorde im Takt fallen, sind Hitzesommer aber vor allem auch ein Paradebeispiel, dass Klimaschutz ein soziales Thema ist. Für Einkommensschwächere, die ohne schattige oder klimatisierte vier Wände auskommen müssen, werden Tropennächte und lange Sonnentage jenseits der 30 Grad nicht nur zur Qual, sondern auch zum Gesundheitsrisiko. Neben Schwindel, Erschöpfung oder Hitzschlag kann die Hitze gerade für ältere Menschen auch tödliche Folgen nach sich ziehen. Viele verlassen folglich tagelang nicht die Wohnung. Über die Vereinsamung und weitere soziale Einschränkungen in Folge der Klimakrise wird dennoch zu wenig geredet.
Für Fabian Goslar, der sich seit Jahren für einen engeren Generationenaustausch einsetzt, gilt es ältere Generationen beim Klimaschutz nicht nur mitzudenken, sondern auch gezielt einzubinden. Schließlich schlummert hier ein riesiger Wissens- und Erfahrungsschatz. So sind „Zeitzeugen einer intakten Umwelt eine unschätzbare Ressource“, die es zu nutzen gilt. Gerade bei einem langjährigen und komplexen Thema wie dem Klimawandel sind konkrete, persönliche Erfahrungswerte ein wertvolles Gut. „Es geht nicht zuletzt um Bewusstseinsbildung. Junge Menschen können oft gar nicht nachempfinden, wie kalt und lang Winter oder wie artenreich Meere früher waren. Erst im Austausch mit den eigenen Großeltern oder anderen älteren Menschen, die das tatsächlich erlebt haben, wird hier die Veränderung verständlich“, so Goslar, der für ein Festhalten dieses Erfahrungsschatzes appelliert.
Ob Ältere sich mehr für den Klimaschutz einbringen sollten, wenn sie doch die spürbaren Veränderungen miterleben? Goslar: „Ich denke, es braucht gerade auch hier mehr Ressourcen für ein Empowerment älterer Mitmenschen. Definitiv gibt es Potenzial etwas zu bewegen, wenn zwei, drei Generationen sich gemeinsam für den Klimaschutz einsetzen, anstatt pauschal den Älteren Vorwürfe zu machen“. Neben Erfahrungsberichten ist es dabei nicht zuletzt auch das Bewusstsein und der Umgang mit Ressourcen, von Lebensmitteln bis zum Gewand, bei dem sich mit Blick auf die heutige Wegwerfgesellschaft einiges lernen ließe.
Für erfolgreichen Klimaschutz müssen wir die Diversität der Generationen zu nutzen lernen
Fabian Goslar
GenerationenexpertenWie sooft in der Klimadebatte, sollten wir auch mit Blick auf ältere Generationen zu differenzieren beginnen. Eine pauschalte Verurteilung, dass Ältere für die Erderhitzung verantwortlich seien, ist nicht nur falsch, sondern auch kontraproduktiv. Man denke an die Anti-Atomkraftbewegung, den Einsatz gegen den sauren Regen oder für die Erhaltung von Naturjuwelen wie die Donauauen. Gerade in Anbetracht der Klimakrise braucht es mehr denn je einen neuen Zusammenhalt statt Vorurteilen. Durch Offenheit und den Willen, von den Älteren zu lernen, können wir viel erreichen.
Dabei sollten wir die Chance nutzen, um den Wissensschatz vergangener Generationen für die Zukunft festzuhalten. Viele der heutigen Großeltern lebten noch problemlos im Einklang mit der Natur, wurde doch beispielsweise regional und saisonal konsumiert. Das ist keineswegs eine „früher war alles besser“-Floskel, jedoch lässt sich mit Blick auf die heutige dahinrasende Konsumgesellschaft vielleicht das ein oder andere mitnehmen.
Fabian Goslar ortet den ein oder anderen blinden Fleck im heutigen Klimadiskurs: „Die junge Generation kann immens viel von ihren Vorfahren lernen. Ob nun durch persönliche Erfahrungsberichte, wie sich unser Planet verändert, oder auch mit Blick auf einen nachhaltigeren Lebensstil. Manchmal ist weniger auch mehr“ Goslar appelliert dabei auch für eine stärkere und zielgruppengerechte Bewusstseinsbildung, um ein neues Verständnis bei den Jüngeren, aber auch eine proaktive Einbindung der Älteren zu ermöglichen. „Eine entsprechende Sensibilisierung könnte helfen, ein breiteres Verständnis für die Klimakrise zu schaffen. Wir müssen endlich damit beginnen, ältere Generationen mit einzubeziehen, statt sie pauschal zu blamen. Indem wir die Diversität der Generationen zu nutzen beginnen, ergeben sich nicht zuletzt auch wunderbare Chancen und Potenziale für die Erreichung unserer Klimaziele.“
Über Fabian Goslar:
Fabian ist ein Diplomat für den Dialog zwischen den Generationen, der in Österreich, der Schweiz und Deutschland Projekte zum intergenerationellen Lernen und zum Austausch zwischen den Generationen voranbringt. Gemeinsam mit seiner Oma hat er die NGO genintelligence gegründet, die neben seinem hauptberuflichen Engagement in der regionalen Entwicklung und im Aufbau generationenübergreifender Gemeinschaften die Plattform für seine Aktivitäten, wie die Erstwähleraktivierungskampagne “Enkel Europas” ist.
Beitragsbild: (c) Fabian Goslar
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