Er ist zwischen 50 und 100 Kilometer breit, ein bis zwei Kilometer dick und um die 10 Kilometer hoch über unseren Köpfen. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 500 Stundenkilometern bringt er nicht nur Flugzeuge merkbar schneller von den USA nach Europa, unsichtbar beeinflusst er auch tagtäglich unser Wetter und unser aller Lebensraum. Die Rede ist vom Polarfront-Jetstream: eines von vier gigantischen Windfeldern, die wellenförmig den Planeten umziehen und dabei für den Druckausgleich zwischen heißeren und kühleren Regionen der Erde sorgen. Ein beständiger Balanceakt, der zur Stabilität unseres Lebensraums beiträgt – und nun ins Wanken zu kommen droht.
Der Motor gerät ins Stocken
Je nach ihrer Lage wird auf der Nord- und Südhalbkugel jeweils in einen Polarfront- und einen Subtropen-Jetstream unterschieden. Mit Blick auf Europa zieht der Polarfront-Jetstream in etwa zwischen den Breitengraden Oslos und Madrids seine Bahnen über unseren Köpfen. Aufgrund der Erdrotation auf der Nordhalbkugel stets von links nach rechts gepolt, weisen die Höhenwinde den Hoch- und Tiefdruckgebieten den Weg gen Osten, weshalb sie auch ein wichtiger Faktor für Wettervorhersagen sind. Auf ihrem wellenartigen Ritt um den Planeten gleichen sie dabei temperaturbedingte Druckunterschiede aus. Warme Luft wird vom Wind in kühlere Regionen abtransportiert, kühlere Luft wieder zurück.
Forscher warnen, dass dieser Balanceakt aus den Fugen gerät. Aufgrund der steigenden Temperaturen in der Arktis und dem folglich schwindenden Temperaturgefälle gerät auch der Motor des Jetstreams ins Stocken. Studien warnen, dass dies zu noch mehr und stärkeren Unwetterereignissen führen kann, wenn sich aufgrund des schwächelnden Windes Wetterlagen wie Hitze oder auch Starkregen länger über einzelnen Regionen halten und so zu Dürren oder Überflutungen führen. Zeitgleich verstärkt dieses Phänomen regionale Unterschiede, wenn beispielsweise Menschen in Brüssel frieren und zeitgleich wenige hundert Kilometer entfernt in Mailand schwitzen.
„Befindet sich der Jetstream in einer extrem nördlichen Position, herrschen über den Britischen Inseln kühlere und feuchtere Bedingungen, bei gleichzeitig wärmeren und trockeneren Bedingungen über dem Mittelmeer und dem Balkan“, erklärt auch Ellie Broadman von der University of Arizona (USA) im Rahmen einer aktuellen Studie, die den Zusammenhang zwischen dem schwächelnden Jetstream und Unwetterereignissen in Europa aufzeigt. So steigerten unter anderem zuletzt anhaltende hohe Temperaturen im nordöstlichen Mittelmeerraum die Verdunstung, was in Folge im Sommer 2024 zu mehrtägigen Starkregen und zur Hochwasserkatastrophe in Ostösterreich führte. Beispiele dieser Art gibt es zahlreiche.
Mehr lesen:
Der Wind verdeutlicht, dass man an keinem Fleck der Welt etwas verändern kann, ohne dass es unmittelbare Auswirkungen auf einen anderen Ort in der Welt hat. Treibt der menschengemachte Klimawandel die Erderhitzung voran, werden durch das schmelzende Polareis auch die Jetstreams verlangsamt – mit unmittelbaren Folgen für uns alle. Der Wind ist dabei jene meteorologische Größe, die uns die Auswirkungen des Klimawandels über Ländergrenzen hinweg deutlich spüren lässt. Auch wenn es noch offene Fragen in der Forschung gibt und exakte Zahlen weiterhin erhoben werden müssen, so wiesen immer mehr Fachexpert:innen auf den Zusammenhang zwischen den zunehmenden Unwetterextremen und den Windströmen viele Kilometer über uns hin. Einmal mehr lohnt sich folglich ein genauer Blick auf das scheinbar Unsichtbare, um unseren Lebensraum besser begreifen und schützen zu können.
Quellen:
Vier Jetstreams weltweit, Größe und Ablauf beschrieben
Jetstream mit großem Einfluss aufs Wetter
Jetstream verliert an Kraft: Jetstream, Klimawandel, Ozon: Mehr Extremwetter durch schwächere Winde
Das sagen unsere Kund:innen
Bewertungen bei Google
4.2Bewertungen bei oekostrom
5.0