Minimalismus ist work in progress, und trägt viel dazu bei, den Fokus im Leben auf die wichtigen Dinge zu lenken.
Die Rechnung ist ganz einfach: Wir sammeln unser Leben lang Dinge, nehmen sie mit von A nach B, hängen sie uns um, müllen uns zu, schleppen uns ab. Weil wir sie vielleicht noch einmal brauchen können, weil sie emotional mit uns verbunden sind, weil unser Statusgefühl überzeugt ist, das gewisse Etwas besitzen zu müssen, weil, weil, weil. Einen Grund fürs Kaufen und Aufbewahren findet man immer. Ob es ein guter Grund ist, mag ich bezweifeln. Doch irgendwann ist es dann so weit: Nichts hat mehr Platz. Dann braucht man noch mehr Stauraum, legt sich ein Gartenhaus zu, mietet eine Garage oder einen Storage-Platz, wo man sein Zeug (gegen viel Geld) unterstellen kann. Irgendwann hat man einfach zu viel angehäuft. Und irgendwann erkennt man, das einen all die Dinge nicht glücklich(er) machen.
Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus ging es so. Die beiden Amerikaner aus der Dokumentation „Minimalism“ hatten alles (und noch viel mehr) und waren immer noch nicht zufrieden. 80 Stunden-Wochen, kaum Freizeit, keine Zeit für Freunde oder für sich selber. „Busy, busy, busy“ nannten sie den Zustand, in dem sie sich befanden. Geld, Ruhm, Erfolg -all das konnte nicht die Leere in ihnen füllen. 2009 begann ihre 21 Tagesreise Richtung Minimalismus. Das war der Beginn.
Dann schrieben sie ein Buch, machten sich auf ihre Tour durch Amerika, und haben seither mehr als 20 Millionen Menschen mit ihren Einsichten inspiriert. Immer wieder wurden sie gefragt, was ist denn der Kern von Minimalismus, was ist das? Hier ist ihr „Elevator-Pitch“: Minimalismus ist ein Lebensstil, der Menschen hilft, zu hinterfragen, welche Dinge den Wert ihres Lebens wirklich ausmachen. Indem sie sich von unnötigen Dingen befreien, machen sie Platz für die wichtigen Aspekte im Leben: Gesundheit, Beziehungen, Leidenschaft, persönliches Wachstum und ihr Beitrag für die Gemeinschaft.“
Zurück zu meinem Schuppen. Er war knacke voll. Machte ich die Türe auf, fielen mir mindestens drei Sachen entgegen. Ich musste mich zwischen Fahrrad und Rasenmäher durchzwängen, um zum Werkzeug zu gelangen, blieb am Griff vom Vertikutierer hängen, stolperte über eine Kiste mit Weihnachtsschmuck, versuchte den Ikea-Sack mit Geschenkpapier zu lüften, um das Kabel unterm Koffer hervorzuzaubern. Lästig!
Der Schuppen hat neun Quadratmeter. In ihm stapelten sich die Reste unserer Vergangenheit. Eine Kiste mit Geschirr aus der Ferienwohnung, die wir aufgelassen hatten. Zwei große Kisten mit Werkzeug und Farben aus meiner Werkstatt, von der ich mich getrennt hatte. Und weitere zwei Kisten mit Krimskrams aus dem Loft, aus dem wir ausgezogen waren. Und jede Menge Zeugs, von dem wir gar nicht mehr wussten, dass es uns gehörte. Innerhalb von einem Tag trennten wir uns von zwei Drittel der Sachen. Wir schenkten sie her, verkauften sie, entsorgten sie. Das war so befreiend, dass wir jetzt gleich im Haus weitermachen. Kleidung, Geschirr, Krimskrams – alles Unnötige darf Platz machen. Und genau da sind wir beim Punkt:
Dinge loszuwerden, die seit Jahren ungebraucht und meist ungeahnt Platz verschwenden ist nur ein erster Schritt, sind Joshua und Ryan überzeugt. Denn Minimalismus legt seinen Fokus nicht aufs Weniger, sondern aufs Mehr. Mehr Zeit, mehr Leidenschaft, mehr Kreativität, mehr Erfahrungen, mehr Beteiligung, mehr Zufriedenheit, mehr Freiheit.
Mit der Reise ans „Mehr“ beginne ich jetzt.
Zum Inspirieren:
„Minimalism“ – die Dokumentation ist unter anderem auf Netflix zu sehen
Zum Nachmachen:
Minimalismus – der neue Leicht-Sinn, GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Zum Vertiefen:
www.theminimalists.com
Foto: by Oliver Hae
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