Wenn es um die Kommunikation von Inhalten und um das Arbeiten im PR-Bereich geht, dann haben die Amerikaner den Europäern Einiges voraus. Das zeigt sich auf der Seite der großen (amerikanischen) Öl-Unternehmen so gut, wie kaum sonst wo.
Vom Abwälzen
Nona, dass die Abwendung der Klimakrise für diverse Geschäftsmodelle das Aus bedeutet, ist keine Neuigkeit. Am allerwenigsten ist sie das für die in diesen Branchen tätigen Unternehmen. Diesen ist, vermittelt durch die hauseigenen WissenschaftlerInnen, dieser Umstand seit spätestens den 80er-Jahren bekannt. Manch anderen Unternehmen sind die Schäden, die sie an der Umwelt bewirken, auch wesentlich länger bekannt, einer Vielzahl (US-amerikanischer) Kohleunternehmen liegen diese Daten bereits seit den 60er-Jahren vor. Der Ablauf hat Ähnlichkeiten zu der Gefährdung durch Tabakrauch, auch da wussten die Unternehmen lange vor allen anderen um die Gefahr der eigenen Produkte.
Getaugt hat das den besagten Unternehmen freilich nicht. Man ist damals sehr flott dazu übergegangen, die eigene Verantwortung abzuwälzen. Gerade erst hatte man gesehen, wie “großartig” der Tabakindustrie dieses Vorhaben geglückt war. Dabei bediente man sich ähnlicher Mittel und teils auch derselben PR-Agenturen.
Der Einzelne im Brennglas
Dieser Logik folgend waren von da an – das ist auch heute nicht weitaus anders – nicht die Unternehmen die Verantwortlichen, sondern all jene, die bei ihnen kauften. So schuf man sich schnell eine weiße Weste. Denn der Kunde entscheide ja, was geschehe, keinesfalls hätte da jemand sonst die Verantwortung für etwaig entstehende Schäden zu tragen. Und solange gewisse Produkte nachgefragt seien, solange gedachten (und gedenken) die besagten Unternehmen auch die Produkte anzubieten, ganz gleich, welche Folgen sie nun Klima und Umwelt haben mochten. So wie der Kunde eben König ist, so ist er und nur er auch dafür verantwortlich, was das Unternehmen, bei dem er kauft (oder einen Auftrag aufgibt) tut.
Indianertränen und Plastik
Um diese Vorstellung in der Gesellschaft zu zementieren, bedienten sich diese Unternehmen diverser PR-Kampagnen. Stellvertretend und zum einleitenden Satz dieses Beitrages passend, will ich hier auf den aus den USA stammenden “crying indian” Werbespot aus den frühen 70er-Jahren verweisen. Der “crying indian” ist eine der ganz frühen deflection (sprich Ablenkungs-) Kampagnen im Umweltsegment. All diese Kampagnen haben gemeinsam, dass sie Zustimmung für regulierende Maßnahmen seitens des Gesetzgebers für wirtschaftliches Treiben, das für Mensch und Umwelt gefährlich werden kann, untergraben. Stattdessen wird mit dieser Art der Kampagnenführung versucht, die Verantwortung für so geartete Veränderungen dem Handeln jedes Einzelnen aufzubürden. Wie das beispielsweise aussehen kann, das illustrierte auch die amerikanische Waffenlobby mit ihrem Slogan “guns don’t kill people, people kill people” eindrücklich und verwehrte sich so strengeren Waffengesetzen.
Aber nun zurück zum Anfang dieses Absatzes. Der ominöse weinende Indianer folgte einem ganz ähnlichen Muster. Ein ernst dreinblickender, ganz typisch in einer Tracht eingekleideter Indianer fährt zu Beginn des Werbespots mit seinem Kanu einen Fluss hinab. Um so weiter er dem Flusslauf folgt, umso mehr Plastikmüll treibt ihm entgegen. Plötzlich lässt er das Kanu am Ufer auflaufen und springt heraus (das Ufer ist wie der Fluss mit Plastikmüll übersät). Er geht nun bis an den Rand einer nahe gelegenen Schnellstraße. Dort wird gerade aus einem vorbeifahrenden Auto eine weitere Plastikflasche in die Landschaft geworfen. Der Indianer blickt nun auf all den Müll, der rings um seine Füße herum liegt. Der Spot wird von einem wortgewaltigen Voiceover begleitet. Ich will hier nur den letzten Satz dieses Voiceovers wiedergeben “People start pollution. People can stop it.” Jetzt schließt sich die Kameralinse langsam und der Betrachter sieht, wie dem Indianer aus einem Augenwinkel eine Träne über das Gesicht läuft. Wer sich den Werbespot ansehen möchte, der findet ihn hier.
Die Großen
Dabei darf nicht vergessen werden, dass 100 Unternehmen für mehr als 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Jetzt mag man einwenden, dass es eben Dinge gibt, die Treibhausgase freisetzen. Das stimmt natürlich. Es gibt Bereiche, die wird man wohl nie dekarboniseren können. Den Löwenanteil unserer Treibhausgasemissionen, den hingegen kann man sehr wohl reduzieren. Per se hat der Einzelne dabei erst einmal schlechte Karten. Denn wo kein Weg ist, sprich keine Alternativen zu umwelt- und klimaschädlichen Produkten vorhanden sind, da findet sich sobald auch kein Wanderer. Das Handeln der Einzelnen ist nicht die Folge der Bösartigkeit der Handelnden oder allenfalls des Nicht-Sehen-Wollens, sondern vielmehr eine Folge der Alternativlosigkeit, die vielerorts herrscht.
Da versteht sich von selbst, warum eine solche (PR-)Strategie zahlreiche Anhänger findet. Wer glaubt, dass dieses Vorgehen ein bloßes Anhängsel der Geschichte sei, der irrt. Man werfe nur einen Blick auf diverser Erdölkonzerne oder man lässt einen ganzen Werbeblock eines x-beliebigen Fernsehsenders über sich ergehen. Das Muster hat sich all die Jahre seit seiner Entstehung kaum geändert. Und das aus gutem Grund. Es hat nichts an seiner Effizienz eingebüßt.
Auswege
Auswege sind hier immer Alternativen. Alternativen auf dem Markt, aber eben auch Alternativen in der Gesetzgebung. Solange diverse Konzerne ihre Verantwortung auf den Einzelnen abwälzen und so sich selbst aus der Pflicht ziehen, aber gleichzeitig auch strengere Gesetze für ihre Branche zu verhindern suchen, solange braucht es hier ein wachsames Auge. Damit will ich keinesfalls für übermäßige Reglements plädieren, sondern nur darauf verweisen, bestehende Defizite zu nivellieren. Dass diese bestehen, das lässt sich nicht von der Hand weisen.
Die Stellschrauben, die sich dabei auftun, sind ebenso zweigeteilt, wie es auch das Problem selbst ist. Einerseits braucht es für den Konsumenten gangbare Alternativen – ganz gleich ob in der Mobilität oder im Energiesektor – zum anderen braucht es in den Bereichen Umwelt und Klima auch eine verstärkte Gesetzgebung.
Hier die Verantwortung nur auf den Konsumenten zu schieben, kommt einem Festsetzen der gegenwärtigen Zustände gleich. Das aber können wir uns angesichts der grassierenden Schäden an unserem Klima als auch an weiten Teilen der Umwelt nicht erlauben.
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