Mit der Initiative „Dein gutes Recht auf saubere Energie“ möchte Global 2000 der Regierung „helfen“ einen verbindlichen Zeitplan für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu verordnen: Man überreichte der Wirtschaftsministerin einen fix-fertigen Verordnungstext, der nur noch unterschrieben werden müsste. Freilich: Sollte der ignoriert oder abgelehnt werden, wird die NGO vor Gericht ziehen, erklärt Global-2000-Klimaexperte Johannes Wahlmüller im Interview mit Tom Rottenberg.

Global 2000 hat soeben eine Kampagne gestartet, die sich „Dein gutes Recht auf saubere Energie“ nennt. Worum geht es da?

Wir sind der Meinung, dass Klimaschutz unser gutes Recht ist. Es geht also darum, dass, wenn wir eine saubere Energiezukunft wollen, „schmutzige Energie“ ein Ablaufdatum bekommen muss. Wir haben mit dem Anwalt Reinhard Schanda einen Schriftsatz erstellt, über den das rechtlich umgesetzt werden kann. Fossile Energien bekommen schrittweise ein Ablaufdatum – und das wird rechtlich verbindlich abgesichert. Ein Rechtsansatz wird es auch dadurch, dass hier Betroffene der Klimakrise dieses Recht geltend machen wollen. Jetzt liegt der Antrag bei der Wirtschaftsministerin – und die entscheidet, ob sie ihm stattgibt. Wenn sie das nicht tut, steht uns der Weg zu den Gerichten offen – dann werden wir das rechtlich durchfechten.

Wie funktioniert das?

Das Vorbild ist die Gesetzgebung zur Luftreinhaltung. Da hat es bereits Gerichtsentscheidungen gegeben, die sagen, dass Menschen, die von Luftverschmutzung betroffen sind, ihr Recht auf saubere Luft geltend machen dürfen und die Politik dann handeln muss. Ähnlich sehen wir das bei der Klimakrise: Da sind wir alle betroffen und wir machen daher unser Recht auf einen Ausstieg aus fossilen Energien geltend.

Unser Verordnungsentwurf sieht vor, dass Kohle in der Raumwärme ab 2025, Heizöl ab 2030, Treibstoffe im Straßenverkehr ab 2035 und im Luftverkehr ab 2040 durch erneuerbare Energien oder klimafreundliche Lösungen ersetzt werden müssen.

Das heißt: Global 2000 beauftragte einem Anwalt einen Entwurf an die Ministerin weiterzugeben – macht ihr das als NGO oder im Namen „echter“ Personen?

Wir sind einer der Antragsteller. Es gibt aber mehrere, die diesen Antrag gemeinsam gestellt haben. Und alle sind von der Klimakrise betroffen. Mit dabei ist etwa Peter Fliegenschnee, ein älterer Herr, der herzkrank ist und darunter leidet, dass die Hitzewellen zunehmen. Er steht für viele ältere Menschen, die ähnlich betroffen sind. Eine weitere Person, die mitmacht, ist die Monika Jasanski. Sie ist Biobäuerin und hat beobachtet, dass die Klimakrise ihren Betrieb schwer trifft. Sie sagt, dass praktisch alle Bauern erleben, dass es große Veränderungen gibt. Mit dabei ist auch Klara Butz, eine Aktivistin von „Fridays for Future“.

Was uns besonders freut, dass die Gemeinde Stanz im Mürztal dabei ist. Bürgermeister Friedrich Pichler möchte dieses Recht geltend macht, weil seine Gemeinde stark von Muren und Hochwasserereignissen betroffen ist: „Wir alle wollen nicht, dass es noch schlimmer wird.“

Sind diese Leute einfach empfindlicher als andere – oder betrifft die Klimakatastrophe viele andere einfach nicht?

Betreffen tut es sehr viele schon jetzt. Diejenigen, die den Antrag gestellt haben, stehen stellvertretend für alle, die auch betroffen sind. Von Älteren, die das jetzt schon spüren bis zu Jungen, für die erst in Zukunft schwere Auswirkungen zu erwarten sind. Das „Wegenercenter“ prognostiziert bis zu zwölf Milliarden Euro an Klimaschäden in Österreich pro Jahr in den nächsten Jahrzehnten: Das ist eine enorme Hypothek, die wir den Jungen aufbürden – und die wollen das natürlich nicht tragen.

Auf einem Protestschild mit der Aufschrift „Das Klima ändert sich, also sollten wir uns ändern! #Jetzthandeln“ und einem Symbol auf unscharfem Hintergrund wird die von Global 2000 geforderte Dringlichkeit von Umweltschutz als unserer gemeinsamen Verantwortung deutlich.

Ihr habt den Antrag eingebracht. Und jetzt?

Die erste Reaktion war, dass man sich für nicht zuständig erklärt hat. Das halten wir für nicht haltbar. Unser Gesetzes- oder Verordnungsantrag zielt darauf ab, dass die Wirtschaftsministerin eine Möglichkeit hat, über das Gewerberecht einzugreifen. Sie kann, wenn Menschenleben in Gefahr sind, wenn Gesundheit in Gefahr ist, wenn die Umwelt in Gefahr ist, den Verkauf bestimmter Waren einschränken. Das könnte sie also bei fossilen Energieträgern über diesen Antrag machen. Wir sehen drei mögliche Reaktionen:  Die erste: Die Ministerin unterzeichnet diesen Verordnungsentwurf – und Österreich hat ab diesem Zeitpunkt einen verlässlichen Fahrplan zum Ausstieg aus fossilen Energien. Wahrscheinlicher ist, dass sie den Antrag ablehnt oder überhaupt nicht kommentiert. In diesen Fällen würden wir die Gerichte damit befassen.

Klimafragen vor Gericht zu bringen ist gerade – salopp gesagt – „hip“. Es gibt die Klimaklage der Anwältin Michaela Krömer beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es gibt in Portugal und in der Schweiz Klagen. Shell ist gerade verurteilt worden: Sind Gerichte bessere Ansprechpartner als die Politik?

Das sind eigentlich Verzweiflungstaten: Die Klimakrise schreitet voran, die Politik macht Versprechungen – und hält sich nicht dran. Das Pariser Klimaabkommen ist auch ein Versprechen. Die Gerichte können einen Beitrag leisten, dass diese Versprechungen umgesetzt werden. Deswegen versuchen wir über diesen Weg mehr zu erreichen, als sonst in Österreich möglich wäre. Shell ist verurteilt worden und muss jetzt Klimaschutz betreiben und bis 2030 seine Emissionen um 45 Prozent reduzieren. Auch die Niederlande sind schon verurteilt worden, rasch Emissionen zu reduzieren und in Deutschland hat es ein Urteil gegeben, das besagt, dass das Klimaschutzgesetz verfassungswidrig ist.

Die Gerichte schauen sich an, was die Staaten versprochen haben – und wenn sie das nicht umsetzen, kann man die politisch Verantwortlichen so zum Handeln zwingen.

Wir sehen das als wichtigen Hebel, den wir in Österreich jetzt auch bedienen wollen.

In Österreich gibt es ebenfalls einen Mineralölkonzern. Und auch bei der OMV geht es gerade darum, wie fossile Energieträger ersetzt werden sollen.

Was uns Juristen sagen ist, dass es unterschiedliche Rechtssysteme in Österreich und den Niederlanden gibt. Dort kann man auch private Konzerne zur Verantwortung ziehen, wenn sie das Gemeinwohl stark schädigen. In Österreich ist das nicht so einfach möglich. Aber das heißt nicht, dass das nicht auch angeschaut wird: Wenn es ein gangbarer Weg ist, werden wir das tun. Momentan versuchen wir die OMV auf anderem Weg zu motivieren, weil sie in großem Stil Greenwashing betreibt: Sie sagt, dass ihr Klimaschutz wichtig ist. Auf der Homepage steht: „Wir sind uns der Verantwortung bewusst, wir geben ein Bekenntnis zum Klimaabkommen von Paris ab.“ Wenn man ein paar Seiten weiter schaut, steht da, dass man das Erdgasgeschäft ausbauen, also noch stärker in das fossile schmutzige Geschäft einsteigen, will.

Zurück zu eurer Initiative: Ist dieser Klage-Weg ein Wettkampf zwischen NGOs und Initiativen, oder ist es ein „collective effort“, wo jeder schaut, wo man verschiedene Hebel ansetzen kann?

Ich freue mich über jeden, der Initiativen setzt. Es kann gar nicht genug geben, weil es im Kampf gegen dieses massive Problem jede Unterstützung braucht. Bei „Dein gutes Recht auf saubere Energie“ geht es nicht nur ums Klagen:

Mit der Initiative würden fossile Energieträger ein Ablaufdatum kriegen. 2040 - also dann, wenn die Bundesregierung klimaneutral sein will.

Letztendlich setzen wir ja nur das um, was die Politik schon versprochen hat. Das würde aber für die OMV bedeuten, dass das Geschäft mit fossiler Energie beendet wird: Solche Gesetze bedeuten natürlich für eine OMV-Führung, dass wirklich umgebaut werden muss – und nicht nur so getan wird als ob.

Gibt es in Sachen Klimaschutz mittlerweile einen gesellschaftlichen „Turnover“?

Wir sehen, dass bei Unternehmen, die langfristig orientiert sind, ein Umdenken beginnt. Etwa bei der Stahlindustrie. Da hieß es vor ein paar Jahren noch „Klimaschutz ist zu teuer, das geht nicht“ – jetzt überlegt man, wie Lösungen ausschauen. Das liegt daran, dass die ihre Anlagen langfristig planen. Was 2050 stehen soll, wird jetzt schon geplant. Bei denen, die kurzfristig profitorientiert sind, gibt es aber wenig Umdenken – das sehen wir in der Mineralöl- und der Gaswirtschaft. Die Lösung wäre, dass es politische Vorgaben gibt, die klar sind, die Planungssicherheit geben und diejenigen die etwas machen, profitieren lassen. Denn die, die es nicht verstanden haben, werden vom Markt verschwinden. Das ist die Drohung gegenüber jenen, die nicht mitmachen wollen – und die Chance für die, die das schnell genug begreifen.

2030 ist weit weg. 2040 noch weiter. Gerade für Politiker*innen, die in Legislaturperioden denken. Ist das nicht eines der Hauptprobleme von Klimamaßnahmen?

Ich glaube, dass das sogar ein großer Vorteil sein kann, wenn man diese Klimaziele runterbricht und sagt: „Okay, wir wollen komplett raus aus Ölheizungen, aus Gasheizungen, aus Verbrennungstechnologien – und es gibt Übergangsfristen. Wir haben 15 Jahre, um Ölheizungen zu ersetzen.“ Dann ist das viel leichter umsetzbar. Aber es muss ausgesprochen werden – man kann dann besser umstellen. Wichtig wäre es, den Rahmen festzulegen. Denn es geht natürlich auch darum, dass man das dann schnell auf dem Boden kriegt: Ausbau der Erneuerbaren – das muss jetzt passieren. Wenn wir da 2040 irgendwo sein wollen, heißt das, jetzt viele Maßnahmen zu setzen:

Photovoltaik, Windenergie, Ersatz für Öl- und Gasheizungen: das muss jetzt massiv losgehen.

Allein 900.000 Gasheizungen und 600.000 Ölheizungen – wir brauchen eine Verzehnfachung der Photovoltaik in zehn Jahren, müssen also jedes Jahr so viel bauen, wie man jetzt in Summe hat: Das sind Riesenprojekt, die ein massives Investitionsvolumen ergeben.

Bringt oder kostet das Arbeitsplätze?

Gewisse Jobs werden wegfallen, aber neue werden entstehen. Eben deswegen ist es ja so wichtig, Planungssicherheit zu haben. Wenn es die nicht gibt, wenn es keine klaren gesetzlichen Rahmen gibt, dann ist viel schwerer zu erfassen, was das heißt, wer wann betroffen ist, welche Berufsgruppen auslaufen – und welche man verstärkt braucht: Das müsste man jetzt schon berücksichtigen.

Prinzipiell sagen aber allen Studien, dass die Bewältigung der Klimakrise ein riesiger Jobmotor ist: Am Bau, bei Heizkesseln, bei Photovoltaik, bei Energieerzeugung und Installationen – das nährt und fördert regionale Wertschöpfungskreisläufe, gerade auch im ländlichen Raum. Das ist eine Riesenchance für Österreich.

Ich komme noch einmal auf „Dein gutes Recht auf saubere Energie“ zurück: Du sprichst von Chancen – aber drohst gleichzeitig.

Ich würde das als Angebot bezeichnen. Es ist eine Möglichkeit der Politik, die eigenen Versprechungen umzusetzen – mit einem vorbereiteten Verordnungsentwurf: Eigentlich haben wir ihnen Arbeit abgenommen. Der Zeitrahmen ist so, dass sie sechs Monate Frist haben. Wenn dann keine Entscheidung da ist, gehen wir vor Gericht.

Glaubst du, dass wir uns in fünf oder zehn Jahren fragen werden, wieso über derlei überhaupt diskutiert werden musste?

Es wird sich sehr viel bewegen – die Frage ist, ob die Zeit reicht. Aber ich bin hundertprozentig überzeugt, dass fossile Energieträger nicht die Zukunft sein können und dass sich das über kurz oder lang erledigen wird.

Die Frage ist: Schaffen wir es noch rechtzeitig, dass aus der Klimakrise keine Klimakatastrophe wird?

Jeder weiß, was zu tun ist, aber leider haben wir die letzten zehn Jahre über erlebt, dass nicht passiert ist was angekündigt worden ist. Und das darf kein zweites Mal passieren. Das wird aber nicht von selbst passieren: Am Schluss zählen die Taten – und die die müssen jeden Tag aufs Neue erkämpft und politisch durchgesetzt werden: Von selbst wird nichts passieren.

Mehr zur Aktion und die Möglichkeit zur Unterstützung gibt es unter:

https://www.global2000.at/dein-gutes-recht